oder Solenoide auf einander ausüben und dadurch den Magnetis- mus vermehren. Es ist schwer, sich von dieser verstärkenden Molecularwirkung, welche eine so wesentliche Rolle bei den elektromagnetischen Erscheinungen bildet, Rechenschaft zu geben, wenn man an der Ampere-Weber'schen Anschauung festhält, dass die Molecularmagnete mit gleichmässigem Abstande ihrer Mittelpunkte in allen möglichen Richtungen gelagert sind. Es ist auch kaum denkbar und meines Wissens auch niemals nach- zuweisen versucht, dass bei dieser Annahme die Wirkung der beliebig geformten Grenzschichten des Körpers ganz ohne Ein- fluss blieben und an keiner Stelle eines nicht magnetisirten Eisenkörpers eine Fernwirkung der Molecularmagnete auftreten könne. Diese Schwierigkeit wird gehoben und gleichzeitig eine leicht übersichtliche Erklärung für viele elektromagnetische Er- scheinungen gewonnen, wenn man die Ampere-Weber'sche Theorie durch die Annahme modificirt, dass jedes Eisen-Molecül aus zwei einander mit entgegengesetzten Polen nahe gegenüber- stehenden Elementarmagneten besteht, die zusammen in jeder Richtung frei und ohne Arbeitsaufwand drehbar sind, während jedes Molecularmagnetpaar durch äussere magnetisirende Kräfte in ähnlicher Weise auseinander gedreht wird, wie es mit einem astatischen Nadelpaare der Fall sein würde, wenn die Magnet- Nadeln sich einzeln in ihren parallelen Schwingungsebenen drehen könnten. Wird der Abstand der Elementarmagnete von einander als klein dem Abstande der gepaarten Molecüle gegen- über angenommen, so kann eine Fernwirkung der nicht durch äussere Kräfte magnetisirten Eisenmasse auch an den Grenz- flächen des Körpers nicht eintreten. Tritt dagegen eine richtende äussere Kraft auf, so muss dieselbe die beiden Elementarmagnete der gepaarten Eisenmolecüle in verschiedenem Sinne drehen, so dass alle Nordpole der einen, alle Südpole der entgegengesetzten Richtung zugewendet werden. Wenn keine Wirkung der so magnetisirten Eisenmolecüle auf einander stattfände, so müsste das Kräftepaar, welches als magnetisirende Kraft die Elementar- magnete eines Molecüls aus einander zu drehen bestrebt ist, gleich der Kraft sein, mit der die aus ihrer Ruhelage getriebenen Elementarmagnetpole der Drehung entgegen auf einander wirken. Es findet aber ausserdem eine gegenseitige Anziehung zwischen
oder Solenoide auf einander ausüben und dadurch den Magnetis- mus vermehren. Es ist schwer, sich von dieser verstärkenden Molecularwirkung, welche eine so wesentliche Rolle bei den elektromagnetischen Erscheinungen bildet, Rechenschaft zu geben, wenn man an der Ampère-Weber’schen Anschauung festhält, dass die Molecularmagnete mit gleichmässigem Abstande ihrer Mittelpunkte in allen möglichen Richtungen gelagert sind. Es ist auch kaum denkbar und meines Wissens auch niemals nach- zuweisen versucht, dass bei dieser Annahme die Wirkung der beliebig geformten Grenzschichten des Körpers ganz ohne Ein- fluss blieben und an keiner Stelle eines nicht magnetisirten Eisenkörpers eine Fernwirkung der Molecularmagnete auftreten könne. Diese Schwierigkeit wird gehoben und gleichzeitig eine leicht übersichtliche Erklärung für viele elektromagnetische Er- scheinungen gewonnen, wenn man die Ampère-Weber’sche Theorie durch die Annahme modificirt, dass jedes Eisen-Molecül aus zwei einander mit entgegengesetzten Polen nahe gegenüber- stehenden Elementarmagneten besteht, die zusammen in jeder Richtung frei und ohne Arbeitsaufwand drehbar sind, während jedes Molecularmagnetpaar durch äussere magnetisirende Kräfte in ähnlicher Weise auseinander gedreht wird, wie es mit einem astatischen Nadelpaare der Fall sein würde, wenn die Magnet- Nadeln