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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Leucaspius.
reihe. Vorherrschend bilden vier Zähne rechts und fünf Zähne links die in-
nere Zahnreihe, vor welcher bei zwölf Individuen weder auf der rechten noch
linken Seite die Spur eines Zahnes zu erkennen war. Drei Mal zählte ich auf
beiden Seiten an der inneren Zahnreihe fünf Zähne. Ein Individuum bot eine
besonders abweichende Zahnformel dar, indem vor der rechten inneren fünf-
zähnigen Reihe ein einziger kleiner Zahn und vor der linken inneren eben-
falls fünfzähnigen Reihe zwei kleine Zähnchen zu erkennen waren. Die paa-
rigen Flossen sind sehr kurz, die Rücken- und Afterflosse ziemlich niedrig,
während die Schwanzflosse lang und tief eingeschnitten erscheint.

Der Rücken dieses Fischchens ist grünlichgelb gefärbt, an den schön sil-
berglänzenden Leibesseiten desselben springt ein stahlblauer Längsstreifen in
die Augen, welcher auf der hinteren Körperhälfte besonders stark ausgeprägt
ist und von einer unter der Haut angebrachten Anhäufung schwarzen Pigmen-
tes herrührt. Die Flossen zeigen sich sämmtlich farblos.

Der Leucaspius delineatus, welcher meistens eine Länge von 21/2 bis 3 Zoll
und selten bis 31/2 Zoll erreicht, ist ein Bewohner des südöstlichen Europa's,
er kömmt aber auch im mittleren Europa vor und dürfte in den westlichen
Gegenden Europa's ebenfalls nicht fehlen, wo er vielleicht bis jetzt nur über-
sehen worden ist. Nach den Erfahrungen russischer Faunisten findet sich die-
ses Fischchen unter dem Namen "Owsianka" in den Flüssen Südrusslands all-
gemein verbreitet. Von Virlet wurde derselbe Cyprinoide in dem griechischen
See Zaraco (dem alten stymphalischen See) entdeckt 1), Heckel erhielt diesen
kleinen Fisch von Datschitz in Mähren, von Aderkla bei Wien und aus der
Umgebung von Lemberg. Ich fieng denselben in einem sehr kleinen Sumpfe
bei Braunsberg, auch wurde derselbe in meiner Gegenwart bei Nikolaiken im
Spirdingsee und bei Danzig im Heubuder See gefangen. In Berlin wurde mir
derselbe zwischen mehreren Bitterlingen und Giebeln überbracht, welche in
der Nähe der Havel gefangen waren. Blasius traf denselben sehr zahlreich
bei Braunschweig in einem kleinen Nebenflusse der Ocker an.

Zur Zeit der Brunst, welche nach den Angaben von Czernay und Mas-
lowsky
2) im April einzutreten scheint, macht sich bei diesem Fische hinter dem
After eine aus drei Wülsten zusammengesetzte Urogenital-Papille bemerkbar.

Es variirt dieser Fisch in seiner Form und Färbung nach den verschiede-
nen Aufenthaltsorten ebenso sehr wie die gemeine Laube, daher es gekommen
sein mag, dass diese je nach den verschiedenen Fundorten verschieden gestal-
teten Varietäten für ebenso viele Arten genommen worden sind. Auch Mas-

1) Vergl. Valenciennes a. a. O.
2) S. Bulletin de Moscou a. a. O. 1854. Nr. 2. pag. 452. Von Blasius wurde nach
einer mir gemachten mündlichen Mittheilung dieser Fisch vom April bis Ende Mai bei
Braunschweig im Laich angetroffen.

Gattung: Leucaspius.
reihe. Vorherrschend bilden vier Zähne rechts und fünf Zähne links die in-
nere Zahnreihe, vor welcher bei zwölf Individuen weder auf der rechten noch
linken Seite die Spur eines Zahnes zu erkennen war. Drei Mal zählte ich auf
beiden Seiten an der inneren Zahnreihe fünf Zähne. Ein Individuum bot eine
besonders abweichende Zahnformel dar, indem vor der rechten inneren fünf-
zähnigen Reihe ein einziger kleiner Zahn und vor der linken inneren eben-
falls fünfzähnigen Reihe zwei kleine Zähnchen zu erkennen waren. Die paa-
rigen Flossen sind sehr kurz, die Rücken- und Afterflosse ziemlich niedrig,
während die Schwanzflosse lang und tief eingeschnitten erscheint.

Der Rücken dieses Fischchens ist grünlichgelb gefärbt, an den schön sil-
berglänzenden Leibesseiten desselben springt ein stahlblauer Längsstreifen in
die Augen, welcher auf der hinteren Körperhälfte besonders stark ausgeprägt
ist und von einer unter der Haut angebrachten Anhäufung schwarzen Pigmen-
tes herrührt. Die Flossen zeigen sich sämmtlich farblos.

