Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.aus Sibirien. Cook auf der Jnsel O-whyhee sein Leben verlohr. Jchblieb vor wie nach freundlich, und beschenkte den Togüß beym Abschiede noch oben drein. Eine Sache, die de- nen bey mir seyenden christlichen Automaten sehr sonder- bar schien, die mich auch deswegen tadelten. Zum Glück hatte ich mehr Menschenkenntniß wie diese. Auch die Kirgisen sind abergläubisch: ich saß am Natur O 2
aus Sibirien. Cook auf der Jnſel O-whyhee ſein Leben verlohr. Jchblieb vor wie nach freundlich, und beſchenkte den Toguͤß beym Abſchiede noch oben drein. Eine Sache, die de- nen bey mir ſeyenden chriſtlichen Automaten ſehr ſonder- bar ſchien, die mich auch deswegen tadelten. Zum Gluͤck hatte ich mehr Menſchenkenntniß wie dieſe. Auch die Kirgiſen ſind aberglaͤubiſch: ich ſaß am Natur O 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0219" n="211"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">aus Sibirien.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">Cook</hi> auf der Jnſel <hi rendition="#fr">O-whyhee</hi> ſein Leben verlohr. Jch<lb/> blieb vor wie nach freundlich, und beſchenkte den Toguͤß<lb/> beym Abſchiede noch oben drein. Eine Sache, die de-<lb/> nen bey mir ſeyenden chriſtlichen Automaten ſehr ſonder-<lb/> bar ſchien, die mich auch deswegen tadelten. Zum Gluͤck<lb/> hatte ich mehr Menſchenkenntniß wie dieſe.</p><lb/> <p>Auch die Kirgiſen ſind aberglaͤubiſch: ich ſaß am<lb/> Feuer und briet mir die Zwiebeln vom <hi rendition="#aq">Allio Saramſak;</hi><lb/> der alte <hi rendition="#fr">Sanduͤck,</hi> der dieſes ſah, bat mich inſtaͤndigſt,<lb/> ich moͤchte das Braten unterlaſſen; ich fragte, warum?<lb/> Er antwortete, den Kuͤhen vergienge die Milch davon!<lb/> Aber folgende Geſchichte wird noch mehr beweiſen. Am<lb/> letzten Abend meines hieſigen Aufenthalts hatte ich in der<lb/> Jurte des <hi rendition="#fr">Toguͤß</hi> das Vergnuͤgen, die Heilmethode ei-<lb/> nes kirgiſiſchen <hi rendition="#fr">Doktors</hi> zu ſehen. Keiner von <hi rendition="#fr">Aeſcu-<lb/> laps</hi> Soͤhnen hat wohl eine einfachere und wohlfeilere,<lb/> wie eben genannter Herr Doktor. Er ſaß auf einem<lb/> ſchoͤnen Woilocke am oberſten Platz, das heißt: gerade<lb/> der Thuͤr gegen uͤber, mit dem Ruͤcken an die Meublen<lb/> des Wirths gelehnt. Jn der Mitte der Jurte brannte<lb/> ein hellflammendes Feuer. Er und ein Gehuͤlfe ſpielten<lb/> nun zum Anfang auf dem <hi rendition="#fr">Chowuß</hi> oder Fiedel: der<lb/> Kranken waren drey. Zu der Violinmuſik ſang der<lb/> Quackſalber allein, auf eine ſonderbare Art, ein Lied,<lb/> verzog dabey oͤfters das Maul, roͤchelte wie ein ſterben-<lb/> der Ochſe, brummte, legte das Ohr zuweilen an den<lb/> Chowuß, und ſchrie indem er ſpielte. Hierbey machte er<lb/> dann eine ſo wichtige Amtsmiene, dergleichen ich in mei-<lb/> nem Leben nie ſah. Es iſt doch ſonderbar, daß auch die<lb/> <fw place="bottom" type="sig">O 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Natur</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [211/0219]
aus Sibirien.
Cook auf der Jnſel O-whyhee ſein Leben verlohr. Jch
blieb vor wie nach freundlich, und beſchenkte den Toguͤß
beym Abſchiede noch oben drein. Eine Sache, die de-
nen bey mir ſeyenden chriſtlichen Automaten ſehr ſonder-
bar ſchien, die mich auch deswegen tadelten. Zum Gluͤck
hatte ich mehr Menſchenkenntniß wie dieſe.
Auch die Kirgiſen ſind aberglaͤubiſch: ich ſaß am
Feuer und briet mir die Zwiebeln vom Allio Saramſak;
der alte Sanduͤck, der dieſes ſah, bat mich inſtaͤndigſt,
ich moͤchte das Braten unterlaſſen; ich fragte, warum?
Er antwortete, den Kuͤhen vergienge die Milch davon!
Aber folgende Geſchichte wird noch mehr beweiſen. Am
letzten Abend meines hieſigen Aufenthalts hatte ich in der
Jurte des Toguͤß das Vergnuͤgen, die Heilmethode ei-
nes kirgiſiſchen Doktors zu ſehen. Keiner von Aeſcu-
laps Soͤhnen hat wohl eine einfachere und wohlfeilere,
wie eben genannter Herr Doktor. Er ſaß auf einem
ſchoͤnen Woilocke am oberſten Platz, das heißt: gerade
der Thuͤr gegen uͤber, mit dem Ruͤcken an die Meublen
des Wirths gelehnt. Jn der Mitte der Jurte brannte
ein hellflammendes Feuer. Er und ein Gehuͤlfe ſpielten
nun zum Anfang auf dem Chowuß oder Fiedel: der
Kranken waren drey. Zu der Violinmuſik ſang der
Quackſalber allein, auf eine ſonderbare Art, ein Lied,
verzog dabey oͤfters das Maul, roͤchelte wie ein ſterben-
der Ochſe, brummte, legte das Ohr zuweilen an den
Chowuß, und ſchrie indem er ſpielte. Hierbey machte er
dann eine ſo wichtige Amtsmiene, dergleichen ich in mei-
nem Leben nie ſah. Es iſt doch ſonderbar, daß auch die
Natur
O 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |