Silesius, Angelus: Geistreiche Sinn- vnd Schlussrime. Wien, 1657.Fünfftes Buch. 17. Daß gröste Wunder. Der Wunder hat es viel/ kein grössers kan ich sehen/ Als daß das auferstehn deß Fleisches wird geschehen. 18. Die geistliche Jahrszeiten. Der Winter ist die Sünd/ die Busse Frülingszeit/ Der Sommer Gnadenstand/ der Herbst vollkommen- heit. 19. Auch von denselben. Jm Winter ist man todt/ im Früling steht man auf/ Jm Sommer und im Herbst verbringt man seinen lauf. 20. Der steiffe Felsenstein. Ein tugendthaffter Mensch ist wie ein Felsenstein: Es stürme wie es wil/ er fellet doch nicht ein. 21. Der Sünd und Tugend eigenschafft. Die Busse rüchet wol/ die Sünden alle stincken: Die Tugenden gehn recht/ die Laster aber hincken. 22. Die Keuschheit bleibt verschlossen. Die Keuschheit ist ein Schloß daß niemand auf kan- schliessen/ Was sie im innern ist/ daß mag kein fremder wissen. 23. Die Zeit die ist nicht schnell. Man sagt die Zeit ist schnell: wer hat sie sehen fliegen? Sie bleibt ja unverruckt im Welt-begriffe liegen. 24. Gott sieht man nicht mit Augen. Wann du denkst Gott zu schaun/ bild dir nichts sinn- lichs ein: Daß schaun wird jnner uns/ nicht außerhalb uns sein. 25. Was daß beste an der Seeligkeit. Was an der Seeligkeit mein Hertz vors best' erkiest/ Jst daß sie wesentlich/ und nicht von aussen ist. 26. Gott G 4
Fuͤnfftes Buch. 17. Daß groͤſte Wunder. Der Wunder hat es viel/ kein groͤſſers kan ich ſehen/ Als daß das auferſtehn deß Fleiſches wird geſchehen. 18. Die geiſtliche Jahrszeiten. Der Winter iſt die Suͤnd/ die Buſſe Fruͤlingszeit/ Der Sommer Gnadenſtand/ der Herbſt vollkom̃en- heit. 19. Auch von denſelben. Jm Winter iſt man todt/ im Fruͤling ſteht man auf/ Jm Som̃er und im Herbſt verbringt man ſeinen lauf. 20. Der ſteiffe Felſenſtein. Ein tugendthaffter Menſch iſt wie ein Felſenſtein: Es ſtuͤrme wie es wil/ er fellet doch nicht ein. 21. Der Suͤnd und Tugend eigenſchafft. Die Buſſe ruͤchet wol/ die Suͤnden alle ſtincken: Die Tugenden gehn recht/ die Laſter aber hincken. 22. Die Keuſchheit bleibt verſchloſſen. Die Keuſchheit iſt ein Schloß daß niemand auf kan- ſchlieſſen/ Was ſie im innern iſt/ daß mag kein fremder wiſſen. 23. Die Zeit die iſt nicht ſchnell. Man ſagt die Zeit iſt ſchnell: wer hat ſie ſehen fliegen? Sie bleibt ja unverruckt im Welt-begriffe liegen. 24. Gott ſieht man nicht mit Augen. Wann du denkſt Gott zu ſchaun/ bild dir nichts ſinn- lichs ein: Daß ſchaun wird jñer uns/ nicht außerhalb uns ſein. 25. Was daß beſte an der Seeligkeit. Was an der Seeligkeit mein Hertz vors beſt’ erkieſt/ Jſt daß ſie weſentlich/ und nicht von auſſen iſt. 26. Gott G 4
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Fuͤnfftes Buch.
17. Daß groͤſte Wunder.
Der Wunder hat es viel/ kein groͤſſers kan ich ſehen/
Als daß das auferſtehn deß Fleiſches wird geſchehen.
18. Die geiſtliche Jahrszeiten.
Der Winter iſt die Suͤnd/ die Buſſe Fruͤlingszeit/
Der Sommer Gnadenſtand/ der Herbſt vollkom̃en-
heit.
19. Auch von denſelben.
Jm Winter iſt man todt/ im Fruͤling ſteht man auf/
Jm Som̃er und im Herbſt verbringt man ſeinen lauf.
20. Der ſteiffe Felſenſtein.
Ein tugendthaffter Menſch iſt wie ein Felſenſtein:
Es ſtuͤrme wie es wil/ er fellet doch nicht ein.
21. Der Suͤnd und Tugend eigenſchafft.
Die Buſſe ruͤchet wol/ die Suͤnden alle ſtincken:
Die Tugenden gehn recht/ die Laſter aber hincken.
22. Die Keuſchheit bleibt verſchloſſen.
Die Keuſchheit iſt ein Schloß daß niemand auf kan-
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Was ſie im innern iſt/ daß mag kein fremder wiſſen.
23. Die Zeit die iſt nicht ſchnell.
Man ſagt die Zeit iſt ſchnell: wer hat ſie ſehen fliegen?
Sie bleibt ja unverruckt im Welt-begriffe liegen.
24. Gott ſieht man nicht mit Augen.
Wann du denkſt Gott zu ſchaun/ bild dir nichts ſinn-
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Daß ſchaun wird jñer uns/ nicht außerhalb uns ſein.
25. Was daß beſte an der Seeligkeit.
Was an der Seeligkeit mein Hertz vors beſt’ erkieſt/
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26. Gott
G 4
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