Der Leucaspius delineatus, welcher meistens eine Länge von 2½ bis 3 Zoll
und selten bis 3½ Zoll erreicht, ist ein Bewohner des südöstlichen Europa’s,
er kömmt aber auch im mittleren Europa vor und dürfte in den westlichen
Gegenden Europa’s ebenfalls nicht fehlen, wo er vielleicht bis jetzt nur über-
sehen worden ist. Nach den Erfahrungen russischer Faunisten findet sich die-
ses Fischchen unter dem Namen »Owsianka« in den Flüssen Südrusslands all-
gemein verbreitet. Von Virlet wurde derselbe Cyprinoide in dem griechischen
See Zaraco (dem alten stymphalischen See) entdeckt 1), Heckel erhielt diesen
kleinen Fisch von Datschitz in Mähren, von Aderkla bei Wien und aus der
Umgebung von Lemberg. Ich fieng denselben in einem sehr kleinen Sumpfe
bei Braunsberg, auch wurde derselbe in meiner Gegenwart bei Nikolaiken im
Spirdingsee und bei Danzig im Heubuder See gefangen. In Berlin wurde mir
derselbe zwischen mehreren Bitterlingen und Giebeln überbracht, welche in
der Nähe der Havel gefangen waren. Blasius traf denselben sehr zahlreich
bei Braunschweig in einem kleinen Nebenflusse der Ocker an.

Zur Zeit der Brunst, welche nach den Angaben von Czernay und Mas-
lowsky
2) im April einzutreten scheint, macht sich bei diesem Fische hinter dem
After eine aus drei Wülsten zusammengesetzte Urogenital-Papille bemerkbar.

Es variirt dieser Fisch in seiner Form und Färbung nach den verschiede-
nen Aufenthaltsorten ebenso sehr wie die gemeine Laube, daher es gekommen
sein mag, dass diese je nach den verschiedenen Fundorten verschieden gestal-
teten Varietäten für ebenso viele Arten genommen worden sind. Auch Mas-

1) Vergl. Valenciennes a. a. O.
2) S. Bulletin de Moscou a. a. O. 1854. Nr. 2. pag. 452. Von Blasius wurde nach
einer mir gemachten mündlichen Mittheilung dieser Fisch vom April bis Ende Mai bei
Braunschweig im Laich angetroffen.
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[173/0186] Gattung: Leucaspius. reihe. Vorherrschend bilden vier Zähne rechts und fünf Zähne links die in- nere Zahnreihe, vor welcher bei zwölf Individuen weder auf der rechten noch linken Seite die Spur eines Zahnes zu erkennen war. Drei Mal zählte ich auf beiden Seiten an der inneren Zahnreihe fünf Zähne. Ein Individuum bot eine besonders abweichende Zahnformel dar, indem vor der rechten inneren fünf- zähnigen Reihe ein einziger kleiner Zahn und vor der linken inneren eben- falls fünfzähnigen Reihe zwei kleine Zähnchen zu erkennen waren. Die paa- rigen Flossen sind sehr kurz, die Rücken- und Afterflosse ziemlich niedrig, während die Schwanzflosse lang und tief eingeschnitten erscheint. Der Rücken dieses Fischchens ist grünlichgelb gefärbt, an den schön sil- berglänzenden Leibesseiten desselben springt ein stahlblauer Längsstreifen in die Augen, welcher auf der hinteren Körperhälfte besonders stark ausgeprägt ist und von einer unter der Haut angebrachten Anhäufung schwarzen Pigmen- tes herrührt. Die Flossen zeigen sich sämmtlich farblos. Der Leucaspius delineatus, welcher meistens eine Länge von 2½ bis 3 Zoll und selten bis 3½ Zoll erreicht, ist ein Bewohner des südöstlichen Europa’s, er kömmt aber auch im mittleren Europa vor und dürfte in den westlichen Gegenden Europa’s ebenfalls nicht fehlen, wo er vielleicht bis jetzt nur über- sehen worden ist. Nach den Erfahrungen russischer Faunisten findet sich die- ses Fischchen unter dem Namen »Owsianka« in den Flüssen Südrusslands all- gemein verbreitet. Von Virlet wurde derselbe Cyprinoide in dem griechischen See Zaraco (dem alten stymphalischen See) entdeckt 1), Heckel erhielt diesen kleinen Fisch von Datschitz in Mähren, von Aderkla bei Wien und aus der Umgebung von Lemberg. Ich fieng denselben in einem sehr kleinen Sumpfe bei Braunsberg, auch wurde derselbe in meiner Gegenwart bei Nikolaiken im Spirdingsee und bei Danzig im Heubuder See gefangen. In Berlin wurde mir derselbe zwischen mehreren Bitterlingen und Giebeln überbracht, welche in der Nähe der Havel gefangen waren. Blasius traf denselben sehr zahlreich bei Braunschweig in einem kleinen Nebenflusse der Ocker an. Zur Zeit der Brunst, welche nach den Angaben von Czernay und Mas- lowsky 2) im April einzutreten scheint, macht sich bei diesem Fische hinter dem After eine aus drei Wülsten zusammengesetzte Urogenital-Papille bemerkbar. Es variirt dieser Fisch in seiner Form und Färbung nach den verschiede- nen Aufenthaltsorten ebenso sehr wie die gemeine Laube, daher es gekommen sein mag, dass diese je nach den verschiedenen Fundorten verschieden gestal- teten Varietäten für ebenso viele Arten genommen worden sind. Auch Mas- 1) Vergl. Valenciennes a. a. O. 2) S. Bulletin de Moscou a. a. O. 1854. Nr. 2. pag. 452. Von Blasius wurde nach einer mir gemachten mündlichen Mittheilung dieser Fisch vom April bis Ende Mai bei Braunschweig im Laich angetroffen.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/186>, abgerufen am 21.11.2024.