Sievers, Johann August Carl: Briefe aus Sibirien. St. Petersburg, 1796.aus Sibirien. 13. August ein dicker Nebel und dann das vortreflichsteWetter folgte. Ein mit Felderbsen besäetes großes Feld, worauf die schöne Saponaria Vaccaria prangte, verur- sachte uns durch die wohlschmeckenden Schoten noch ei- nen halbstündigen Aufenthalt. Bey diesem Schmause hatten uns vielleicht einige auf den Höhen stehende wach- habende Kirgisen wahrgenommen, und uns vielleicht für Räuber angesehen. Denn kaum waren wir wieder zu Pferde, als eine ganze Armee mit Keulen, und Piken, Beilen und Säbeln auf uns loßsprengte; aber auch kaum erkannten sie mich und meine Führer, als sie in ein Ge- lächter ausbrachen und uns nun als Freunde im Tri- umph in die Jtilekiretzkische Wollost einführten, wo uns der gute, brave ehemalige Wegweiser Chaial eine Strecke entgegenritt und mich in seiner Jurte mit Essen, Trinken, Betten und allen möglichen Bequemlichkeiten versorgte. Nur 20 Werst war ich noch von Ustkameno- gorsk entfernt, aber ich blieb einen ganzen Tag hier stille liegen, um zum Beschluß noch einige allgemeine Bemer- kungen über die Kirgisen niederschreiben zu können. Der Kirgis (Chosack) überläßt sich so, wie das Reiche
aus Sibirien. 13. Auguſt ein dicker Nebel und dann das vortreflichſteWetter folgte. Ein mit Felderbſen beſaͤetes großes Feld, worauf die ſchoͤne Saponaria Vaccaria prangte, verur- ſachte uns durch die wohlſchmeckenden Schoten noch ei- nen halbſtuͤndigen Aufenthalt. Bey dieſem Schmauſe hatten uns vielleicht einige auf den Hoͤhen ſtehende wach- habende Kirgiſen wahrgenommen, und uns vielleicht fuͤr Raͤuber angeſehen. Denn kaum waren wir wieder zu Pferde, als eine ganze Armee mit Keulen, und Piken, Beilen und Saͤbeln auf uns loßſprengte; aber auch kaum erkannten ſie mich und meine Fuͤhrer, als ſie in ein Ge- laͤchter ausbrachen und uns nun als Freunde im Tri- umph in die Jtilekiretzkiſche Wolloſt einfuͤhrten, wo uns der gute, brave ehemalige Wegweiſer Chaial eine Strecke entgegenritt und mich in ſeiner Jurte mit Eſſen, Trinken, Betten und allen moͤglichen Bequemlichkeiten verſorgte. Nur 20 Werſt war ich noch von Uſtkameno- gorsk entfernt, aber ich blieb einen ganzen Tag hier ſtille liegen, um zum Beſchluß noch einige allgemeine Bemer- kungen uͤber die Kirgiſen niederſchreiben zu koͤnnen. Der Kirgis (Choſack) uͤberlaͤßt ſich ſo, wie das Reiche
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aus Sibirien.
13. Auguſt ein dicker Nebel und dann das vortreflichſte
Wetter folgte. Ein mit Felderbſen beſaͤetes großes Feld,
worauf die ſchoͤne Saponaria Vaccaria prangte, verur-
ſachte uns durch die wohlſchmeckenden Schoten noch ei-
nen halbſtuͤndigen Aufenthalt. Bey dieſem Schmauſe
hatten uns vielleicht einige auf den Hoͤhen ſtehende wach-
habende Kirgiſen wahrgenommen, und uns vielleicht fuͤr
Raͤuber angeſehen. Denn kaum waren wir wieder zu
Pferde, als eine ganze Armee mit Keulen, und Piken,
Beilen und Saͤbeln auf uns loßſprengte; aber auch kaum
erkannten ſie mich und meine Fuͤhrer, als ſie in ein Ge-
laͤchter ausbrachen und uns nun als Freunde im Tri-
umph in die Jtilekiretzkiſche Wolloſt einfuͤhrten, wo
uns der gute, brave ehemalige Wegweiſer Chaial eine
Strecke entgegenritt und mich in ſeiner Jurte mit Eſſen,
Trinken, Betten und allen moͤglichen Bequemlichkeiten
verſorgte. Nur 20 Werſt war ich noch von Uſtkameno-
gorsk entfernt, aber ich blieb einen ganzen Tag hier ſtille
liegen, um zum Beſchluß noch einige allgemeine Bemer-
kungen uͤber die Kirgiſen niederſchreiben zu koͤnnen.
Der Kirgis (Choſack) uͤberlaͤßt ſich ſo, wie das
wilde Thier, was mit ihm auf einer Steppe lebt, ſei-
nem natuͤrlichen Jnſtinkt. Rouſſeau, duͤnkt mich, ta-
delt den Hobbes mit Recht, wo er ſagt, der Menſch ſey
von Natur unerſchrocken und ſein Dichten und Trachten
gienge nur dahinaus um anzugreifen, zu ſtreiten und zu
pruͤgeln. Dies faͤllt wenigſtens bey den Kirgiſen weg.
Wie alle Wilden, ſo iſt der Kirgiſe auch zu Diebereyen
geneigt; wie ein Kind will er alles beſitzen was er ſieht.
Reiche
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