Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.

Bild:
<< vorherige Seite
Von den unrechten Stellungen der Kinder.
Geburt stünde. So haben sie mich in die 14. Tage geqvälet/ und
auf alle Weise auf der Marter-Banck gehalten/ bis ich fast zum
Tode gekommen. Hernach bin ich als sterbende liegen blieben/
da sich denn der liebe GOtt mein erbarmet. Die Wehe-Müt-
ter bestunden noch darauff/ daß ich mit dem Kinde sterben müßte.
Weil aber keines bey mir war/ so erhielt mich GOtt/ und schickte
unverhofft eine Soldaten-Frau in das Dorff/ wo ich lag/ die auch
eine Wehe-Mutter war. Weil mich nun die Leute sehr beklag-
ten/ sonderlich wegen des großen Elends/ so ich ausgestanden hat-
te/ und doch alles umsonst gewesen wäre/ hat diese Soldaten-
Frau meinen Zustand zu wissen verlanget. Darauf hat mein
Mann/ wie auch meine Mutter/ sie holen lassen/ und gebeten/ ih-
re Meinung beyzutragen. Diese/ nachdem sie gar guten Verstand
davon gehabt/ und gesagt: Ich hätte kein Kind/ wäre auch
gar nicht schwanger/ es wäre nur eine Verstopffung des Geblüts
bey mir/ dabey eine große Mutter-Kranckheit und Mutter-
Senckung; So ward auf solche Meinung ein Doctor Medicinae
zu Rathe genommen/ welcher mir auch durch Gottes Seegen
wieder zu rechte geholffen hat. Diese Gefahr war eine große
Ursache/ daß ich hernach mit Fleiß in den Büchern gelesen habe.
Solches wuste nun die Wehemutter/ gedachter Kreisterin Schwie-
ger/ und war auch selber bey meinem leeren Kreisten gewesen.
Weil sie mir denn aus denen gelesenen Büchern viel Gutes zu-
trauete/ und ich auch große Lust hatte/ was sonderliches zu er-
fahren/ und es bey armen Bauers-Leuten war/ die keine an-
dere Hülffe zu suchen wusten/ und doch ihrer Meinung nach/ die
Kreisterin vor aller Augen sterben müßte/ ließ ich mich bereden/
zu fühlen/ ob das Händlein zurück zu bringen nicht möglich wä-
re/ welches ich mit warmen Bier und Butter fett gemacht/ gantz
weich und gezüge zurück brachte/ so weit als ich konte. (Siehe
das Kupffer No. I. Wie ich den Arm des Kindes gekrümmet/
eingestecket und mit dem Ellbogen des Kindes Arm zurück ge-
drungen habe.) Weil sich denn das Händlein sehr tieff zurück brin-
gen
E 3
Von den unrechten Stellungen der Kinder.
Geburt ſtuͤnde. So haben ſie mich in die 14. Tage geqvaͤlet/ und
auf alle Weiſe auf der Marter-Banck gehalten/ bis ich faſt zum
Tode gekommen. Hernach bin ich als ſterbende liegen blieben/
da ſich denn der liebe GOtt mein erbarmet. Die Wehe-Muͤt-
ter beſtunden noch darauff/ daß ich mit dem Kinde ſterben muͤßte.
Weil aber keines bey mir war/ ſo erhielt mich GOtt/ und ſchickte
unverhofft eine Soldaten-Frau in das Dorff/ wo ich lag/ die auch
eine Wehe-Mutter war. Weil mich nun die Leute ſehr beklag-
ten/ ſonderlich wegen des großen Elends/ ſo ich ausgeſtanden hat-
te/ und doch alles umſonſt geweſen waͤre/ hat dieſe Soldaten-
Frau meinen Zuſtand zu wiſſen verlanget. Darauf hat mein
Mann/ wie auch meine Mutter/ ſie holen laſſen/ und gebeten/ ih-
re Meinung beyzutragen. Dieſe/ nachdem ſie gar guten Verſtand
davon gehabt/ und geſagt: Ich haͤtte kein Kind/ waͤre auch
gar nicht ſchwanger/ es waͤre nur eine Verſtopffung des Gebluͤts
bey mir/ dabey eine große Mutter-Kranckheit und Mutter-
Senckung; So ward auf ſolche Meinung ein Doctor Medicinæ
zu Rathe genommen/ welcher mir auch durch Gottes Seegen
wieder zu rechte geholffen hat. Dieſe Gefahr war eine große
Urſache/ daß ich hernach mit Fleiß in den Buͤchern geleſen habe.
