Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Seyfried, Johann Heinrich: Medulla Mirabilium Naturae. Nürnberg, 1679.

Bild:
<< vorherige Seite

Das andere Buch.
gierd/ Hände und Arme/ jederweilen auch den
Kopff eintauchen.

Etliche praesentiren ein paar sich balgen-
der Soldaten; oder vollgesoffener Truncken-
bold; andere/ nehmen an sich eine besondere
Spanische Gravität/ in Worten und Geber-
den/ sich einbildend/ daß sie hohe Stands-Per-
sonen Hertzoge/ General/ und dergleichen wä-
ren. Noch hat man etliche beobachtet/ die an die
Wagen-Deichseln sich anhengen/ und darinnen
ihre besondere Ergötzung suchen.

Viele/ wann sie eine Zeit lang gesprungen;
setzen sie sich nieder und schlagen mit den Hän-
den hefftig auf ihre Knie/ als wolten sie dadurch
ein schweres innerliches Anliegen andeuten.
Manche/ strecken der Länge nach sich auf die
Erde/ stossen dieselbe mit Händen und Füssen;
und was dergleichen affecten an diesen armen
Patienten mehr sich ereignen.

Aber alle diese affecten und Zufäll werden
erreget/ und auch wider aufgelöset und gestillet/
nach dem Tact und Zusammenstimmung des
Klangs und Gesangs/ welchen die inficirte Per-
son mit sothaner Gemüths- und Leibs Empfind-
lichkeit aufnehmen/ daß öffters/ wann dem
Verletzten die Musicalische Jnstrumenten nahe
bey die Ohren gehalten werden/ er von sonder-
barer Vergnügung und Wolgefallen gleich-
sam erstarret sich bezeiget; bald aber voll Jubi-
lirens/ zuruck tritt/ gantz hefftig hinwiderum zu

tan-

Das andere Buch.
gierd/ Hände und Arme/ jederweilen auch den
Kopff eintauchen.

Etliche præſentiren ein paar ſich balgen-
der Soldaten; oder vollgeſoffener Truncken-
bold; andere/ nehmen an ſich eine beſondere
Spaniſche Gravität/ in Worten und Geber-
den/ ſich einbildend/ daß ſie hohe Stands-Per-
ſonen Hertzoge/ General/ und dergleichen wä-
ren. Noch hat man etliche beobachtet/ die an die
Wagen-Deichſeln ſich anhengen/ und darinnen
ihre beſondere Ergötzung ſuchen.

Viele/ wann ſie eine Zeit lang geſprungen;
ſetzen ſie ſich nieder und ſchlagen mit den Hän-
den hefftig auf ihre Knie/ als wolten ſie dadurch
ein ſchweres innerliches Anliegen andeuten.
Manche/ ſtrecken der Länge nach ſich auf die
Erde/ ſtoſſen dieſelbe mit Händen und Füſſen;
und was dergleichen affecten an dieſen armen
Patienten mehr ſich ereignen.

Aber alle dieſe affecten und Zufäll werden
erreget/ und auch wider aufgelöſet und geſtillet/
nach dem Tact und Zuſammenſtimmung des
Klangs und Geſangs/ welchen die inficirte Per-
ſon mit ſothaner Gemüths- und Leibs Empfind-
lichkeit aufnehmen/ daß öffters/ wann dem
Verletzten die Muſicaliſche Jnſtrumenten nahe
bey die Ohren gehalten werden/ er von ſonder-
barer Vergnügung und Wolgefallen gleich-
ſam erſtarret ſich bezeiget; bald aber voll Jubi-
lirens/ zuruck tritt/ gantz hefftig hinwiderum zu

