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Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863.

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Gattung: Anguilla.
Donau, der March und Traun, sowie des Hallstädter und Traunsee aufzu-
führen, das ist völlig unbegreiflich. Worauf Schrank (Nr. 23: pag. 307) seine
irrige Angabe, nach welcher der Aal in der Traun bei Traunstein vorkommen
soll, und Perty (Nr. 24: pag. 717) die seinige gründet, nach welcher nicht
bloss die Traun, sondern auch die Isar von Aalen bewohnt werden soll, ist
mir ebenfalls räthselhaft geblieben. Haben sich die eben aufgeführten Fauni-
sten Ungarns, Oestreichs und Bayerns über das Vorkommen des Aals in ihrer
eigenen Heimath so viele Irrthümer zu Schulden kommen lassen, so kann man
sich nicht wundern, dass diese Irrthümer durch auswärtige Faunisten z. B.
durch Nordmann 1), Tchihatcheff 2) u. a. fortgepflanzt wurden. Sehr unvor-
sichtig war der Engländer Widdrington 3), als er bei seiner Anwesenheit in
Wien auf dem Fischmarkte lebende Aale verkaufen sah, welche, wie man ihm
versicherte, theils aus Ulm, theils aus Böhmen bezogen wurden, und darauf
hin die Gründe auseinandersetzte, warum die Donau oberhalb Ulm und die
Elbe Aale ernähren könnte, während die untere Donau nach Aufnahme so vie-
ler Alpenströme nicht mehr zur Ernährung der Aale geeignet wäre. Obgleich
ich überzeugt war, dass auch oberhalb Ulm die Donau mit ihren Seitenflüssen
keine Aale enthält, so suchte ich mich doch über die von Ulm ausgehende
Aalausfuhr näher zu unterrichten und erfuhr aus zuverlässiger Quelle, dass
allerdings noch vor 26 bis 30 Jahren durch Ulmer Fischer und Schiffsleute
Aale nach Wien gebracht worden sind, dass diese Aale aber nicht aus dem
Donau-Gebiete, in welchem es keine Aale giebt, sondern aus der Rhein- und
Neckar-Gegend herstammten.

Ich bin demnach in Bezug auf die Verbreitung der Aale in Bayern durch
meine Untersuchungen ganz zu denselben Resultaten gelangt, wie vor mir
Andreas Wagner (Nr. 26: pag. 678), welcher in seinen Beiträgen zur Kennt-
niss der bayerischen Fauna sagt: "das Maingebiet hat überall den Aal aufzu-
weisen, während er dem Donaugebiet abgeht". Wenn aber Wagner (a. a. O.
pag. 679) aus den von der Oberpfalz eingesammelten Nachrichten angiebt,
dass ihm der Zottbach und Wendenabfluss als aalführende Nebenflüsse der
Naab bezeichnet worden seien und dass die Aale in diese Gewässer nicht an-
ders als eingesetzt sein könnten, so bin ich hierin mit ihm nicht einverstan-
den, da dieser scheinbar anomale Umstand sich auf ganz andere Weise er-
klären lässt. Zuerst muss ich hervorheben, dass der von Wagner als "Wen-

1) S. dessen: Faune pontique, pag. 538, wo es heisst: "Le cours superieur du Danube
est riche en anguilles d'une tres forte taille".
2) Vergl. dessen: Considerations etc. in den Comptes rendus a. a. O. Derselbe führt
pag. 442 in einer Tabelle den Aal als Donaufisch auf, nachdem er vorher erklärt, dass in
Bezug auf Donaufische Reisinger sein Gewährsmann sei. Wie wenig diesem letzteren Ver-
trauen geschenkt werden darf, habe ich vorhin nachgewiesen.
3) Vergl. the Annals and Magazine of natural history. Vol. VIII. 1842. pag. 207 und im
Auszuge in Wiegmann's Archiv für Naturgeschichte. 1842. II. pag. 183.

