Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.aus Sibirien. rungen auch desto höher gespannt. Um aber doch meinenoch bey mir habenden Waaren nicht wiederum unnützer Weise nach Ustkammenogorsk zurück zu schleppen, so wur- de beym Mittagsessen, um 4 Uhr Nachmittags, am Uld- shar großer Rath gehalten, wobey das Finale da hin- aus fiel, daß wir eine Expedition zum Noor-Saissan, sodann zum obern Jrtisch so weit ins chinesische Reich unternehmen wollten, wie sichs thun ließ. Gesagt, ge- than! wir wischten uns den Schweiß vom Gesicht, bade- ten uns im Uldshar, und zogen sodann wiederum dem Tarabagatai zu. Während dessen wurden einige Saigi angeschossen, aber nicht gefangen. Des guten Grases wegen mußten wir abermals das Nachtlager an eben ge- dachtem Flusse nehmen, wo aber die Mücken den güld- nen Schlaf, den Tröster in Beschwerden, weit von uns jagten. Dieses, die Hitze des Tages, das Reiten und das Botanisiren erschöpften meine Kräfte dermaßen, daß auch nicht einmal der Schlag einiger später Nachtigal- len und das Girren der wilden Tauben viel Eindruck auf mich machten. Den 5ten Jul. Jndessen geschlafen oder nicht; wir Chi- K 5
aus Sibirien. rungen auch deſto hoͤher geſpannt. Um aber doch meinenoch bey mir habenden Waaren nicht wiederum unnuͤtzer Weiſe nach Uſtkammenogorsk zuruͤck zu ſchleppen, ſo wur- de beym Mittagseſſen, um 4 Uhr Nachmittags, am Uld- ſhar großer Rath gehalten, wobey das Finale da hin- aus fiel, daß wir eine Expedition zum Noor-Saiſſan, ſodann zum obern Jrtiſch ſo weit ins chineſiſche Reich unternehmen wollten, wie ſichs thun ließ. Geſagt, ge- than! wir wiſchten uns den Schweiß vom Geſicht, bade- ten uns im Uldſhar, und zogen ſodann wiederum dem Tarabagatai zu. Waͤhrend deſſen wurden einige Saigi angeſchoſſen, aber nicht gefangen. Des guten Graſes wegen mußten wir abermals das Nachtlager an eben ge- dachtem Fluſſe nehmen, wo aber die Muͤcken den guͤld- nen Schlaf, den Troͤſter in Beſchwerden, weit von uns jagten. Dieſes, die Hitze des Tages, das Reiten und das Botaniſiren erſchoͤpften meine Kraͤfte dermaßen, daß auch nicht einmal der Schlag einiger ſpaͤter Nachtigal- len und das Girren der wilden Tauben viel Eindruck auf mich machten. Den 5ten Jul. Jndeſſen geſchlafen oder nicht; wir Chi- K 5
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aus Sibirien.
rungen auch deſto hoͤher geſpannt. Um aber doch meine
noch bey mir habenden Waaren nicht wiederum unnuͤtzer
Weiſe nach Uſtkammenogorsk zuruͤck zu ſchleppen, ſo wur-
de beym Mittagseſſen, um 4 Uhr Nachmittags, am Uld-
ſhar großer Rath gehalten, wobey das Finale da hin-
aus fiel, daß wir eine Expedition zum Noor-Saiſſan,
ſodann zum obern Jrtiſch ſo weit ins chineſiſche Reich
unternehmen wollten, wie ſichs thun ließ. Geſagt, ge-
than! wir wiſchten uns den Schweiß vom Geſicht, bade-
ten uns im Uldſhar, und zogen ſodann wiederum dem
Tarabagatai zu. Waͤhrend deſſen wurden einige Saigi
angeſchoſſen, aber nicht gefangen. Des guten Graſes
wegen mußten wir abermals das Nachtlager an eben ge-
dachtem Fluſſe nehmen, wo aber die Muͤcken den guͤld-
nen Schlaf, den Troͤſter in Beſchwerden, weit von uns
jagten. Dieſes, die Hitze des Tages, das Reiten und
das Botaniſiren erſchoͤpften meine Kraͤfte dermaßen, daß
auch nicht einmal der Schlag einiger ſpaͤter Nachtigal-
len und das Girren der wilden Tauben viel Eindruck
auf mich machten.
Den 5ten Jul. Jndeſſen geſchlafen oder nicht; wir
verließen unſer verdammtes Lager noch vor Sonnenauf-
gang. Es ſtand ein nicht hoher, einzelner, kahler Huͤgel
etwa 40 Werſte NO. vor uns, dieſen, den die Kirgiſen
Dſhaj-Tuwaͤ nennen, wollte ich ſehen. Wir ritten alſo
durch den Uldſhar darauf zu. Waͤhrend dem Marſche
paſſirten wir viele und einige wahrſcheinlich recht vor-
nehme tſchudiſche Graͤber, und eine mit Erdwaͤllen um-
gebene verlaſſene Feſtung, bey welcher zwiſchen den
Chi-
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