Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.

Bild:
<< vorherige Seite

aus Sibirien.
Sarembetschen Familie sich verheyrathet hatte. Sie
führte nicht, wie viele andere Weiber, die bepackten
Kameele, sondern ritt, von zweyen andern ihres Ge-
schlechts begleitet, auf einem schönen, mit einer großen
carmoisinfarbnen Schabracke, mit großen braunrothen
Quasten an den Enden, bedeckten Wallachen. Jhr Sat-
tel und Decken waren nicht minder schön. Sie selbst
hatte ein schwarzes, mit Gold gesticktes sammetnes Kleid
an, vor der Brust viel Perlen, Korallen, Schlangen-
köpfe und Stickerey. Den Kopfputz bedeckte ein feiner
weißer baumwollener Schleyer, der übers Gesicht bis
auf die Knie herunter hieng. Jn den ersten Tagen nach
der Hochzeit befiehlt es die Sitte der Kirgisen, daß die
jungen verheyratheten Weiber sich jederzeit wohl geklei-
det zeigen, besonders bey Veränderung ihrer Wohn-
plätze, welches, wie ich merke, immer ein großes Fest
ist. Außer eben erwähnter Frau machte noch eine Toch-
ter des ältern Sohnes des Sarembet, in rosenrother
Seide gekleidet, eine besonders schöne Figur. Ein großer
Theil der Mädchen trug lange Piken, womit sie öfters
einen Nebenausreißer im stärksten Gallop machten.

Nachdem wir an Ort und Stelle waren und ein
Bischen gefrühstückt hatten, unternahm ich einen bota-
nischen Spaziergang. Am Bugaß wuchsen Centaurea
glastifolia
und pectinata, Atriplex tatarica, Echinops
Ritro, maximus, Rosa pimpinellifolia
und canina, und
verschiedene gemeine Flußweiden, deren Blüthe einen
herrlichen Geruch verbreitete *). Nachher bestieg ich

ein
*) Was für eine Weide, die hier so spät blühte? Etwa
die
M 2

aus Sibirien.
Sarembetſchen Familie ſich verheyrathet hatte. Sie
fuͤhrte nicht, wie viele andere Weiber, die bepackten
Kameele, ſondern ritt, von zweyen andern ihres Ge-
ſchlechts begleitet, auf einem ſchoͤnen, mit einer großen
carmoiſinfarbnen Schabracke, mit großen braunrothen
Quaſten an den Enden, bedeckten Wallachen. Jhr Sat-
tel und Decken waren nicht minder ſchoͤn. Sie ſelbſt
hatte ein ſchwarzes, mit Gold geſticktes ſammetnes Kleid
an, vor der Bruſt viel Perlen, Korallen, Schlangen-
koͤpfe und Stickerey. Den Kopfputz bedeckte ein feiner
weißer baumwollener Schleyer, der uͤbers Geſicht bis
auf die Knie herunter hieng. Jn den erſten Tagen nach
der Hochzeit befiehlt es die Sitte der Kirgiſen, daß die
jungen verheyratheten Weiber ſich jederzeit wohl geklei-
det zeigen, beſonders bey Veraͤnderung ihrer Wohn-
plaͤtze, welches, wie ich merke, immer ein großes Feſt
iſt. Außer eben erwaͤhnter Frau machte noch eine Toch-
ter des aͤltern Sohnes des Sarembet, in roſenrother
Seide gekleidet, eine beſonders ſchoͤne Figur. Ein großer
Theil der Maͤdchen trug lange Piken, womit ſie oͤfters
einen Nebenausreißer im ſtaͤrkſten Gallop machten.

Nachdem wir an Ort und Stelle waren und ein
Bischen gefruͤhſtuͤckt hatten, unternahm ich einen bota-
niſchen Spaziergang. Am Bugaß wuchſen Centaurea
glaſtifolia
und pectinata, Atriplex tatarica, Echinops
Ritro, maximus, Roſa pimpinellifolia
und canina, und
verſchiedene gemeine Flußweiden, deren Bluͤthe einen
herrlichen Geruch verbreitete *). Nachher beſtieg ich