sich einzeln in ihren parallelen Schwingungsebenen drehen könnten. Wird der Abstand der Elementarmagnete von einander als klein dem Abstande der gepaarten Molecüle gegen- über angenommen, so kann eine Fernwirkung der nicht durch äussere Kräfte magnetisirten Eisenmasse auch an den Grenz- flächen des Körpers nicht eintreten. Tritt dagegen eine richtende äussere Kraft auf, so muss dieselbe die beiden Elementarmagnete der gepaarten Eisenmolecüle in verschiedenem Sinne drehen, so dass alle Nordpole der einen, alle Südpole der entgegengesetzten Richtung zugewendet werden. Wenn keine Wirkung der so magnetisirten Eisenmolecüle auf einander stattfände, so müsste das Kräftepaar, welches als magnetisirende Kraft die Elementar- magnete eines Molecüls aus einander zu drehen bestrebt ist, gleich der Kraft sein, mit der die aus ihrer Ruhelage getriebenen Elementarmagnetpole der Drehung entgegen auf einander wirken. Es findet aber ausserdem eine gegenseitige Anziehung zwischen
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[567/0595]
oder Solenoide auf einander ausüben und dadurch den Magnetis-
mus vermehren. Es ist schwer, sich von dieser verstärkenden
Molecularwirkung, welche eine so wesentliche Rolle bei den
elektromagnetischen Erscheinungen bildet, Rechenschaft zu geben,
wenn man an der Ampère-Weber’schen Anschauung festhält,
dass die Molecularmagnete mit gleichmässigem Abstande ihrer
Mittelpunkte in allen möglichen Richtungen gelagert sind. Es
ist auch kaum denkbar und meines Wissens auch niemals nach-
zuweisen versucht, dass bei dieser Annahme die Wirkung der
beliebig geformten Grenzschichten des Körpers ganz ohne Ein-
fluss blieben und an keiner Stelle eines nicht magnetisirten
Eisenkörpers eine Fernwirkung der Molecularmagnete auftreten
könne. Diese Schwierigkeit wird gehoben und gleichzeitig eine
leicht übersichtliche Erklärung für viele elektromagnetische Er-
scheinungen gewonnen, wenn man die Ampère-Weber’sche
Theorie durch die Annahme modificirt, dass jedes Eisen-Molecül
aus zwei einander mit entgegengesetzten Polen nahe gegenüber-
stehenden Elementarmagneten besteht, die zusammen in jeder
Richtung frei und ohne Arbeitsaufwand drehbar sind, während
jedes Molecularmagnetpaar durch äussere magnetisirende Kräfte
in ähnlicher Weise auseinander gedreht wird, wie es mit einem
astatischen Nadelpaare der Fall sein würde, wenn die Magnet-
Nadeln sich einzeln in ihren parallelen Schwingungsebenen
drehen könnten. Wird der Abstand der Elementarmagnete von
einander als klein dem Abstande der gepaarten Molecüle gegen-
über angenommen, so kann eine Fernwirkung der nicht durch
äussere Kräfte magnetisirten Eisenmasse auch an den Grenz-
flächen des Körpers nicht eintreten. Tritt dagegen eine richtende
äussere Kraft auf, so muss dieselbe die beiden Elementarmagnete
der gepaarten Eisenmolecüle in verschiedenem Sinne drehen, so
dass alle Nordpole der einen, alle Südpole der entgegengesetzten
Richtung zugewendet werden. Wenn keine Wirkung der so
magnetisirten Eisenmolecüle auf einander stattfände, so müsste
das Kräftepaar, welches als magnetisirende Kraft die Elementar-
magnete eines Molecüls aus einander zu drehen bestrebt ist,
gleich der Kraft sein, mit der die aus ihrer Ruhelage getriebenen
Elementarmagnetpole der Drehung entgegen auf einander wirken.
Es findet aber ausserdem eine gegenseitige Anziehung zwischen
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Siemens, Werner von: Gesammelte Abhandlungen und Vorträge. Berlin, 1881, S. 567. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siemens_abhandlungen_1881/595>, abgerufen am 22.11.2024.
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