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Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675.

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Erinnerungs Vorrede
Den Bräutigam/ nicht den Meister: GOtt/ nicht
Menschen: Die tunckelheit/ nicht die Klarheit: Nicht
das Licht/ sondern das Feuer welches gantz und gar an-
flammet/ und in GOtt mit brennenden Begierden füh-
ret/ welches Feuer GOTT selber ist.

Fürs ander/ daß das Göttliche Wesen zwar
unmitthellhafftig sey/ solcher gestalt/ daß es sich
mit einem Dinge vermengen solte/ und eine Na-
tur oder Wesen mit ihm werden: Daß es aber
auff gewisse Weise wegen der so nahen und jn-
niglichen Vereinigung/ mit welcher es sich in
die Heylige Seelen ergiest/ gleichwol mit theil-
hafftig könne genennet werden: Massen auch

Petrus sagt/ daß wir theilhafftig werden der
göttlichen Natur: und
Johannes/ daß wir Got-
tes Kinder seynd/ weil wir auß GOtt gebohren
seynd.
Nun können ja die jenige nicht Gottes Kin-
der/ und theilhafftige der Göttlichen Natur genennet
werden (spricht Thomas a Jesu l. 4. d. orat.
divin. c.
4.) wann dieselbige nicht in Uns/ sondern
weit von Uns abgesondert ist. Denn so wenig ein
Mensch kan weise seyn ohne Weißheit (wie Thauler.
in der vierdten Sermon im H. Christage redet)
so wenig kan einer auch ein Kind Gottes seyn ohne die
Göttliche Kindschafft/ das ist/ er habe dann das war-
hafftige Wesen deß Sohnes GOttes selber. Derohal-
ben soltu GOttes Sohn oder Tochter seyn/ so mustu
auch eben das Wesen haben/ welches der Sohn GOt-
tes hat/ sonsten kanstu GOTTES Sohn nicht seyn.
Aber solche grosse Herrligkeit ist uns noch zur
Zeit verborgen. Darumb schreibt auch
S. Jo-

hannes

Erinnerungs Vorrede
Den Braͤutigam/ nicht den Meiſter: GOtt/ nicht
Menſchen: Die tunckelheit/ nicht die Klarheit: Nicht
das Licht/ ſondern das Feuer welches gantz und gar an-
flammet/ und in GOtt mit brennenden Begierden fuͤh-
ret/ welches Feuer GOTT ſelber iſt.

Fuͤrs ander/ daß das Goͤttliche Weſen zwar
unmitthellhafftig ſey/ ſolcher geſtalt/ daß es ſich
mit einem Dinge vermengen ſolte/ und eine Na-
tur oder Weſen mit ihm werden: Daß es aber
auff gewiſſe Weiſe wegen der ſo nahen und jn-
niglichen Vereinigung/ mit welcher es ſich in
die Heylige Seelen ergieſt/ gleichwol mit theil-
hafftig koͤnne genennet werden: Maſſen auch

Petrus ſagt/ daß wir theilhafftig werden der
goͤttlichen Natur: und
Johannes/ daß wir Got-
tes Kinder ſeynd/ weil wir auß GOtt gebohren
ſeynd.
Nun koͤnnen ja die jenige nicht Gottes Kin-
der/ und theilhafftige der Goͤttlichen Natur genennet
werden (ſpricht Thomas à Jesu l. 4. d. orat.
divin. c.
4.) wann dieſelbige nicht in Uns/ ſondern
weit von Uns abgeſondert iſt. Denn ſo wenig ein
Menſch kan weiſe ſeyn ohne Weißheit (wie Thauler.
in der vierdten Sermon im H. Chriſtage redet)
ſo wenig kan einer auch ein Kind Gottes ſeyn ohne die
Goͤttliche Kindſchafft/ das iſt/ er habe dann das war-
hafftige Weſen deß Sohnes GOttes ſelber. Derohal-
ben ſoltu GOttes Sohn oder Tochter ſeyn/ ſo muſtu
auch eben das Weſen haben/ welches der Sohn GOt-
tes hat/ ſonſten kanſtu GOTTES Sohn nicht ſeyn.
Aber ſolche groſſe Herrligkeit iſt uns noch zur
Zeit verborgen. Darumb ſchreibt auch
S. Jo-

hannes
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[10/0016] Erinnerungs Vorrede Den Braͤutigam/ nicht den Meiſter: GOtt/ nicht Menſchen: Die tunckelheit/ nicht die Klarheit: Nicht das Licht/ ſondern das Feuer welches gantz und gar an- flammet/ und in GOtt mit brennenden Begierden fuͤh- ret/ welches Feuer GOTT ſelber iſt. Fuͤrs ander/ daß das Goͤttliche Weſen zwar unmitthellhafftig ſey/ ſolcher geſtalt/ daß es ſich mit einem Dinge vermengen ſolte/ und eine Na- tur oder Weſen mit ihm werden: Daß es aber auff gewiſſe Weiſe wegen der ſo nahen und jn- niglichen Vereinigung/ mit welcher es ſich in die Heylige Seelen ergieſt/ gleichwol mit theil- hafftig koͤnne genennet werden: Maſſen auch Petrus ſagt/ daß wir theilhafftig werden der goͤttlichen Natur: und Johannes/ daß wir Got- tes Kinder ſeynd/ weil wir auß GOtt gebohren ſeynd. Nun koͤnnen ja die jenige nicht Gottes Kin- der/ und theilhafftige der Goͤttlichen Natur genennet werden (ſpricht Thomas à Jesu l. 4. d. orat. divin. c. 4.) wann dieſelbige nicht in Uns/ ſondern weit von Uns abgeſondert iſt. Denn ſo wenig ein Menſch kan weiſe ſeyn ohne Weißheit (wie Thauler. in der vierdten Sermon im H. Chriſtage redet) ſo wenig kan einer auch ein Kind Gottes ſeyn ohne die Goͤttliche Kindſchafft/ das iſt/ er habe dann das war- hafftige Weſen deß Sohnes GOttes ſelber. Derohal- ben ſoltu GOttes Sohn oder Tochter ſeyn/ ſo muſtu auch eben das Weſen haben/ welches der Sohn GOt- tes hat/ ſonſten kanſtu GOTTES Sohn nicht ſeyn. Aber ſolche groſſe Herrligkeit iſt uns noch zur Zeit verborgen. Darumb ſchreibt auch S. Jo- hannes

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Zitationshilfe: Silesius, Angelus: Cherubinischer Wandersmann oder Geist-Reiche Sinn- und Schluß-Reime. 2. Aufl. Glatz, 1675, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/silesius_wandersmann_1675/16>, abgerufen am 23.11.2024.