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Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881.

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des Hrn. Börnstein hervorgehoben wurde, lässt sich die auf-
fallende Erscheinung, dass das Licht die elektrische Leitungs-
fähigkeit des Selens vergrössert, bisher nur bei diesem nachweisen;
und erscheint es daher nicht zulässig, zur Erklärung desselben
dem Lichte eine neue Eigenschaft beizulegen, welche mit den
bisher beobachteten in keiner Verbindung steht. Jedenfalls würde
dies erst dann zulässig sein, wenn die besonderen Eigenschaften
des Selens gar keine Handhabe dafür darböten, diese Erschei-
nung auf die bekannten Eigenschaften des Lichtes zurückzuführen.
Das in meinem früheren Aufsatze beschriebene besondere Ver-
halten des Selens gegen Wärme und den elektrischen Strom und
das oben auseinandergesetzte Verhalten desselben bei eintretender
Beleuchtung seiner Oberfläche gestatten jedoch die Lichtwirkung
auf das Selen als eine der bekannten chemischen Wirkung der
Lichtstrahlen ganz analoge Erscheinung aufzufassen.

Wie schon gesagt, kann man das krystallinische Selen,
welches durch Erwärmung des amorphen Selens auf 100 °C. unter
Abgabe latenter Wärme sich bildet, ebenso wie das amorphe als
eine allotrope Modification des hypothetischen metallischen, d. h.
von latenter Wärme freien Selens betrachten. Erhitzt man amor-
phes Selen auf 200° anstatt auf 100 °C. und erhält es längere
Zeit auf dieser Temperatur, so giebt es mehr latente Wärme ab,
als bei Erhitzung auf 100°, und leitet dann im abgekühlten Zu-
stande die Elektricität so wie die wirklichen Metalle, d. i. in
der Weise, dass die Leitungsfähigkeit mit steigender Temperatur
abnimmt, während sie bei dem bei 100 °C. umgewandelten kry-
stallinischen Selen, wie bei der Kohle, mit steigender Temperatur
zunimmt. Dabei leitet die erstere, von mir mit II bezeichnete
Modification sehr viel besser als die letztere, von mir I genannte
Modification1).


1) Um diese rein zu erhalten, muss man das amorphe Selen in dünnen
Platten in Steinöl oder einer anderen Wärme leitenden Flüssigkeit auf circa
100 °C. erhitzen und längere Zeit in dieser Temperatur erhalten. Braucht
man diese Vorsicht nicht, so erhitzt sich das in dickeren Stücken umge-
wandelte Selen durch Abgabe latenter Wärme dermassen, dass schon eine
weitere Abgabe von latenter Wärme, also eine theilweise Umwandlung in
Modification II eintritt. Es lassen sich hieraus viele scheinbare Wider-
sprüche in den Angaben verschiedener Experimentatoren erklären.

des Hrn. Börnstein hervorgehoben wurde, lässt sich die auf-
fallende Erscheinung, dass das Licht die elektrische Leitungs-
fähigkeit des Selens vergrössert, bisher nur bei diesem nachweisen;
und erscheint es daher nicht zulässig, zur Erklärung desselben
dem Lichte eine neue Eigenschaft beizulegen, welche mit den
bisher beobachteten in keiner Verbindung steht. Jedenfalls würde
dies erst dann zulässig sein, wenn die besonderen Eigenschaften
des Selens gar keine Handhabe dafür darböten, diese Erschei-
nung auf die bekannten Eigenschaften des Lichtes zurückzuführen.
Das in meinem früheren Aufsatze beschriebene besondere Ver-
halten des Selens gegen Wärme und den elektrischen Strom und
das oben auseinandergesetzte Verhalten desselben bei eintretender
Beleuchtung seiner Oberfläche gestatten jedoch die Lichtwirkung
auf das Selen als eine der bekannten chemischen Wirkung der
Lichtstrahlen ganz analoge Erscheinung aufzufassen.

