Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881.

Bild:
<< vorherige Seite

ebenso wenig wie das elektrische Licht meiner Ansicht nach je
das Gas vollständig verdrängen wird, trotz aller amerikanischen
Reclamen. Die Elektricität ist ganz bescheiden, sowohl bei der
Beleuchtung, wie bei der Kraftübertragung, sie will nicht ver-
drängen und absetzen, sondern sie will nur diejenigen Gebiete
an sich nehmen, die von den anderen vorhandenen bewährten
Einrichtungen schlecht bedient werden. Elektrisch wird man
z. B. grosse Räume erleuchten, deren Luft nicht durch eine
Masse Gasflammen erhitzt und verdorben werden soll. Denn
jede Gasflamme macht beinahe so viel Hitze und verdirbt so
viel Luft wie ein Dutzend Personen. Und so giebt es Fälle in
Menge, wo das elektrische Licht ausgezeichnete Dienste leisten
wird, die das Gas nicht leisten kann.

Die elektrische Kraftübertragung soll auch nur in solchen
Fällen eintreten, wo mechanische Uebertragung nicht gut ver-
wendbar ist und wo die Dampflocomotive nicht am Platze ist,
oder das Verlangte nicht leisten kann. So ist es z. B. für den
Eisenbahnbau von grosser Wichtigkeit, mit den Zügen grössere
Steigungen überwinden zu können wie bisher. Es könnten dann
sehr kostspielige lange Tunnels ganz vermieden oder abgekürzt
werden. Mit der Verstärkung der Locomotiven scheint die äusserste
Grenze erreicht zu sein, da die Adhäsion der Räder begrenzt ist
und auch das Gewicht der Locomotiven eine gewisse Grenze
nicht übersteigen darf, da sonst die Hebung der eigenen Last den
grössten Theil ihrer Leistung bildet. Auch die Vergrösserung
der Anzahl der Locomotiven kann aus diesem Grunde nicht helfen.
Hier würde nun die Elektricität wirksame Dienste leisten können,
da es mit ihrer Hülfe thunlich ist, die Zugkraft auf beliebig
viele Axen des Zuges selbst zu vertheilen.

Doch nicht allein bei der Ersteigung, sondern auch für die
Bremsung beim Niedergange des Zuges würde die Elektricität
kräftig mitwirken können, da die Dynamo-Maschine gleich gute
Dienste sowohl zur Arbeitsleistung als zur Arbeitsvernichtung
leistet.

Der zweite Punkt ist die Anwendung dieser Maschinen bei
kleinen Bahnen, auf Arbeitsplätzen in Bergwerken, in Tunnels,
in der Tiefe von Schächten, wobei die Motoren draussen über
Tage stehen und die Arbeitszüge in der Tiefe laufen, wird in

ebenso wenig wie das elektrische Licht meiner Ansicht nach je
das Gas vollständig verdrängen wird, trotz aller amerikanischen
Reclamen. Die Elektricität ist ganz bescheiden, sowohl bei der
Beleuchtung, wie bei der Kraftübertragung, sie will nicht ver-
drängen und absetzen, sondern sie will nur diejenigen Gebiete
an sich nehmen, die von den anderen vorhandenen bewährten
Einrichtungen schlecht bedient werden. Elektrisch wird man
z. B. grosse Räume erleuchten, deren Luft nicht durch eine
Masse Gasflammen erhitzt und verdorben werden soll. Denn
jede Gasflamme macht beinahe so viel Hitze und verdirbt so
viel Luft wie ein Dutzend Personen. Und so giebt es Fälle in
Menge, wo das elektrische Licht ausgezeichnete Dienste leisten
wird, die das Gas nicht leisten kann.

Die elektrische Kraftübertragung soll auch nur in solchen
Fällen eintreten, wo mechanische Uebertragung nicht gut ver-
wendbar ist und wo die Dampflocomotive nicht am Platze ist,
oder das Verlangte nicht leisten kann. So ist es z. B. für den
Eisenbahnbau von grosser Wichtigkeit, mit den Zügen grössere
Steigungen überwinden zu können wie bisher. Es könnten dann
sehr kostspielige lange Tunnels ganz vermieden oder abgekürzt
werden. Mit der Verstärkung der Locomotiven scheint die äusserste
Grenze erreicht zu sein, da die Adhäsion der Räder begrenzt ist
und auch das Gewicht der Locomotiven eine gewisse Grenze
nicht übersteigen darf, da sonst die Hebung der eigenen Last den
grössten Theil ihrer Leistung bildet. Auch die Vergrösserung
der Anzahl der Locomotiven kann aus diesem Grunde nicht helfen.
Hier würde nun die Elektricität wirksame Dienste leisten können,
da es mit ihrer Hülfe thunlich ist, die Zugkraft auf beliebig
viele Axen des Zuges selbst zu vertheilen.

Doch nicht allein bei der Ersteigung, sondern auch für die
Bremsung beim Niedergange des Zuges würde die Elektricität
kräftig mitwirken können, da die Dynamo-Maschine gleich gute
Dienste sowohl zur Arbeitsleistung als zur Arbeitsvernichtung
leistet.