tan-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0822" n="656"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das andere Buch.</hi></fw><lb/>
gierd/ Hände und Arme/ jederweilen auch den<lb/>
Kopff eintauchen.</p><lb/>
            <p>Etliche <hi rendition="#aq">præ&#x017F;entir</hi>en ein paar &#x017F;ich balgen-<lb/>
der Soldaten; oder vollge&#x017F;offener Truncken-<lb/>
bold; andere/ nehmen an &#x017F;ich eine be&#x017F;ondere<lb/>
Spani&#x017F;che Gravität/ in Worten und Geber-<lb/>
den/ &#x017F;ich einbildend/ daß &#x017F;ie hohe Stands-Per-<lb/>
&#x017F;onen Hertzoge/ General/ und dergleichen wä-<lb/>
ren. Noch hat man etliche beobachtet/ die an die<lb/>
Wagen-Deich&#x017F;eln &#x017F;ich anhengen/ und darinnen<lb/>
ihre be&#x017F;ondere Ergötzung &#x017F;uchen.</p><lb/>
            <p>Viele/ wann &#x017F;ie eine Zeit lang ge&#x017F;prungen;<lb/>
&#x017F;etzen &#x017F;ie &#x017F;ich nieder und &#x017F;chlagen mit den Hän-<lb/>
den hefftig auf ihre Knie/ als wolten &#x017F;ie dadurch<lb/>
ein &#x017F;chweres innerliches Anliegen andeuten.<lb/>
Manche/ &#x017F;trecken der Länge nach &#x017F;ich auf die<lb/>
Erde/ &#x017F;to&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;elbe mit Händen und Fü&#x017F;&#x017F;en;<lb/>
und was dergleichen <hi rendition="#aq">affect</hi>en an die&#x017F;en armen<lb/>
Patienten mehr &#x017F;ich ereignen.</p><lb/>
            <p>Aber alle die&#x017F;e <hi rendition="#aq">affect</hi>en und Zufäll werden<lb/>
erreget/ und auch wider aufgelö&#x017F;et und ge&#x017F;tillet/<lb/>
nach dem Tact und Zu&#x017F;ammen&#x017F;timmung des<lb/>
Klangs und Ge&#x017F;angs/ welchen die <hi rendition="#aq">inficir</hi>te Per-<lb/>
&#x017F;on mit &#x017F;othaner Gemüths- und Leibs Empfind-<lb/>
lichkeit aufnehmen/ daß öffters/ wann dem<lb/>
Verletzten die Mu&#x017F;icali&#x017F;che Jn&#x017F;trumenten nahe<lb/>
bey die Ohren gehalten werden/ er von &#x017F;onder-<lb/>
barer Vergnügung und Wolgefallen gleich-<lb/>
&#x017F;am er&#x017F;tarret &#x017F;ich bezeiget; bald aber voll Jubi-<lb/>
lirens/ zuruck tritt/ gantz hefftig hinwiderum zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">tan-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[656/0822] Das andere Buch. gierd/ Hände und Arme/ jederweilen auch den Kopff eintauchen. Etliche præſentiren ein paar ſich balgen- der Soldaten; oder vollgeſoffener Truncken- bold; andere/ nehmen an ſich eine beſondere Spaniſche Gravität/ in Worten und Geber- den/ ſich einbildend/ daß ſie hohe Stands-Per- ſonen Hertzoge/ General/ und dergleichen wä- ren. Noch hat man etliche beobachtet/ die an die Wagen-Deichſeln ſich anhengen/ und darinnen ihre beſondere Ergötzung ſuchen. Viele/ wann ſie eine Zeit lang geſprungen; ſetzen ſie ſich nieder und ſchlagen mit den Hän- den hefftig auf ihre Knie/ als wolten ſie dadurch ein ſchweres innerliches Anliegen andeuten. Manche/ ſtrecken der Länge nach ſich auf die Erde/ ſtoſſen dieſelbe mit Händen und Füſſen; und was dergleichen affecten an dieſen armen Patienten mehr ſich ereignen. Aber alle dieſe affecten und Zufäll werden erreget/ und auch wider aufgelöſet und geſtillet/ nach dem Tact und Zuſammenſtimmung des Klangs und Geſangs/ welchen die inficirte Per- ſon mit ſothaner Gemüths- und Leibs Empfind- lichkeit aufnehmen/ daß öffters/ wann dem Verletzten die Muſicaliſche Jnſtrumenten nahe bey die Ohren gehalten werden/ er von ſonder- barer Vergnügung und Wolgefallen gleich- ſam erſtarret ſich bezeiget; bald aber voll Jubi- lirens/ zuruck tritt/ gantz hefftig hinwiderum zu tan-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/seyfried_medulla_1679
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/seyfried_medulla_1679/822
Zitationshilfe: Seyfried, Johann Heinrich: Medulla Mirabilium Naturae. Nürnberg, 1679, S. 656. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/seyfried_medulla_1679/822>, abgerufen am 22.11.2024.