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Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675.

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an den Leser.
ber verlohren hat/ so empfängt er die Klarheit GOttes
ohne mittel: Ja er wird auch selbst/ (soviel einer Crea-
tur zusteht) ohne unterlaß dieselbe Klarheit welche er
embfängt.

Gleichermassen redet auch S. Bernard. im
Buche vom Einsamen Leben/ da er spricht:

Wir werden das seyn was Er ist. Denn welchen die
Macht gegeben ist GOttes Kinder zu werden/ denen ist
auch die Macht gegeben/ nicht zwar daß sie GOtt seyn/
sondern daß sie seyn was GOtt ist. Und nach disem:
Diese gleichnüß GOttes wird die Einheit deß Geistes
genent/ nicht alleine weil sie der Heilige Geist zu Wercke
richtet/ oder den Geist deß Menschen damit anthut:
Sondern weil sie selbst der Heilige Geist/ GOtt die Liebe
ist/ weil durch Jhn/ welcher die Liebe deß Vatters und
deß Sohnes ist/ und Einheit/ und Anmütigkiit/ und
Gut/ und Kuß/ und umbfassung/ und alles was bey-
den kan gemein seyn/ in jener höchsten Vereinigung der
Warheit/ und Warheit der Vereinigung/ eben dassel-
be dem Menschen auff seine Art zu GOtt geschicht/ was
mit der selbständigen Einheit dem Sohne zum Vatter/
oder dem Vatter zum Sohne/ wann in der umbfahung
und Kuß deß Vatters und deß Sohns sich etlicher mas-
sen mitten inne befindet das seelige Gewissen; da anff
eine unaußsprechliche und Ungedänckliche wesse der
GOttes Mensch verdienet zu werden/ nicht GOtt;
sondern doch was GOtt ist auß Natur/ der Mensch
auß Genaden. Und dieses Bernardus. Fragstu
wie daß zugehen könne/ weil das Göttliche
Wesen unmittheilhafftig ist? So antworte ich
dir fürs Erste mit dem heiligen
Bonaventura:
So du es wissen wilt/ so frage die Genade/ und nicht die
Lehre: Das Verlangen/ und nicht den Verstand: das
Seufftzen deß Gebeths/ und nicht das fleissige lesen:

Den
A 6

an den Leſer.
ber verlohren hat/ ſo empfaͤngt er die Klarheit GOttes
ohne mittel: Ja er wird auch ſelbſt/ (ſoviel einer Crea-
tur zuſteht) ohne unterlaß dieſelbe Klarheit welche er
embfaͤngt.

Gleichermaſſen redet auch S. Bernard. im
Buche vom Einſamen Leben/ da er ſpricht:

Wir werden das ſeyn was Er iſt. Denn welchen die
Macht gegeben iſt GOttes Kinder zu werden/ denen iſt
auch die Macht gegeben/ nicht zwar daß ſie GOtt ſeyn/
ſondern daß ſie ſeyn was GOtt iſt. Und nach diſem:
Dieſe gleichnuͤß GOttes wird die Einheit deß Geiſtes
genent/ nicht alleine weil ſie der Heilige Geiſt zu Wercke
richtet/ oder den Geiſt deß Menſchen damit anthut:
Sondern weil ſie ſelbſt der Heilige Geiſt/ GOtt die Liebe
iſt/ weil durch Jhn/ welcher die Liebe deß Vatters und
deß Sohnes iſt/ und Einheit/ und Anmuͤtigkiit/ und
Gut/ und Kuß/ und umbfaſſung/ und alles was bey-
den kan gemein ſeyn/ in jener hoͤchſten Vereinigung der
Warheit/ und Warheit der Vereinigung/ eben daſſel-
be dem Menſchen auff ſeine Art zu GOtt geſchicht/ was
mit der ſelbſtaͤndigen Einheit dem Sohne zum Vatter/
oder dem Vatter zum Sohne/ wann in der umbfahung
und Kuß deß Vatters und deß Sohns ſich etlicher maſ-
ſen mitten inne befindet das ſeelige Gewiſſen; da anff
eine unaußſprechliche und Ungedaͤnckliche weſſe der
GOttes Menſch verdienet zu werden/ nicht GOtt;
ſondern doch was GOtt iſt auß Natur/ der Menſch
auß Genaden. Und dieſes Bernardus. Fragſtu
wie daß zugehen koͤnne/ weil das Goͤttliche
Weſen unmittheilhafftig iſt? So antworte ich
dir fuͤrs Erſte mit dem heiligen
Bonaventura:
So du es wiſſen wilt/ ſo frage die Genade/ und nicht die
Lehre: Das Verlangen/ und nicht den Verſtand: das
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[9/0015] an den Leſer. ber verlohren hat/ ſo empfaͤngt er die Klarheit GOttes ohne mittel: Ja er wird auch ſelbſt/ (ſoviel einer Crea- tur zuſteht) ohne unterlaß dieſelbe Klarheit welche er embfaͤngt. Gleichermaſſen redet auch S. Bernard. im Buche vom Einſamen Leben/ da er ſpricht: Wir werden das ſeyn was Er iſt. Denn welchen die Macht gegeben iſt GOttes Kinder zu werden/ denen iſt auch die Macht gegeben/ nicht zwar daß ſie GOtt ſeyn/ ſondern daß ſie ſeyn was GOtt iſt. Und nach diſem: Dieſe gleichnuͤß GOttes wird die Einheit deß Geiſtes genent/ nicht alleine weil ſie der Heilige Geiſt zu Wercke richtet/ oder den Geiſt deß Menſchen damit anthut: Sondern weil ſie ſelbſt der Heilige Geiſt/ GOtt die Liebe iſt/ weil durch Jhn/ welcher die Liebe deß Vatters und deß Sohnes iſt/ und Einheit/ und Anmuͤtigkiit/ und Gut/ und Kuß/ und umbfaſſung/ und alles was bey- den kan gemein ſeyn/ in jener hoͤchſten Vereinigung der Warheit/ und Warheit der Vereinigung/ eben daſſel- be dem Menſchen auff ſeine Art zu GOtt geſchicht/ was mit der ſelbſtaͤndigen Einheit dem Sohne zum Vatter/ oder dem Vatter zum Sohne/ wann in der umbfahung und Kuß deß Vatters und deß Sohns ſich etlicher maſ- ſen mitten inne befindet das ſeelige Gewiſſen; da anff eine unaußſprechliche und Ungedaͤnckliche weſſe der GOttes Menſch verdienet zu werden/ nicht GOtt; ſondern doch was GOtt iſt auß Natur/ der Menſch auß Genaden. Und dieſes Bernardus. Fragſtu wie daß zugehen koͤnne/ weil das Goͤttliche Weſen unmittheilhafftig iſt? So antworte ich dir fuͤrs Erſte mit dem heiligen Bonaventura: So du es wiſſen wilt/ ſo frage die Genade/ und nicht die Lehre: Das Verlangen/ und nicht den Verſtand: das Seufftzen deß Gebeths/ und nicht das fleiſſige leſen: Den A 6

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Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_wandersmann_1675/15>, abgerufen am 23.11.2024.