Der zweite Punkt ist die Anwendung dieser Maschinen bei
kleinen Bahnen, auf Arbeitsplätzen in Bergwerken, in Tunnels,
in der Tiefe von Schächten, wobei die Motoren draussen über
Tage stehen und die Arbeitszüge in der Tiefe laufen, wird in

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0525" n="503"/>
ebenso wenig wie das elektrische Licht meiner Ansicht nach je<lb/>
das Gas vollständig verdrängen wird, trotz aller amerikanischen<lb/>
Reclamen. Die Elektricität ist ganz bescheiden, sowohl bei der<lb/>
Beleuchtung, wie bei der Kraftübertragung, sie will nicht ver-<lb/>
drängen und absetzen, sondern sie will nur diejenigen Gebiete<lb/>
an sich nehmen, die von den anderen vorhandenen bewährten<lb/>
Einrichtungen schlecht bedient werden. Elektrisch wird man<lb/>
z. B. grosse Räume erleuchten, deren Luft nicht durch eine<lb/>
Masse Gasflammen erhitzt und verdorben werden soll. Denn<lb/>
jede Gasflamme macht beinahe so viel Hitze und verdirbt so<lb/>
viel Luft wie ein Dutzend Personen. Und so giebt es Fälle in<lb/>
Menge, wo das elektrische Licht ausgezeichnete Dienste leisten<lb/>
wird, die das Gas nicht leisten kann.</p><lb/>
        <p>Die elektrische Kraftübertragung soll auch nur in solchen<lb/>
Fällen eintreten, wo mechanische Uebertragung nicht gut ver-<lb/>
wendbar ist und wo die Dampflocomotive nicht am Platze ist,<lb/>
oder das Verlangte nicht leisten kann. So ist es z. B. für den<lb/>
Eisenbahnbau von grosser Wichtigkeit, mit den Zügen grössere<lb/>
Steigungen überwinden zu können wie bisher. Es könnten dann<lb/>
sehr kostspielige lange Tunnels ganz vermieden oder abgekürzt<lb/>
werden. Mit der Verstärkung der Locomotiven scheint die äusserste<lb/>
Grenze erreicht zu sein, da die Adhäsion der Räder begrenzt ist<lb/>
und auch das Gewicht der Locomotiven eine gewisse Grenze<lb/>
nicht übersteigen darf, da sonst die Hebung der eigenen Last den<lb/>
grössten Theil ihrer Leistung bildet. Auch die Vergrösserung<lb/>
der Anzahl der Locomotiven kann aus diesem Grunde nicht helfen.<lb/>
Hier würde nun die Elektricität wirksame Dienste leisten können,<lb/>
da es mit ihrer Hülfe thunlich ist, die Zugkraft auf beliebig<lb/>
viele Axen des Zuges selbst zu vertheilen.</p><lb/>
        <p>Doch nicht allein bei der Ersteigung, sondern auch für die<lb/>
Bremsung beim Niedergange des Zuges würde die Elektricität<lb/>
kräftig mitwirken können, da die Dynamo-Maschine gleich gute<lb/>
Dienste sowohl zur Arbeitsleistung als zur Arbeitsvernichtung<lb/>
leistet.</p><lb/>
        <p>Der zweite Punkt ist die Anwendung dieser Maschinen bei<lb/>
kleinen Bahnen, auf Arbeitsplätzen in Bergwerken, in Tunnels,<lb/>
in der Tiefe von Schächten, wobei die Motoren draussen über<lb/>
Tage stehen und die Arbeitszüge in der Tiefe laufen, wird in<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[503/0525] ebenso wenig wie das elektrische Licht meiner Ansicht nach je das Gas vollständig verdrängen wird, trotz aller amerikanischen Reclamen. Die Elektricität ist ganz bescheiden, sowohl bei der Beleuchtung, wie bei der Kraftübertragung, sie will nicht ver- drängen und absetzen, sondern sie will nur diejenigen Gebiete an sich nehmen, die von den anderen vorhandenen bewährten Einrichtungen schlecht bedient werden. Elektrisch wird man z. B. grosse Räume erleuchten, deren Luft nicht durch eine Masse Gasflammen erhitzt und verdorben werden soll. Denn jede Gasflamme macht beinahe so viel Hitze und verdirbt so viel Luft wie ein Dutzend Personen. Und so giebt es Fälle in Menge, wo das elektrische Licht ausgezeichnete Dienste leisten wird, die das Gas nicht leisten kann. Die elektrische Kraftübertragung soll auch nur in solchen Fällen eintreten, wo mechanische Uebertragung nicht gut ver- wendbar ist und wo die Dampflocomotive nicht am Platze ist, oder das Verlangte nicht leisten kann. So ist es z. B. für den Eisenbahnbau von grosser Wichtigkeit, mit den Zügen grössere Steigungen überwinden zu können wie bisher. Es könnten dann sehr kostspielige lange Tunnels ganz vermieden oder abgekürzt werden. Mit der Verstärkung der Locomotiven scheint die äusserste Grenze erreicht zu sein, da die Adhäsion der Räder begrenzt ist und auch das Gewicht der Locomotiven eine gewisse Grenze nicht übersteigen darf, da sonst die Hebung der eigenen Last den grössten Theil ihrer Leistung bildet. Auch die Vergrösserung der Anzahl der Locomotiven kann aus diesem Grunde nicht helfen. Hier würde nun die Elektricität wirksame Dienste leisten können, da es mit ihrer Hülfe thunlich ist, die Zugkraft auf beliebig viele Axen des Zuges selbst zu vertheilen. Doch nicht allein bei der Ersteigung, sondern auch für die Bremsung beim Niedergange des Zuges würde die Elektricität kräftig mitwirken können, da die Dynamo-Maschine gleich gute Dienste sowohl zur Arbeitsleistung als zur Arbeitsvernichtung leistet. Der zweite Punkt ist die Anwendung dieser Maschinen bei kleinen Bahnen, auf Arbeitsplätzen in Bergwerken, in Tunnels, in der Tiefe von Schächten, wobei die Motoren draussen über Tage stehen und die Arbeitszüge in der Tiefe laufen, wird in

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/525
Zitationshilfe: Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/525>, abgerufen am 22.11.2024.