Siegemund, Justine: Königliche Preußische und Chur-Brandenburgische Hof-Wehe-Mutter. Cölln (Spree), 1690.Von dem Angrif bey rechter Geburt. Just. Dabey mußt du dich in acht nehmen/ daß du die Frau nicht gar zu starck ihr zu helffen vermahnest/ biß du des Kin- des Haupt recht eingelencket hast/ und es gäntzlich im Abschieben ist/ daß es fort kan. So hüte dich auch/ daß du vor der Zeit zu keinen Wehen eingiebest. Denn stehet das Haupt nicht recht innen/ so treiben es die Wehen und die unzeitige Hülffe zu der obbemeldten grossen Gefahr/ da es von Natur nicht so hart an- getrieben wird. So ist ihm auch besser abzuhelffen/ denn je eher das Haupt abgelencket wird/ je besser ist es vor Mutter und Kind. Ich wil dir ferner zeigen/ was für Gefahr von unwissenden Wehe-Müttern und unvernünfftigem Antreiben folgen kan. Ließ das achte gerichtliche Zeugniß hinter den vorhergehenden/ so vom nöthigen Wassersprengen zeugen/ welches Frau Barbara Vogtin ist/ die sehr unvernünfftig angetrieben worden/ daß sie so gearbeitet/ daß auch der Kreyß-Stuhl unter ihr gebrochen. Die- ses unvernünfftige Treiben ist am Sonnabend bald den ersten Tag geschehen/ und sie ist erst den Dinstag drauff gegen Morgen erlöset und gerettet worden/ und zwar bey grosser Gefahr/ wie du in dem Zeugniß befindest/ denn ich bin erst Montags gegen A- bend dazu gekommen. Christ. Liebes Kind/ meinest du/ daß diese unglückli- che Geburt durch das zu frühe oder zu starcke Treiben sey verursachet worden/ und das Kind sich dadurch so verrü- cket? Es kan wol seyn/ daß sich das Kind so verrücket/ wie der Stuhl gebrochen ist. Just. Die erste Ursache ist doch vom Treiben herkommen/ daß die Frau so starck angetrieben worden/ weil sie den Kreyß- Stuhl unter sich zerbrochen hat/ wie sie selber aussaget. Es kan freylich dieser Fall viel zu dergleichen Gefahr geholffen haben. Aber die Sache recht zu betrachten/ so muß anfangs das Kind mit dem Kopffe schon scheff gegen den Mastdarm/ und noch hoch in der Mutter gestanden haben/ weil der Kopff durch diesen Fall oder das D 3
Von dem Angrif bey rechter Geburt. Juſt. Dabey mußt du dich in acht nehmen/ daß du die Frau nicht gar zu ſtarck ihr zu helffen vermahneſt/ biß du des Kin- des Haupt recht eingelencket haſt/ und es gaͤntzlich im Abſchieben iſt/ daß es fort kan. So huͤte dich auch/ daß du vor der Zeit zu keinen Wehen eingiebeſt. Denn ſtehet das Haupt nicht recht innen/ ſo treiben es die Wehen und die unzeitige Huͤlffe zu der obbemeldten groſſen Gefahr/ da es von Natur nicht ſo hart an- getrieben wird. So iſt ihm auch beſſer abzuhelffen/ denn je eher das Haupt abgelencket wird/ je beſſer iſt es vor Mutter und Kind. Ich wil dir ferner zeigen/ was fuͤr Gefahr von unwiſſenden Wehe-Muͤttern und unvernuͤnfftigem Antreiben folgen kan. Ließ das achte gerichtliche Zeugniß hinter den vorhergehenden/ ſo vom noͤthigen Waſſerſprengen zeugen/ welches Frau Barbara Vogtin iſt/ die ſehr unvernuͤnfftig angetrieben worden/ daß ſie ſo gearbeitet/ daß auch der Kreyß-Stuhl unter ihr gebrochen. Die- ſes unvernuͤnfftige Treiben iſt am Sonnabend bald den erſten Tag geſchehen/ und ſie iſt erſt den Dinſtag drauff gegen Morgen erloͤſet und gerettet worden/ und zwar bey groſſer Gefahr/ wie du in dem Zeugniß befindeſt/ denn ich bin erſt Montags gegen A- bend dazu gekommen. Chriſt. Liebes Kind/ meineſt du/ daß