Herrn plötzlich auf, es müsse eine ganz eigene Käm¬ merey seyn. Die Vorhergehenden hielten in der Kir¬ che noch etwas Andacht; ecoutes donc, Messieurs les perruquiers, ruft er ihnen zu, venes encore un peu ici; il y a encore a peigner. Was hat das für eine Bewandt¬ niss mit der Perücke? Nun erklärte denn das beich¬ tende Kleeblatt, der Kanzler habe sehr schöne Heuscho¬ ber draussen auf der Wiese stehen, und sie gingen zu¬ weilen mit dem Rechen hinaus und zögen rund her¬ um bedächtig herunter, dass es niemand merkte: das nennten sie des Kanzlers Perücke kämmen. Die neue Manier die Perücke zu behandeln wurde also nun scharf gerügt, untersagt und schwer verpönt.
Nung fing der Herr an im Ernst sehr fromm zu erzählen, was die heiligen Reliquien hier und da in der Nachbarschaft von Paris wieder für Wunder thäten, und dem Himmel zu danken, dass man endlich wie¬ der anfange an die allerheiligste Religion zu denken und sie nun wieder wagen dürfe, ihr Haupt empor zu heben. Er erzählte wenigstens ein halbes Dutzend ganz nagelneue Wunder, von denen ich natürlich keins behalten habe. Er selbst hatte mit heissem heili¬ gen Eifer un abrege precis sur la verite de la religion chretienne geschrieben, so hiess glaube ich der Titel, und das Buch dem Kardinal Kaprara zugeschickt. Nach dem Tone zu urtheilen, kann ich mir die Gründe denken. Der Kardinal habe ihm, wie er sagte, ein schönes Belobungsschreiben gegeben und ihn aufge¬ muntert, in seinem Eifer muthig fort zu fahren. Ei¬ nen komplettern Beweis für die Wahrheit in dem Bu¬ che kann man nun füglich nicht verlangen, als das Urtheil und den Stempel des Kardinals Kaprara.
Herrn plötzlich auf, es müsse eine ganz eigene Käm¬ merey seyn. Die Vorhergehenden hielten in der Kir¬ che noch etwas Andacht; écoutés donc, Messieurs les perruquiers, ruft er ihnen zu, venés encore un peu ici; il y a encore à peigner. Was hat das für eine Bewandt¬ niſs mit der Perücke? Nun erklärte denn das beich¬ tende Kleeblatt, der Kanzler habe sehr schöne Heuscho¬ ber drauſsen auf der Wiese stehen, und sie gingen zu¬ weilen mit dem Rechen hinaus und zögen rund her¬ um bedächtig herunter, daſs es niemand merkte: das nennten sie des Kanzlers Perücke kämmen. Die neue Manier die Perücke zu behandeln wurde also nun scharf gerügt, untersagt und schwer verpönt.
Nung fing der Herr an im Ernst sehr fromm zu erzählen, was die heiligen Reliquien hier und da in der Nachbarschaft von Paris wieder für Wunder thäten, und dem Himmel zu danken, daſs man endlich wie¬ der anfange an die allerheiligste Religion zu denken und sie nun wieder wagen dürfe, ihr Haupt empor zu heben. Er erzählte wenigstens ein halbes Dutzend ganz nagelneue Wunder, von denen ich natürlich keins behalten habe. Er selbst hatte mit heiſsem heili¬ gen Eifer un abregé precis sur la verité de la religion chrétienne geschrieben, so hieſs glaube ich der Titel, und das Buch dem Kardinal Kaprara zugeschickt. Nach dem Tone zu urtheilen, kann ich mir die Gründe denken. Der Kardinal habe ihm, wie er sagte, ein schönes Belobungsschreiben gegeben und ihn aufge¬ muntert, in seinem Eifer muthig fort zu fahren. Ei¬ nen komplettern Beweis für die Wahrheit in dem Bu¬ che kann man nun füglich nicht verlangen, als das Urtheil und den Stempel des Kardinals Kaprara.
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Herrn plötzlich auf, es müsse eine ganz eigene Käm¬
merey seyn. Die Vorhergehenden hielten in der Kir¬
che noch etwas Andacht; écoutés donc, Messieurs les
perruquiers, ruft er ihnen zu, venés encore un peu ici;
il y a encore à peigner. Was hat das für eine Bewandt¬
niſs mit der Perücke? Nun erklärte denn das beich¬
tende Kleeblatt, der Kanzler habe sehr schöne Heuscho¬
ber drauſsen auf der Wiese stehen, und sie gingen zu¬
weilen mit dem Rechen hinaus und zögen rund her¬
um bedächtig herunter, daſs es niemand merkte: das
nennten sie des Kanzlers Perücke kämmen. Die neue
Manier die Perücke zu behandeln wurde also nun
scharf gerügt, untersagt und schwer verpönt.
Nung fing der Herr an im Ernst sehr fromm zu
erzählen, was die heiligen Reliquien hier und da in
der Nachbarschaft von Paris wieder für Wunder thäten,
und dem Himmel zu danken, daſs man endlich wie¬
der anfange an die allerheiligste Religion zu denken
und sie nun wieder wagen dürfe, ihr Haupt empor zu
heben. Er erzählte wenigstens ein halbes Dutzend
ganz nagelneue Wunder, von denen ich natürlich
keins behalten habe. Er selbst hatte mit heiſsem heili¬
gen Eifer un abregé precis sur la verité de la religion
chrétienne geschrieben, so hieſs glaube ich der Titel,
und das Buch dem Kardinal Kaprara zugeschickt. Nach
dem Tone zu urtheilen, kann ich mir die Gründe
denken. Der Kardinal habe ihm, wie er sagte, ein
schönes Belobungsschreiben gegeben und ihn aufge¬
muntert, in seinem Eifer muthig fort zu fahren. Ei¬
nen komplettern Beweis für die Wahrheit in dem Bu¬
che kann man nun füglich nicht verlangen, als das
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 443 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/471>, abgerufen am 22.11.2024.
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