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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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Man hatte mir gar sonderbare Begriffe von den
auffallenden Erscheinungen der Böhmischen Katholi¬
cität gemacht. Ich habe nichts bemerkt. Im Gegen¬
theil muss ich sagen, es gefiel mir alles ausserordent¬
lich wohl. Unser Wirthshaus in Peterswalde war so
gut, als man mit gehöriger Genüglichkeit es sich nur
immer wünschen kann. Der Zollbeamte, der den
Pass bescheinigte, war freundlich. Die Mahlzeit war
nicht übel und die Aufwärterin gar allerliebst niedlich
und artig. Lache nur über diese Bemerkung von mir
Griesgram. Man müsste eine sehr verstimmte unästhe¬
tische Seele haben, wenn man nicht lieber ein jun¬
ges, hübsches, freundliches Gesicht sähe, als ein altes,
hässliches, murrsinniges. Das Mädchen setzte ihr Sil¬
bermützchen vor einem Spiegel, der zwischen zwey
Marienbildern hing, so reitzend unbefangen in Ord¬
nung, als ob sie sich in Ehren eine kleine Unordnung
recht gern wollte vergeben lassen. Der Ketzer
Schnorr sahe dem rechtgläubigen Geschöpf so enthu¬
siastisch in die Augen, als ob er sich eben zu ihr be¬
kehren oder sie wenigstens zum Modell nehmen woll¬
te. Ueberdiess ist der böhmischdeutsche Dialekt bis
Lowositz ziemlich angenehm und gurgelt die Worte
nicht halb so dick und widrig hervor, wie der gebir¬
gische in Sachsen.

Der Weg von Peterswalde nach Aussig ist rauh,
aber schön; von Aussig, wo man wieder an die Elbe
kommt, romantisch wild, links und rechts an dem
Flusse hohe Berge mit Schluchten, Felsenwänden und
Spitzen. Hier tönte mir die Klage über die Undisci¬
plin unserer sächsischen Landesleute ins Ohr, die in

Man hatte mir gar sonderbare Begriffe von den
auffallenden Erscheinungen der Böhmischen Katholi¬
cität gemacht. Ich habe nichts bemerkt. Im Gegen¬
theil muſs ich sagen, es gefiel mir alles auſserordent¬
lich wohl. Unser Wirthshaus in Peterswalde war so
gut, als man mit gehöriger Genüglichkeit es sich nur
immer wünschen kann. Der Zollbeamte, der den
Paſs bescheinigte, war freundlich. Die Mahlzeit war
nicht übel und die Aufwärterin gar allerliebst niedlich
und artig. Lache nur über diese Bemerkung von mir
Griesgram. Man müſste eine sehr verstimmte unästhe¬
tische Seele haben, wenn man nicht lieber ein jun¬
ges, hübsches, freundliches Gesicht sähe, als ein altes,
häſsliches, murrsinniges. Das Mädchen setzte ihr Sil¬
bermützchen vor einem Spiegel, der zwischen zwey
Marienbildern hing, so reitzend unbefangen in Ord¬
nung, als ob sie sich in Ehren eine kleine Unordnung
recht gern wollte vergeben lassen. Der Ketzer
Schnorr sahe dem rechtgläubigen Geschöpf so enthu¬
siastisch in die Augen, als ob er sich eben zu ihr be¬
kehren oder sie wenigstens zum Modell nehmen woll¬
te. Ueberdieſs ist der böhmischdeutsche Dialekt bis
Lowositz ziemlich angenehm und gurgelt die Worte
nicht halb so dick und widrig hervor, wie der gebir¬
gische in Sachsen.

Der Weg von Peterswalde nach Auſsig ist rauh,
aber schön; von Auſsig, wo man wieder an die Elbe
kommt, romantisch wild, links und rechts an dem
Fluſse hohe Berge mit Schluchten, Felsenwänden und
Spitzen. Hier tönte mir die Klage über die Undisci¬
plin unserer sächsischen Landesleute ins Ohr, die in

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[11/0037] Man hatte mir gar sonderbare Begriffe von den auffallenden Erscheinungen der Böhmischen Katholi¬ cität gemacht. Ich habe nichts bemerkt. Im Gegen¬ theil muſs ich sagen, es gefiel mir alles auſserordent¬ lich wohl. Unser Wirthshaus in Peterswalde war so gut, als man mit gehöriger Genüglichkeit es sich nur immer wünschen kann. Der Zollbeamte, der den Paſs bescheinigte, war freundlich. Die Mahlzeit war nicht übel und die Aufwärterin gar allerliebst niedlich und artig. Lache nur über diese Bemerkung von mir Griesgram. Man müſste eine sehr verstimmte unästhe¬ tische Seele haben, wenn man nicht lieber ein jun¬ ges, hübsches, freundliches Gesicht sähe, als ein altes, häſsliches, murrsinniges. Das Mädchen setzte ihr Sil¬ bermützchen vor einem Spiegel, der zwischen zwey Marienbildern hing, so reitzend unbefangen in Ord¬ nung, als ob sie sich in Ehren eine kleine Unordnung recht gern wollte vergeben lassen. Der Ketzer Schnorr sahe dem rechtgläubigen Geschöpf so enthu¬ siastisch in die Augen, als ob er sich eben zu ihr be¬ kehren oder sie wenigstens zum Modell nehmen woll¬ te. Ueberdieſs ist der böhmischdeutsche Dialekt bis Lowositz ziemlich angenehm und gurgelt die Worte nicht halb so dick und widrig hervor, wie der gebir¬ gische in Sachsen. Der Weg von Peterswalde nach Auſsig ist rauh, aber schön; von Auſsig, wo man wieder an die Elbe kommt, romantisch wild, links und rechts an dem Fluſse hohe Berge mit Schluchten, Felsenwänden und Spitzen. Hier tönte mir die Klage über die Undisci¬ plin unserer sächsischen Landesleute ins Ohr, die in

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/37>, abgerufen am 23.11.2024.