dieſe ungluͤckli- che Geburt durch das zu fruͤhe oder zu ſtarcke Treiben ſey verurſachet worden/ und das Kind ſich dadurch ſo verruͤ- cket? Es kan wol ſeyn/ daß ſich das Kind ſo verruͤcket/ wie der Stuhl gebrochen iſt. Juſt. Die erſte Urſache iſt doch vom Treiben herkommen/ daß die Frau ſo ſtarck angetrieben worden/ weil ſie den Kreyß- Stuhl unter ſich zerbrochen hat/ wie ſie ſelber ausſaget. Es kan freylich dieſer Fall viel zu dergleichen Gefahr geholffen haben. Aber die Sache recht zu betrachten/ ſo muß anfangs das Kind mit dem Kopffe ſchon ſcheff gegen den Maſtdarm/ und noch hoch in der Mutter geſtanden haben/ weil der Kopff durch dieſen Fall oder das D 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0094" n="29"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#fr">Von dem Angrif bey rechter Geburt.</hi> </fw><lb/> <sp who="#just"> <speaker> <hi rendition="#aq">Juſt.</hi> </speaker> <p>Dabey mußt du dich in acht nehmen/ daß du die<lb/> Frau nicht gar zu ſtarck ihr zu helffen vermahneſt/ biß du des Kin-<lb/> des Haupt recht eingelencket haſt/ und es gaͤntzlich im Abſchieben<lb/> iſt/ daß es fort kan. So huͤte dich auch/ daß du vor der Zeit zu<lb/> keinen Wehen eingiebeſt. Denn ſtehet das Haupt nicht recht<lb/> innen/ ſo treiben es die Wehen und die unzeitige Huͤlffe zu der<lb/> obbemeldten groſſen Gefahr/ da es von Natur nicht ſo hart an-<lb/> getrieben wird. So iſt ihm auch beſſer abzuhelffen/ denn je eher<lb/> das Haupt abgelencket wird/ je beſſer iſt es vor Mutter und Kind.<lb/> Ich wil dir ferner zeigen/ was fuͤr Gefahr von unwiſſenden<lb/> Wehe-Muͤttern und unvernuͤnfftigem Antreiben folgen kan.<lb/> Ließ das achte gerichtliche Zeugniß hinter den vorhergehenden/ ſo<lb/> vom noͤthigen Waſſerſprengen zeugen/ welches Frau Barbara<lb/> Vogtin iſt/ die ſehr unvernuͤnfftig angetrieben worden/ daß ſie<lb/> ſo gearbeitet/ daß auch der Kreyß-Stuhl unter ihr gebrochen. Die-<lb/> ſes unvernuͤnfftige Treiben iſt am Sonnabend bald den erſten<lb/> Tag geſchehen/ und ſie iſt erſt den Dinſtag drauff gegen Morgen<lb/> erloͤſet und gerettet worden/ und zwar bey groſſer Gefahr/ wie<lb/> du in dem Zeugniß befindeſt/ denn ich bin erſt Montags gegen A-<lb/> bend dazu gekommen.</p> </sp><lb/> <sp who="#christ"> <speaker> <hi rendition="#aq">Chriſt.</hi> </speaker> <p> <hi rendition="#fr">Liebes Kind/ meineſt du/ daß dieſe ungluͤckli-<lb/> che Geburt durch das zu fruͤhe oder zu ſtarcke Treiben ſey<lb/> verurſachet worden/ und das Kind ſich dadurch ſo verruͤ-<lb/> cket? Es kan wol ſeyn/ daß ſich das Kind ſo verruͤcket/<lb/> wie der Stuhl gebrochen iſt.</hi> </p> </sp><lb/> <sp who="#just"> <speaker> <hi rendition="#aq">Juſt.</hi> </speaker> <p>Die erſte Urſache iſt doch vom Treiben herkommen/<lb/> daß die Frau ſo ſtarck angetrieben worden/ weil ſie den Kreyß-<lb/> Stuhl unter ſich zerbrochen hat/ wie ſie ſelber ausſaget. Es kan<lb/> freylich dieſer Fall viel zu dergleichen Gefahr geholffen haben.<lb/> Aber die Sache recht zu betrachten/ ſo muß anfangs das Kind mit<lb/> dem Kopffe ſchon ſcheff gegen den Maſtdarm/ und noch hoch in der<lb/> Mutter geſtanden haben/ weil der Kopff durch dieſen Fall oder<lb/> <fw place="bottom" type="sig">D 3</fw><fw place="bottom" type="catch">das</fw><lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0094]
Von dem Angrif bey rechter Geburt.