Wie schon gesagt, kann man das krystallinische Selen,
welches durch Erwärmung des amorphen Selens auf 100 °C. unter
Abgabe latenter Wärme sich bildet, ebenso wie das amorphe als
eine allotrope Modification des hypothetischen metallischen, d. h.
von latenter Wärme freien Selens betrachten. Erhitzt man amor-
phes Selen auf 200° anstatt auf 100 °C. und erhält es längere
Zeit auf dieser Temperatur, so giebt es mehr latente Wärme ab,
als bei Erhitzung auf 100°, und leitet dann im abgekühlten Zu-
stande die Elektricität so wie die wirklichen Metalle, d. i. in
der Weise, dass die Leitungsfähigkeit mit steigender Temperatur
abnimmt, während sie bei dem bei 100 °C. umgewandelten kry-
stallinischen Selen, wie bei der Kohle, mit steigender Temperatur
zunimmt. Dabei leitet die erstere, von mir mit II bezeichnete
Modification sehr viel besser als die letztere, von mir I genannte
Modification1).


1) Um diese rein zu erhalten, muss man das amorphe Selen in dünnen
Platten in Steinöl oder einer anderen Wärme leitenden Flüssigkeit auf circa
100 °C. erhitzen und längere Zeit in dieser Temperatur erhalten. Braucht
man diese Vorsicht nicht, so erhitzt sich das in dickeren Stücken umge-
wandelte Selen durch Abgabe latenter Wärme dermassen, dass schon eine
weitere Abgabe von latenter Wärme, also eine theilweise Umwandlung in
Modification II eintritt. Es lassen sich hieraus viele scheinbare Wider-
sprüche in den Angaben verschiedener Experimentatoren erklären.
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[418/0440] des Hrn. Börnstein hervorgehoben wurde, lässt sich die auf- fallende Erscheinung, dass das Licht die elektrische Leitungs- fähigkeit des Selens vergrössert, bisher nur bei diesem nachweisen; und erscheint es daher nicht zulässig, zur Erklärung desselben dem Lichte eine neue Eigenschaft beizulegen, welche mit den bisher beobachteten in keiner Verbindung steht. Jedenfalls würde dies erst dann zulässig sein, wenn die besonderen Eigenschaften des Selens gar keine Handhabe dafür darböten, diese Erschei- nung auf die bekannten Eigenschaften des Lichtes zurückzuführen. Das in meinem früheren Aufsatze beschriebene besondere Ver- halten des Selens gegen Wärme und den elektrischen Strom und das oben auseinandergesetzte Verhalten desselben bei eintretender Beleuchtung seiner Oberfläche gestatten jedoch die Lichtwirkung auf das Selen als eine der bekannten chemischen Wirkung der Lichtstrahlen ganz analoge Erscheinung aufzufassen. Wie schon gesagt, kann man das krystallinische Selen, welches durch Erwärmung des amorphen Selens auf 100 °C. unter Abgabe latenter Wärme sich bildet, ebenso wie das amorphe als eine allotrope Modification des hypothetischen metallischen, d. h. von latenter Wärme freien Selens betrachten. Erhitzt man amor- phes Selen auf 200° anstatt auf 100 °C. und erhält es längere Zeit auf dieser Temperatur, so giebt es mehr latente Wärme ab, als bei Erhitzung auf 100°, und leitet dann im abgekühlten Zu- stande die Elektricität so wie die wirklichen Metalle, d. i. in der Weise, dass die Leitungsfähigkeit mit steigender Temperatur abnimmt, während sie bei dem bei 100 °C. umgewandelten kry- stallinischen Selen, wie bei der Kohle, mit steigender Temperatur zunimmt. Dabei leitet die erstere, von mir mit II bezeichnete Modification sehr viel besser als die letztere, von mir I genannte Modification 1). 1) Um diese rein zu erhalten, muss man das amorphe Selen in dünnen Platten in Steinöl oder einer anderen Wärme leitenden Flüssigkeit auf circa 100 °C. erhitzen und längere Zeit in dieser Temperatur erhalten. Braucht man diese Vorsicht nicht, so erhitzt sich das in dickeren Stücken umge- wandelte Selen durch Abgabe latenter Wärme dermassen, dass schon eine weitere Abgabe von latenter Wärme, also eine theilweise Umwandlung in Modification II eintritt. Es lassen sich hieraus viele scheinbare Wider- sprüche in den Angaben verschiedener Experimentatoren erklären.

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Zitationshilfe: Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 418. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/440>, abgerufen am 22.11.2024.