Solches wuſte nun die Wehemutter/ gedachter Kreiſterin Schwie-
ger/ und war auch ſelber bey meinem leeren Kreiſten geweſen.
Weil ſie mir denn aus denen geleſenen Buͤchern viel Gutes zu-
trauete/ und ich auch große Luſt hatte/ was ſonderliches zu er-
fahren/ und es bey armen Bauers-Leuten war/ die keine an-
dere Huͤlffe zu ſuchen wuſten/ und doch ihrer Meinung nach/ die
Kreiſterin vor aller Augen ſterben muͤßte/ ließ ich mich bereden/
zu fuͤhlen/ ob das Haͤndlein zuruͤck zu bringen nicht moͤglich waͤ-
re/ welches ich mit warmen Bier und Butter fett gemacht/ gantz
weich und gezuͤge zuruͤck brachte/ ſo weit als ich konte. (Siehe
das Kupffer No. I. Wie ich den Arm des Kindes gekruͤmmet/
eingeſtecket und mit dem Ellbogen des Kindes Arm zuruͤck ge-
drungen habe.) Weil ſich denn das Haͤndlein ſehr tieff zuruͤck brin-
gen
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp who="#just">
            <p><pb facs="#f0102" n="37"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#fr">Von den unrechten Stellungen der Kinder.</hi></fw><lb/>
Geburt &#x017F;tu&#x0364;nde. So haben &#x017F;ie mich in die 14. Tage geqva&#x0364;let/ und<lb/>
auf alle Wei&#x017F;e auf der Marter-Banck gehalten/ bis ich fa&#x017F;t zum<lb/>
Tode gekommen. Hernach bin ich als &#x017F;terbende liegen blieben/<lb/>
da &#x017F;ich denn der liebe GOtt mein erbarmet. Die Wehe-Mu&#x0364;t-<lb/>
ter be&#x017F;tunden noch darauff/ daß ich mit dem Kinde &#x017F;terben mu&#x0364;ßte.<lb/>
Weil aber keines bey mir war/ &#x017F;o erhielt mich GOtt/ und &#x017F;chickte<lb/>
unverhofft eine Soldaten-Frau in das Dorff/ wo ich lag/ die auch<lb/>
eine Wehe-Mutter war. Weil mich nun die Leute &#x017F;ehr beklag-<lb/>
ten/ &#x017F;onderlich wegen des großen Elends/ &#x017F;o ich ausge&#x017F;tanden hat-<lb/>
te/ und doch alles um&#x017F;on&#x017F;t gewe&#x017F;en wa&#x0364;re/ hat die&#x017F;e Soldaten-<lb/>
Frau meinen Zu&#x017F;tand zu wi&#x017F;&#x017F;en verlanget. Darauf hat mein<lb/>
Mann/ wie auch meine Mutter/ &#x017F;ie holen la&#x017F;&#x017F;en/ und gebeten/ ih-<lb/>
re Meinung beyzutragen. Die&#x017F;e/ nachdem &#x017F;ie gar guten Ver&#x017F;tand<lb/>
davon gehabt/ und ge&#x017F;agt: Ich ha&#x0364;tte kein Kind/ wa&#x0364;re auch<lb/>
gar nicht &#x017F;chwanger/ es wa&#x0364;re nur eine Ver&#x017F;topffung des Geblu&#x0364;ts<lb/>
bey mir/ dabey eine große Mutter-Kranckheit und Mutter-<lb/>
Senckung; So ward auf &#x017F;olche Meinung ein <hi rendition="#aq">Doctor Medicinæ</hi><lb/>
zu Rathe genommen/ welcher mir auch durch Gottes Seegen<lb/>
wieder zu rechte geholffen hat. Die&#x017F;e Gefahr war eine große<lb/>
Ur&#x017F;ache/ daß ich hernach mit Fleiß in den Bu&#x0364;chern gele&#x017F;en habe.<lb/>
Solches wu&#x017F;te nun die Wehemutter/ gedachter Krei&#x017F;terin Schwie-<lb/>
ger/ und war auch &#x017F;elber bey meinem leeren Krei&#x017F;ten gewe&#x017F;en.<lb/>
Weil &#x017F;ie mir denn aus denen gele&#x017F;enen Bu&#x0364;chern viel Gutes zu-<lb/>
trauete/ und ich auch große Lu&#x017F;t hatte/ was &#x017F;onderliches zu er-<lb/>
fahren/ und es bey armen Bauers-Leuten war/ die keine an-<lb/>