Juſt. Dabey mußt du dich in acht nehmen/ daß du die
Frau nicht gar zu ſtarck ihr zu helffen vermahneſt/ biß du des Kin-
des Haupt recht eingelencket haſt/ und es gaͤntzlich im Abſchieben
iſt/ daß es fort kan. So huͤte dich auch/ daß du vor der Zeit zu
keinen Wehen eingiebeſt. Denn ſtehet das Haupt nicht recht
innen/ ſo treiben es die Wehen und die unzeitige Huͤlffe zu der
obbemeldten groſſen Gefahr/ da es von Natur nicht ſo hart an-
getrieben wird. So iſt ihm auch beſſer abzuhelffen/ denn je eher
das Haupt abgelencket wird/ je beſſer iſt es vor Mutter und Kind.
Ich wil dir ferner zeigen/ was fuͤr Gefahr von unwiſſenden
Wehe-Muͤttern und unvernuͤnfftigem Antreiben folgen kan.
Ließ das achte gerichtliche Zeugniß hinter den vorhergehenden/ ſo
vom noͤthigen Waſſerſprengen zeugen/ welches Frau Barbara
Vogtin iſt/ die ſehr unvernuͤnfftig angetrieben worden/ daß ſie
ſo gearbeitet/ daß auch der Kreyß-Stuhl unter ihr gebrochen. Die-
ſes unvernuͤnfftige Treiben iſt am Sonnabend bald den erſten
Tag geſchehen/ und ſie iſt erſt den Dinſtag drauff gegen Morgen
erloͤſet und gerettet worden/ und zwar bey groſſer Gefahr/ wie
du in dem Zeugniß befindeſt/ denn ich bin erſt Montags gegen A-
bend dazu gekommen.
Chriſt. Liebes Kind/ meineſt du/ daß dieſe ungluͤckli-
che Geburt durch das zu fruͤhe oder zu ſtarcke Treiben ſey
verurſachet worden/ und das Kind ſich dadurch ſo verruͤ-
cket? Es kan wol ſeyn/ daß ſich das Kind ſo verruͤcket/
wie der Stuhl gebrochen iſt.
Juſt. Die erſte Urſache iſt doch vom Treiben herkommen/
daß die Frau ſo ſtarck angetrieben worden/ weil ſie den Kreyß-
Stuhl unter ſich zerbrochen hat/ wie ſie ſelber ausſaget. Es kan
freylich dieſer Fall viel zu dergleichen Gefahr geholffen haben.
Aber die Sache recht zu betrachten/ ſo muß anfangs das Kind mit
dem Kopffe ſchon ſcheff gegen den Maſtdarm/ und noch hoch in der
Mutter geſtanden haben/ weil der Kopff durch dieſen Fall oder
das
D 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |