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Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803.

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die Strasse nach Steyermark. Schnorr hatte als Haus¬
vater billig Bedenken getragen, den Gang nach Hespe¬
rien weiter mit mir zu machen. Man hatte die Ge¬
fahr, die wohl ziemlich gross war, von allen Seiten
noch mehr vergrössert; und was ich als einzelnes iso¬
liertes Menschenkind ganz ruhig wagen konnte, wäre
für einen Familienvater Tollkühnheit gewesen. Kom¬
me ich um, so ist die Rechnung geschlossen und es
ist Feyerabend: aber bey ihm wäre die Sache nicht
so leicht abgethan. Er begleitete mich den zehnten
Januar, an einem schönen hellen kalten Morgen eine
Stunde weit heraus bis an ein altes gothisches Monu¬
ment, und übergab mich meinem guten Genius. Un¬
sere Trennung war nicht ohne Schmerz, aber rasch
und hoffnungsvoll uns in Paris wieder zu finden.

Ich zog nun an den Bergen hin, die rechts im¬
mer grösser wurden, dachte so wenig als möglich, denn
viel denken ist, zumahl in einer solchen Stimmung
und bey einer solchen Unternehmung, sehr unbequem,
und setzte gemächlich einen Fuss vor den andern im¬
mer weiter fort. Als die Nacht einbrach blieb ich in
einem Dorfe zwischen Günselsdorf und Neustadt. So
wie ich in die grosse Wirthsstube trat fand ich sie voll
Soldaten, die ihre Bacchanalien hielten. Die Remi¬
niscenzen der Wachstuben, wo ich ehemahls Amts we¬
gen eine Zeit lang jede dritte Nacht unter Tabaks¬
dampf und Kleinbierwitz leben musste, hielten mich,
dass ich nicht sogleich zurück fuhr. Ich pflanzte mich
in einen Winkel am Ofen, und liess ungefähr dreyssig
Wildlinge ihr Unwesen so toll um mich her treiben,
dass mir die Ohren gellten. Einige spielten Karten,

die Straſse nach Steyermark. Schnorr hatte als Haus¬
vater billig Bedenken getragen, den Gang nach Hespe¬
rien weiter mit mir zu machen. Man hatte die Ge¬
fahr, die wohl ziemlich groſs war, von allen Seiten
noch mehr vergröſsert; und was ich als einzelnes iso¬
liertes Menschenkind ganz ruhig wagen konnte, wäre
für einen Familienvater Tollkühnheit gewesen. Kom¬
me ich um, so ist die Rechnung geschlossen und es
ist Feyerabend: aber bey ihm wäre die Sache nicht
so leicht abgethan. Er begleitete mich den zehnten
Januar, an einem schönen hellen kalten Morgen eine
Stunde weit heraus bis an ein altes gothisches Monu¬
ment, und übergab mich meinem guten Genius. Un¬
sere Trennung war nicht ohne Schmerz, aber rasch
und hoffnungsvoll uns in Paris wieder zu finden.

Ich zog nun an den Bergen hin, die rechts im¬
mer gröſser wurden, dachte so wenig als möglich, denn
viel denken ist, zumahl in einer solchen Stimmung
und bey einer solchen Unternehmung, sehr unbequem,
und setzte gemächlich einen Fuſs vor den andern im¬
mer weiter fort. Als die Nacht einbrach blieb ich in
einem Dorfe zwischen Günselsdorf und Neustadt. So
wie ich in die groſse Wirthsstube trat fand ich sie voll
Soldaten, die ihre Bacchanalien hielten. Die Remi¬
niscenzen der Wachstuben, wo ich ehemahls Amts we¬
gen eine Zeit lang jede dritte Nacht unter Tabaks¬
dampf und Kleinbierwitz leben muſste, hielten mich,
daſs ich nicht sogleich zurück fuhr. Ich pflanzte mich
in einen Winkel am Ofen, und lieſs ungefähr dreyſsig
Wildlinge ihr Unwesen so toll um mich her treiben,
daſs mir die Ohren gellten. Einige spielten Karten,

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[44/0070] die Straſse nach Steyermark. Schnorr hatte als Haus¬ vater billig Bedenken getragen, den Gang nach Hespe¬ rien weiter mit mir zu machen. Man hatte die Ge¬ fahr, die wohl ziemlich groſs war, von allen Seiten noch mehr vergröſsert; und was ich als einzelnes iso¬ liertes Menschenkind ganz ruhig wagen konnte, wäre für einen Familienvater Tollkühnheit gewesen. Kom¬ me ich um, so ist die Rechnung geschlossen und es ist Feyerabend: aber bey ihm wäre die Sache nicht so leicht abgethan. Er begleitete mich den zehnten Januar, an einem schönen hellen kalten Morgen eine Stunde weit heraus bis an ein altes gothisches Monu¬ ment, und übergab mich meinem guten Genius. Un¬ sere Trennung war nicht ohne Schmerz, aber rasch und hoffnungsvoll uns in Paris wieder zu finden. Ich zog nun an den Bergen hin, die rechts im¬ mer gröſser wurden, dachte so wenig als möglich, denn viel denken ist, zumahl in einer solchen Stimmung und bey einer solchen Unternehmung, sehr unbequem, und setzte gemächlich einen Fuſs vor den andern im¬ mer weiter fort. Als die Nacht einbrach blieb ich in einem Dorfe zwischen Günselsdorf und Neustadt. So wie ich in die groſse Wirthsstube trat fand ich sie voll Soldaten, die ihre Bacchanalien hielten. Die Remi¬ niscenzen der Wachstuben, wo ich ehemahls Amts we¬ gen eine Zeit lang jede dritte Nacht unter Tabaks¬ dampf und Kleinbierwitz leben muſste, hielten mich, daſs ich nicht sogleich zurück fuhr. Ich pflanzte mich in einen Winkel am Ofen, und lieſs ungefähr dreyſsig Wildlinge ihr Unwesen so toll um mich her treiben, daſs mir die Ohren gellten. Einige spielten Karten,

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Zitationshilfe: Seume, Johann Gottfried: Spaziergang nach Syrakus im Jahre 1802. Braunschweig u. a., 1803, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seume_syrakus_1803/70>, abgerufen am 24.11.2024.