ein
*) Was fuͤr eine Weide, die hier ſo ſpaͤt bluͤhte? Etwa
die
M 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0187" n="179"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">aus Sibirien.</hi></fw><lb/>
Sarembet&#x017F;chen Familie &#x017F;ich verheyrathet hatte. Sie<lb/>
fu&#x0364;hrte nicht, wie viele andere Weiber, die bepackten<lb/>
Kameele, &#x017F;ondern ritt, von zweyen andern ihres Ge-<lb/>
&#x017F;chlechts begleitet, auf einem &#x017F;cho&#x0364;nen, mit einer großen<lb/>
carmoi&#x017F;infarbnen Schabracke, mit großen braunrothen<lb/>
Qua&#x017F;ten an den Enden, bedeckten Wallachen. Jhr Sat-<lb/>
tel und Decken waren nicht minder &#x017F;cho&#x0364;n. Sie &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
hatte ein &#x017F;chwarzes, mit Gold ge&#x017F;ticktes &#x017F;ammetnes Kleid<lb/>
an, vor der Bru&#x017F;t viel Perlen, Korallen, Schlangen-<lb/>
ko&#x0364;pfe und Stickerey. Den Kopfputz bedeckte ein feiner<lb/>
weißer baumwollener Schleyer, der u&#x0364;bers Ge&#x017F;icht bis<lb/>
auf die Knie herunter hieng. Jn den er&#x017F;ten Tagen nach<lb/>
der Hochzeit befiehlt es die Sitte der Kirgi&#x017F;en, daß die<lb/>
jungen verheyratheten Weiber &#x017F;ich jederzeit wohl geklei-<lb/>
det zeigen, be&#x017F;onders bey Vera&#x0364;nderung ihrer Wohn-<lb/>
pla&#x0364;tze, welches, wie ich merke, immer ein großes Fe&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t. Außer eben erwa&#x0364;hnter Frau machte noch eine Toch-<lb/>
ter des a&#x0364;ltern Sohnes des Sarembet, in ro&#x017F;enrother<lb/>
Seide gekleidet, eine be&#x017F;onders &#x017F;cho&#x0364;ne Figur. Ein großer<lb/>
Theil der Ma&#x0364;dchen trug lange Piken, womit &#x017F;ie o&#x0364;fters<lb/>
einen Nebenausreißer im &#x017F;ta&#x0364;rk&#x017F;ten Gallop machten.</p><lb/>
          <p>Nachdem wir an Ort und Stelle waren und ein<lb/>
Bischen gefru&#x0364;h&#x017F;tu&#x0364;ckt hatten, unternahm ich einen bota-<lb/>
ni&#x017F;chen Spaziergang. Am Bugaß wuch&#x017F;en <hi rendition="#aq">Centaurea<lb/>
gla&#x017F;tifolia</hi> und <hi rendition="#aq">pectinata, Atriplex tatarica, Echinops<lb/>
Ritro, maximus, Ro&#x017F;a pimpinellifolia</hi> und <hi rendition="#aq">canina,</hi> und<lb/>
ver&#x017F;chiedene gemeine Flußweiden, deren Blu&#x0364;the einen<lb/>
herrlichen Geruch verbreitete <note xml:id="seg2pn_1_1" next="#seg2pn_1_2" place="foot" n="*)">Was fu&#x0364;r eine Weide, die hier &#x017F;o &#x017F;pa&#x0364;t blu&#x0364;hte? Etwa<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die</fw></note>. Nachher be&#x017F;tieg ich<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 2</fw><fw place="bottom" type="catch">ein</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0187] aus Sibirien. Sarembetſchen Familie ſich verheyrathet hatte. Sie fuͤhrte nicht, wie viele andere Weiber, die bepackten Kameele, ſondern ritt, von zweyen andern ihres Ge- ſchlechts begleitet, auf einem ſchoͤnen, mit einer großen carmoiſinfarbnen Schabracke, mit großen braunrothen Quaſten an den Enden, bedeckten Wallachen. Jhr Sat- tel und Decken waren nicht minder ſchoͤn. Sie ſelbſt hatte ein ſchwarzes, mit Gold geſticktes ſammetnes Kleid an, vor der Bruſt viel Perlen, Korallen, Schlangen- koͤpfe und Stickerey. Den Kopfputz bedeckte ein feiner weißer baumwollener Schleyer, der uͤbers Geſicht bis auf die Knie herunter hieng. Jn den erſten Tagen nach der Hochzeit befiehlt es die Sitte der Kirgiſen, daß die jungen verheyratheten Weiber ſich jederzeit wohl geklei- det zeigen, beſonders bey Veraͤnderung ihrer Wohn- plaͤtze, welches, wie ich merke, immer ein großes Feſt iſt. Außer eben erwaͤhnter Frau machte noch eine Toch- ter des aͤltern Sohnes des Sarembet, in roſenrother Seide gekleidet, eine beſonders ſchoͤne Figur. Ein großer Theil der Maͤdchen trug lange Piken, womit ſie oͤfters einen Nebenausreißer im ſtaͤrkſten Gallop machten. Nachdem wir an Ort und Stelle waren und ein Bischen gefruͤhſtuͤckt hatten, unternahm ich einen bota- niſchen Spaziergang. Am Bugaß wuchſen Centaurea glaſtifolia und pectinata, Atriplex tatarica, Echinops Ritro, maximus, Roſa pimpinellifolia und canina, und verſchiedene gemeine Flußweiden, deren Bluͤthe einen herrlichen Geruch verbreitete *). Nachher beſtieg ich ein *) Was fuͤr eine Weide, die hier ſo ſpaͤt bluͤhte? Etwa die M 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/187
Zitationshilfe: Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siever_briefe_1796/187>, abgerufen am 15.05.2024.