Nun wurde von den alten Zeiten gesprochen, die Ceremonien und Feyerlichkeiten des Hofs beschrieben und nicht ganz leise hingedeutet, dass man die glück¬ liche Rückkehr derselben bald hoffe. Der geistliche Herr, der den Sprecher machte und wirklich gut sprach, erhob nun vorzüglich die Mätressen der Könige von Frankreich, von der schönen Gabriele bis zur Pompa¬ dour und weiter herunter. Es wurde dabey das Eh¬ rengesetz der Galanterie nicht vergessen: Les rois ne font que des princes, les princes font des nobles et les nobles des roturiers. Er behauptete aus gar nicht un¬ scheinbaren Gründen, dass alle diese Damen sehr gut¬ müthige Geschöpfe gewesen, und ich bin selbst der Meinung, dass sie dem Reiche weit weniger Schaden zugefügt haben als die Minister und die Könige selbst, deren Schwachheiten gegen beyde oft unerhört waren. Nur klang die Apologie aus dem Munde eines sehr orthodoxen Geistlichen etwas drollig. Gegen Bonaparte hatte er weiter nichts, als dass er zu schnell gehe, dass man aber von dem grossen Manne noch nicht urthei¬ len dürfe. Da hatte ich denn freylich gesündigt; denn ich hatte nun leider einmal geurtheilt. Das Urtheil über öffentliche Männer, es mag wahr oder falsch seyn, kommt nie zu früh, aber oft zu spät. Mit from¬ mer Andacht meinte er noch, que Bonaparte seroit le plus grand homme de l'univers et de toute l'histoire, s'il mettoit en se retirant le vrai rejetton sur le throne. Schwerlich wird der Konsul den Pfarrer zu seinem ge¬ heimen Rath machen. Das alles wurde ohne viele Vorsicht öffentlich in der Diligence geäussert: Du siehst, dass sich die Fahne sehr gedreht hat. Man sagte laut,
Nun wurde von den alten Zeiten gesprochen, die Ceremonien und Feyerlichkeiten des Hofs beschrieben und nicht ganz leise hingedeutet, daſs man die glück¬ liche Rückkehr derselben bald hoffe. Der geistliche Herr, der den Sprecher machte und wirklich gut sprach, erhob nun vorzüglich die Mätressen der Könige von Frankreich, von der schönen Gabriele bis zur Pompa¬ dour und weiter herunter. Es wurde dabey das Eh¬ rengesetz der Galanterie nicht vergessen: Les rois ne font que des princes, les princes font des nobles et les nobles des roturiers. Er behauptete aus gar nicht un¬ scheinbaren Gründen, daſs alle diese Damen sehr gut¬ müthige Geschöpfe gewesen, und ich bin selbst der Meinung, daſs sie dem Reiche weit weniger Schaden zugefügt haben als die Minister und die Könige selbst, deren Schwachheiten gegen beyde oft unerhört waren. Nur klang die Apologie aus dem Munde eines sehr orthodoxen Geistlichen etwas drollig. Gegen Bonaparte hatte er weiter nichts, als daſs er zu schnell gehe, daſs man aber von dem groſsen Manne noch nicht urthei¬ len dürfe. Da hatte ich denn freylich gesündigt; denn ich hatte nun leider einmal geurtheilt. Das Urtheil über öffentliche Männer, es mag wahr oder falsch seyn, kommt nie zu früh, aber oft zu spät. Mit from¬ mer Andacht meinte er noch, que Bonaparte seroit le plus grand homme de l'univers et de toute l'histoire, s'il mettoit en se retirant le vrai rejetton sur le throne. Schwerlich wird der Konsul den Pfarrer zu seinem ge¬ heimen Rath machen. Das alles wurde ohne viele Vorsicht öffentlich in der Diligence geäuſsert: Du siehst, daſs sich die Fahne sehr gedreht hat. Man sagte laut,
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Nun wurde von den alten Zeiten gesprochen, die
Ceremonien und Feyerlichkeiten des Hofs beschrieben
und nicht ganz leise hingedeutet, daſs man die glück¬
liche Rückkehr derselben bald hoffe. Der geistliche
Herr, der den Sprecher machte und wirklich gut sprach,
erhob nun vorzüglich die Mätressen der Könige von
Frankreich, von der schönen Gabriele bis zur Pompa¬
dour und weiter herunter. Es wurde dabey das Eh¬
rengesetz der Galanterie nicht vergessen: Les rois ne
font que des princes, les princes font des nobles et les
nobles des roturiers. Er behauptete aus gar nicht un¬
scheinbaren Gründen, daſs alle diese Damen sehr gut¬
müthige Geschöpfe gewesen, und ich bin selbst der
Meinung, daſs sie dem Reiche weit weniger Schaden
zugefügt haben als die Minister und die Könige selbst,
deren Schwachheiten gegen beyde oft unerhört waren.
Nur klang die Apologie aus dem Munde eines sehr
orthodoxen Geistlichen etwas drollig. Gegen Bonaparte
hatte er weiter nichts, als daſs er zu schnell gehe, daſs
man aber von dem groſsen Manne noch nicht urthei¬
len dürfe. Da hatte ich denn freylich gesündigt; denn
ich hatte nun leider einmal geurtheilt. Das Urtheil
über öffentliche Männer, es mag wahr oder falsch
seyn, kommt nie zu früh, aber oft zu spät. Mit from¬
mer Andacht meinte er noch, que Bonaparte seroit le
plus grand homme de l'univers et de toute l'histoire,
s'il mettoit en se retirant le vrai rejetton sur le throne.
Schwerlich wird der Konsul den Pfarrer zu seinem ge¬
heimen Rath machen. Das alles wurde ohne viele
Vorsicht öffentlich in der Diligence geäuſsert: Du siehst,
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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 444 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/472>, abgerufen am 22.11.2024.
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