Originalen verwechseln könnte. Auch darf kein Ma¬ ler länger als die bestimmten zwey Stunden oben ar¬ beiten, welches für die Kopisten in Oehl eine Zeit ist, in welcher fast nichts gemacht werden kann. Aber das Künstlervolk mag seinen Muthwillen auch zuwei¬ len bis zur Ungezogenheit treiben; und es soll vor kur¬ zem ein nahmhafter Maler unsers deutschen Vater¬ landes seine Pinsel auf einem der schönsten Originale abgewischt haben um die Farben zu versuchen. Da würde mir Laien unwillkührlich der Knotenstock sich in der Faust geregt haben.
Den letzten Abend sahe ich noch eine Oper, die mit ziemlich vieler Pracht gegeben wurde. Mein Ge¬ dächtniss ist wie ein Sieb; aber mich däucht, es war die Gräfin von Amalfi. Die Musik ist, wenn ich nicht irre, sehr eklektisch. Es war bey der Vorstel¬ lung kein einziger schlechter Sänger und Akteur; aber nach meiner Meinung auch kein einziger vortrefflicher, so sehr man auch in Dresden dieses behauptete. Die Schuld mag wohl mein gewesen seyn, da ich mich fast in jedem Fache eines bessern Subjekts unwillkührlich erinnerte.
In Pirna sahen wir ein Stündchen Herrn Sieg¬ fried, den du als den Verfasser von Siama und Galmori kennest und der uns mit einigen Bekannten an die Gränze brachte. Nun gieng es in die Höhe; und so mild es unten am Flusse gewesen war, so rauh war es oben, und in einigen Stunden hatten wir schon Schnee. Dieser vermehrte sich bis einige Stunden hinter Peterswalde, nahm sodann allmählich wieder ab und hörte bey Aussig wieder ganz auf.
Originalen verwechseln könnte. Auch darf kein Ma¬ ler länger als die bestimmten zwey Stunden oben ar¬ beiten, welches für die Kopisten in Oehl eine Zeit ist, in welcher fast nichts gemacht werden kann. Aber das Künstlervolk mag seinen Muthwillen auch zuwei¬ len bis zur Ungezogenheit treiben; und es soll vor kur¬ zem ein nahmhafter Maler unsers deutschen Vater¬ landes seine Pinsel auf einem der schönsten Originale abgewischt haben um die Farben zu versuchen. Da würde mir Laien unwillkührlich der Knotenstock sich in der Faust geregt haben.
Den letzten Abend sahe ich noch eine Oper, die mit ziemlich vieler Pracht gegeben wurde. Mein Ge¬ dächtniſs ist wie ein Sieb; aber mich däucht, es war die Gräfin von Amalfi. Die Musik ist, wenn ich nicht irre, sehr eklektisch. Es war bey der Vorstel¬ lung kein einziger schlechter Sänger und Akteur; aber nach meiner Meinung auch kein einziger vortrefflicher, so sehr man auch in Dresden dieses behauptete. Die Schuld mag wohl mein gewesen seyn, da ich mich fast in jedem Fache eines bessern Subjekts unwillkührlich erinnerte.
In Pirna sahen wir ein Stündchen Herrn Sieg¬ fried, den du als den Verfasser von Siama und Galmori kennest und der uns mit einigen Bekannten an die Gränze brachte. Nun gieng es in die Höhe; und so mild es unten am Flusse gewesen war, so rauh war es oben, und in einigen Stunden hatten wir schon Schnee. Dieser vermehrte sich bis einige Stunden hinter Peterswalde, nahm sodann allmählich wieder ab und hörte bey Auſsig wieder ganz auf.
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Originalen verwechseln könnte. Auch darf kein Ma¬
ler länger als die bestimmten zwey Stunden oben ar¬
beiten, welches für die Kopisten in Oehl eine Zeit ist,
in welcher fast nichts gemacht werden kann. Aber
das Künstlervolk mag seinen Muthwillen auch zuwei¬
len bis zur Ungezogenheit treiben; und es soll vor kur¬
zem ein nahmhafter Maler unsers deutschen Vater¬
landes seine Pinsel auf einem der schönsten Originale
abgewischt haben um die Farben zu versuchen. Da
würde mir Laien unwillkührlich der Knotenstock sich
in der Faust geregt haben.
Den letzten Abend sahe ich noch eine Oper, die
mit ziemlich vieler Pracht gegeben wurde. Mein Ge¬
dächtniſs ist wie ein Sieb; aber mich däucht, es war
die Gräfin von Amalfi. Die Musik ist, wenn ich
nicht irre, sehr eklektisch. Es war bey der Vorstel¬
lung kein einziger schlechter Sänger und Akteur; aber
nach meiner Meinung auch kein einziger vortrefflicher,
so sehr man auch in Dresden dieses behauptete. Die
Schuld mag wohl mein gewesen seyn, da ich mich fast
in jedem Fache eines bessern Subjekts unwillkührlich
erinnerte.
In Pirna sahen wir ein Stündchen Herrn Sieg¬
fried, den du als den Verfasser von Siama und Galmori
kennest und der uns mit einigen Bekannten an die
Gränze brachte. Nun gieng es in die Höhe; und so
mild es unten am Flusse gewesen war, so rauh war
es oben, und in einigen Stunden hatten wir schon
Schnee. Dieser vermehrte sich bis einige Stunden
hinter Peterswalde, nahm sodann allmählich wieder ab
und hörte bey Auſsig wieder ganz auf.
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/36>, abgerufen am 21.11.2024.
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