Gattung: Anguilla.
Donau, der March und Traun, sowie des Hallstädter und Traunsee aufzu-
führen, das ist völlig unbegreiflich. Worauf Schrank (Nr. 23: pag. 307) seine
irrige Angabe, nach welcher der Aal in der Traun bei Traunstein vorkommen
soll, und Perty (Nr. 24: pag. 717) die seinige gründet, nach welcher nicht
bloss die Traun, sondern auch die Isar von Aalen bewohnt werden soll, ist
mir ebenfalls räthselhaft geblieben. Haben sich die eben aufgeführten Fauni-
sten Ungarns, Oestreichs und Bayerns über das Vorkommen des Aals in ihrer
eigenen Heimath so viele Irrthümer zu Schulden kommen lassen, so kann man
sich nicht wundern, dass diese Irrthümer durch auswärtige Faunisten z. B.
durch Nordmann 1), Tchihatcheff 2) u. a. fortgepflanzt wurden. Sehr unvor-
sichtig war der Engländer Widdrington 3), als er bei seiner Anwesenheit in
Wien auf dem Fischmarkte lebende Aale verkaufen sah, welche, wie man ihm
versicherte, theils aus Ulm, theils aus Böhmen bezogen wurden, und darauf
hin die Gründe auseinandersetzte, warum die Donau oberhalb Ulm und die
Elbe Aale ernähren könnte, während die untere Donau nach Aufnahme so vie-
ler Alpenströme nicht mehr zur Ernährung der Aale geeignet wäre. Obgleich
ich überzeugt war, dass auch oberhalb Ulm die Donau mit ihren Seitenflüssen
keine Aale enthält, so suchte ich mich doch über die von Ulm ausgehende
Aalausfuhr näher zu unterrichten und erfuhr aus zuverlässiger Quelle, dass
allerdings noch vor 26 bis 30 Jahren durch Ulmer Fischer und Schiffsleute
Aale nach Wien gebracht worden sind, dass diese Aale aber nicht aus dem
Donau-Gebiete, in welchem es keine Aale giebt, sondern aus der Rhein- und
Neckar-Gegend herstammten.

Ich bin demnach in Bezug auf die Verbreitung der Aale in Bayern durch
meine Untersuchungen ganz zu denselben Resultaten gelangt, wie vor mir
Andreas Wagner (Nr. 26: pag. 678), welcher in seinen Beiträgen zur Kennt-
niss der bayerischen Fauna sagt: »das Maingebiet hat überall den Aal aufzu-
weisen, während er dem Donaugebiet abgeht«. Wenn aber Wagner (a. a. O.
pag. 679) aus den von der Oberpfalz eingesammelten Nachrichten angiebt,
dass ihm der Zottbach und Wendenabfluss als aalführende Nebenflüsse der
Naab bezeichnet worden seien und dass die Aale in diese Gewässer nicht an-
ders als eingesetzt sein könnten, so bin ich hierin mit ihm nicht einverstan-
den, da dieser scheinbar anomale Umstand sich auf ganz andere Weise er-
klären lässt. Zuerst muss ich hervorheben, dass der von Wagner als »Wen-

