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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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es vor, als ob die so verschönerte Wade desswegen
nicht schöner wäre.

Den Apollo von Belvedere will man jetzt, wie
ich höre, zum Nero dem Sieger machen. Klassische
Stellen hat man wohl für sich, dass Nero in dieser
Gestalt existiert haben könne; es kommt darauf an,
dass man beweise, er sey es wirklich. Es wäre Scha¬
de um das schöne hohe Ideal der Künstler, wenn sei¬
ne Schöpfung eine solche Veranlassung sollte gehabt
haben. Der Musaget gefällt mir nicht, so wenig als
einige seiner Mädchen: aber dafür sind andere dabey,
die hohen Werth haben. Unter der Gesellschaft steht
ein Sokrateskopf, nach welchem Raphael den seinigen
in seiner Schule gemacht haben soll. Wie könnte
ich Dir den Reichthum beschreiben, den die Franken
hergebracht haben! Ich wollte nur, die Mediceerin
wäre auch da, damit ich doch das Wunderbild sehen
könnte. Vorzüglich beschäftigten mich einige Ge¬
schichtsstatüen und Geschichtsköpfe, meistens Römer;
und vor allen den beyden Brutus, die man links am
Fenster in ein ziemlich gutes Licht gesetzt hat, wel¬
ches im Ganzen nicht der Fall ist: denn die mei¬
sten Kunstwerke, selbst der Laokoon und der Belvede¬
rische Apoll, stehen schlecht. Ich bin oft in dem
Saale auf und ab gewandelt und habe links und rechts
die Schätze betrachtet; aber ich kam immer wieder
zu den Köpfen und vorzüglich zu diesen Köpfen zu¬
rück. Ich gestehe Dir meine Schwachheit, dass ich
lieber Geschichtsköpfe sah als Ideale: und auch unter
den Idealen finde ich mehr Portraite und Geschichte,
als die Künstler vielleicht zugestehen wollen.

es vor, als ob die so verschönerte Wade deſswegen
nicht schöner wäre.

Den Apollo von Belvedere will man jetzt, wie
ich höre, zum Nero dem Sieger machen. Klassische
Stellen hat man wohl für sich, daſs Nero in dieser
Gestalt existiert haben könne; es kommt darauf an,
daſs man beweise, er sey es wirklich. Es wäre Scha¬
de um das schöne hohe Ideal der Künstler, wenn sei¬
ne Schöpfung eine solche Veranlassung sollte gehabt
haben. Der Musaget gefällt mir nicht, so wenig als
einige seiner Mädchen: aber dafür sind andere dabey,
die hohen Werth haben. Unter der Gesellschaft steht
ein Sokrateskopf, nach welchem Raphael den seinigen
in seiner Schule gemacht haben soll. Wie könnte
ich Dir den Reichthum beschreiben, den die Franken
hergebracht haben! Ich wollte nur, die Mediceerin
wäre auch da, damit ich doch das Wunderbild sehen
könnte. Vorzüglich beschäftigten mich einige Ge¬
schichtsstatüen und Geschichtsköpfe, meistens Römer;
und vor allen den beyden Brutus, die man links am
Fenster in ein ziemlich gutes Licht gesetzt hat, wel¬
ches im Ganzen nicht der Fall ist: denn die mei¬
sten Kunstwerke, selbst der Laokoon und der Belvede¬
rische Apoll, stehen schlecht. Ich bin oft in dem
Saale auf und ab gewandelt und habe links und rechts
die Schätze betrachtet; aber ich kam immer wieder
zu den Köpfen und vorzüglich zu diesen Köpfen zu¬
rück. Ich gestehe Dir meine Schwachheit, daſs ich
lieber Geschichtsköpfe sah als Ideale: und auch unter
den Idealen finde ich mehr Portraite und Geschichte,
als die Künstler vielleicht zugestehen wollen.

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[450 /0478] es vor, als ob die so verschönerte Wade deſswegen nicht schöner wäre. Den Apollo von Belvedere will man jetzt, wie ich höre, zum Nero dem Sieger machen. Klassische Stellen hat man wohl für sich, daſs Nero in dieser Gestalt existiert haben könne; es kommt darauf an, daſs man beweise, er sey es wirklich. Es wäre Scha¬ de um das schöne hohe Ideal der Künstler, wenn sei¬ ne Schöpfung eine solche Veranlassung sollte gehabt haben. Der Musaget gefällt mir nicht, so wenig als einige seiner Mädchen: aber dafür sind andere dabey, die hohen Werth haben. Unter der Gesellschaft steht ein Sokrateskopf, nach welchem Raphael den seinigen in seiner Schule gemacht haben soll. Wie könnte ich Dir den Reichthum beschreiben, den die Franken hergebracht haben! Ich wollte nur, die Mediceerin wäre auch da, damit ich doch das Wunderbild sehen könnte. Vorzüglich beschäftigten mich einige Ge¬ schichtsstatüen und Geschichtsköpfe, meistens Römer; und vor allen den beyden Brutus, die man links am Fenster in ein ziemlich gutes Licht gesetzt hat, wel¬ ches im Ganzen nicht der Fall ist: denn die mei¬ sten Kunstwerke, selbst der Laokoon und der Belvede¬ rische Apoll, stehen schlecht. Ich bin oft in dem Saale auf und ab gewandelt und habe links und rechts die Schätze betrachtet; aber ich kam immer wieder zu den Köpfen und vorzüglich zu diesen Köpfen zu¬ rück. Ich gestehe Dir meine Schwachheit, daſs ich lieber Geschichtsköpfe sah als Ideale: und auch unter den Idealen finde ich mehr Portraite und Geschichte, als die Künstler vielleicht zugestehen wollen.

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 450 . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/478>, abgerufen am 22.11.2024.