dere Hu&#x0364;lffe zu &#x017F;uchen wu&#x017F;ten/ und doch ihrer Meinung nach/ die<lb/>
Krei&#x017F;terin vor aller Augen &#x017F;terben mu&#x0364;ßte/ ließ ich mich bereden/<lb/>
zu fu&#x0364;hlen/ ob das Ha&#x0364;ndlein zuru&#x0364;ck zu bringen nicht mo&#x0364;glich wa&#x0364;-<lb/>
re/ welches ich mit warmen Bier und Butter fett gemacht/ gantz<lb/>
weich und gezu&#x0364;ge zuru&#x0364;ck brachte/ &#x017F;o weit als ich konte. (Siehe<lb/>
das Kupffer <hi rendition="#aq">No. I.</hi> Wie ich den Arm des Kindes gekru&#x0364;mmet/<lb/>
einge&#x017F;tecket und mit dem Ellbogen des Kindes Arm zuru&#x0364;ck ge-<lb/>
drungen habe.) Weil &#x017F;ich denn das Ha&#x0364;ndlein &#x017F;ehr tieff zuru&#x0364;ck brin-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 3</fw><fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0102] Von den unrechten Stellungen der Kinder. Geburt ſtuͤnde. So haben ſie mich in die 14. Tage geqvaͤlet/ und auf alle Weiſe auf der Marter-Banck gehalten/ bis ich faſt zum Tode gekommen. Hernach bin ich als ſterbende liegen blieben/ da ſich denn der liebe GOtt mein erbarmet. Die Wehe-Muͤt- ter beſtunden noch darauff/ daß ich mit dem Kinde ſterben muͤßte. Weil aber keines bey mir war/ ſo erhielt mich GOtt/ und ſchickte unverhofft eine Soldaten-Frau in das Dorff/ wo ich lag/ die auch eine Wehe-Mutter war. Weil mich nun die Leute ſehr beklag- ten/ ſonderlich wegen des großen Elends/ ſo ich ausgeſtanden hat- te/ und doch alles umſonſt geweſen waͤre/ hat dieſe Soldaten- Frau meinen Zuſtand zu wiſſen verlanget. Darauf hat mein Mann/ wie auch meine Mutter/ ſie holen laſſen/ und gebeten/ ih- re Meinung beyzutragen. Dieſe/ nachdem ſie gar guten Verſtand davon gehabt/ und geſagt: Ich haͤtte kein Kind/ waͤre auch gar nicht ſchwanger/ es waͤre nur eine Verſtopffung des Gebluͤts bey mir/ dabey eine große Mutter-Kranckheit und Mutter- Senckung; So ward auf ſolche Meinung ein Doctor Medicinæ zu Rathe genommen/ welcher mir auch durch Gottes Seegen wieder zu rechte geholffen hat. Dieſe Gefahr war eine große Urſache/ daß ich hernach mit Fleiß in den Buͤchern geleſen habe. Solches wuſte nun die Wehemutter/ gedachter Kreiſterin Schwie- ger/ und war auch ſelber bey meinem leeren Kreiſten geweſen. Weil ſie mir denn aus denen geleſenen Buͤchern viel Gutes zu- trauete/ und ich auch große Luſt hatte/ was ſonderliches zu er- fahren/ und es bey armen Bauers-Leuten war/ die keine an- dere Huͤlffe zu ſuchen wuſten/ und doch ihrer Meinung nach/ die Kreiſterin vor aller Augen ſterben muͤßte/ ließ ich mich bereden/ zu fuͤhlen/ ob das Haͤndlein zuruͤck zu bringen nicht moͤglich waͤ- re/ welches ich mit warmen Bier und Butter fett gemacht/ gantz weich und gezuͤge zuruͤck brachte/ ſo weit als ich konte. (Siehe das Kupffer No. I. Wie ich den Arm des Kindes gekruͤmmet/ eingeſtecket und mit dem Ellbogen des Kindes Arm zuruͤck ge- drungen habe.) Weil ſich denn das Haͤndlein ſehr tieff zuruͤck brin- gen E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/102
Zitationshilfe: Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siegemund_unterricht_1690/102>, abgerufen am 24.11.2024.