1) S. dessen: Faune pontique, pag. 538, wo es heisst: »Le cours superieur du Danube
est riche en anguilles d’une très forte taille«.
2) Vergl. dessen: Considérations etc. in den Comptes rendus a. a. O. Derselbe führt
pag. 442 in einer Tabelle den Aal als Donaufisch auf, nachdem er vorher erklärt, dass in
Bezug auf Donaufische Reisinger sein Gewährsmann sei. Wie wenig diesem letzteren Ver-
trauen geschenkt werden darf, habe ich vorhin nachgewiesen.
3) Vergl. the Annals and Magazine of natural history. Vol. VIII. 1842. pag. 207 und im
Auszuge in Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte. 1842. II. pag. 183.
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[347/0360] Gattung: Anguilla. Donau, der March und Traun, sowie des Hallstädter und Traunsee aufzu- führen, das ist völlig unbegreiflich. Worauf Schrank (Nr. 23: pag. 307) seine irrige Angabe, nach welcher der Aal in der Traun bei Traunstein vorkommen soll, und Perty (Nr. 24: pag. 717) die seinige gründet, nach welcher nicht bloss die Traun, sondern auch die Isar von Aalen bewohnt werden soll, ist mir ebenfalls räthselhaft geblieben. Haben sich die eben aufgeführten Fauni- sten Ungarns, Oestreichs und Bayerns über das Vorkommen des Aals in ihrer eigenen Heimath so viele Irrthümer zu Schulden kommen lassen, so kann man sich nicht wundern, dass diese Irrthümer durch auswärtige Faunisten z. B. durch Nordmann 1), Tchihatcheff 2) u. a. fortgepflanzt wurden. Sehr unvor- sichtig war der Engländer Widdrington 3), als er bei seiner Anwesenheit in Wien auf dem Fischmarkte lebende Aale verkaufen sah, welche, wie man ihm versicherte, theils aus Ulm, theils aus Böhmen bezogen wurden, und darauf hin die Gründe auseinandersetzte, warum die Donau oberhalb Ulm und die Elbe Aale ernähren könnte, während die untere Donau nach Aufnahme so vie- ler Alpenströme nicht mehr zur Ernährung der Aale geeignet wäre. Obgleich ich überzeugt war, dass auch oberhalb Ulm die Donau mit ihren Seitenflüssen keine Aale enthält, so suchte ich mich doch über die von Ulm ausgehende Aalausfuhr näher zu unterrichten und erfuhr aus zuverlässiger Quelle, dass allerdings noch vor 26 bis 30 Jahren durch Ulmer Fischer und Schiffsleute Aale nach Wien gebracht worden sind, dass diese Aale aber nicht aus dem Donau-Gebiete, in welchem es keine Aale giebt, sondern aus der Rhein- und Neckar-Gegend herstammten. Ich bin demnach in Bezug auf die Verbreitung der Aale in Bayern durch meine Untersuchungen ganz zu denselben Resultaten gelangt, wie vor mir Andreas Wagner (Nr. 26: pag. 678), welcher in seinen Beiträgen zur Kennt- niss der bayerischen Fauna sagt: »das Maingebiet hat überall den Aal aufzu- weisen, während er dem Donaugebiet abgeht«. Wenn aber Wagner (a. a. O. pag. 679) aus den von der Oberpfalz eingesammelten Nachrichten angiebt, dass ihm der Zottbach und Wendenabfluss als aalführende Nebenflüsse der Naab bezeichnet worden seien und dass die Aale in diese Gewässer nicht an- ders als eingesetzt sein könnten, so bin ich hierin mit ihm nicht einverstan- den, da dieser scheinbar anomale Umstand sich auf ganz andere Weise er- klären lässt. Zuerst muss ich hervorheben, dass der von Wagner als »Wen- 1) S. dessen: Faune pontique, pag. 538, wo es heisst: »Le cours superieur du Danube est riche en anguilles d’une très forte taille«. 2) Vergl. dessen: Considérations etc. in den Comptes rendus a. a. O. Derselbe führt pag. 442 in einer Tabelle den Aal als Donaufisch auf, nachdem er vorher erklärt, dass in Bezug auf Donaufische Reisinger sein Gewährsmann sei. Wie wenig diesem letzteren Ver- trauen geschenkt werden darf, habe ich vorhin nachgewiesen. 3) Vergl. the Annals and Magazine of natural history. Vol. VIII. 1842. pag. 207 und im Auszuge in Wiegmann’s Archiv für Naturgeschichte. 1842. II. pag. 183.

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Zitationshilfe: Siebold, Carl Theodor Ernst von: Die Süsswasserfische von Mitteleuropa. Leipzig, 1863, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siebold_suesswasserfische_1863/360>, abgerufen am 25.11.2024.