die Sonderverwirklichung dessen, was den Gegenständen als wirtschaft- lichen gemeinsam ist -- im Sinne der Scholastik könnte man es so- wohl als universale ante rem wie in re wie post rem bezeichnen --, und deshalb äussert die allgemeine Not des Menschenlebens sich in keinem äusseren Symbol so vollständig wie in der beständigen Geldnot, die die meisten Menschen bedrückt. Der Geldpreis einer Ware bedeutet das Mass der Tauschbarkeit, das zwischen ihr und der Gesamtheit der übrigen Waren besteht. Nimmt man das Geld in jenem reinen Sinne, der von allen Folgen seiner konkreten Darstellung unabhängig ist, so bedeutet die Änderung des Geldpreises, dass das Tauschverhältnis zwischen der einzelnen Ware und der Gesamtheit der übrigen sich ändert. Wenn ein Warenquantum A seinen Preis von einer Mark auf zwei steigert, während alle anderen Waren B C D E den ihrigen be- halten, so bedeutet dies eine Verschiebung des Verhältnisses zwischen A und B C D E, die man auch so ausdrücken könnte, dass diese letzteren im Preise gefallen sind, während A den seinigen behalten hat. Nur die grössere Einfachheit des Ausdrucks lässt uns die erstere Vorstellungsweise vorziehen, gerade wie wir bei der Lageveränderung eines Körpers gegen sein Umgebungsbild sagen, er habe sich z. B. von Osten nach Westen bewegt, während die thatsächliche Erscheinung sich genau so zutreffend als Bewegung der gesamten Umgebung (den Zuschauer einbegriffen) von Westen nach Osten, bei Ruhelage jenes einen Körpers, beschreiben lässt. Wie die Lage eines Körpers ihm nicht als eine Bestimmtheit seiner für sich allein, sondern nur als ein Verhältnis zu anderen zukommt, so dass bei jeder Änderung derselben ebenso gut diese anderen wie jener selbst als das thätige oder als das passive Subjekt bezeichnet werden kann -- so lässt sich jede Wert- änderung von A innerhalb des wirtschaftlichen Kosmos, da sein Wert selbst nur in dem Verhältnis zu diesem besteht, gleichmässig und nur unbequemer als Änderung von B C D E bezeichnen. Diese Relativität, wie sie im Naturaltausch unmittelbar praktisch wird, kristallisiert nun zu der Ausdrückbarkeit des Wertes in Geld. Auf welche Weise das geschehen kann, ist Sache späterer Untersuchung. Der Satz: A ist eine Mark wert, hat aus A alles hinweggeläutert, was nicht wirtschaft- lich, d. h. nicht Tauschbeziehung zu B C D E ist; diese Mark, als Wert betrachtet, ist die von ihrem Träger gelöste Funktion des A in seinem Verhältnis zu den übrigen Objekten des Wirtschaftskreises. Alles, was A an und für sich, und aus dieser blossen Beziehung heraus- tretend, sein mag, ist hier völlig gleichgültig; jedes A1 oder A2, das von jenem qualitativ abweicht, ist, insofern es ebenfalls eine Mark gilt, ihm gleich, weil, oder genauer: indem es zu B C D E dasselbe Verhält-
die Sonderverwirklichung dessen, was den Gegenständen als wirtschaft- lichen gemeinsam ist — im Sinne der Scholastik könnte man es so- wohl als universale ante rem wie in re wie post rem bezeichnen —, und deshalb äuſsert die allgemeine Not des Menschenlebens sich in keinem äuſseren Symbol so vollständig wie in der beständigen Geldnot, die die meisten Menschen bedrückt. Der Geldpreis einer Ware bedeutet das Maſs der Tauschbarkeit, das zwischen ihr und der Gesamtheit der übrigen Waren besteht. Nimmt man das Geld in jenem reinen Sinne, der von allen Folgen seiner konkreten Darstellung unabhängig ist, so bedeutet die Änderung des Geldpreises, daſs das Tauschverhältnis zwischen der einzelnen Ware und der Gesamtheit der übrigen sich ändert. Wenn ein Warenquantum A seinen Preis von einer Mark auf zwei steigert, während alle anderen Waren B C D E den ihrigen be- halten, so bedeutet dies eine Verschiebung des Verhältnisses zwischen A und B C D E, die man auch so ausdrücken könnte, daſs diese letzteren im Preise gefallen sind, während A den seinigen behalten hat. Nur die gröſsere Einfachheit des Ausdrucks läſst uns die erstere Vorstellungsweise vorziehen, gerade wie wir bei der Lageveränderung eines Körpers gegen sein Umgebungsbild sagen, er habe sich z. B. von Osten nach Westen bewegt, während die thatsächliche Erscheinung sich genau so zutreffend als Bewegung der gesamten Umgebung (den Zuschauer einbegriffen) von Westen nach Osten, bei Ruhelage jenes einen Körpers, beschreiben läſst. Wie die Lage eines Körpers ihm nicht als eine Bestimmtheit seiner für sich allein, sondern nur als ein Verhältnis zu anderen zukommt, so daſs bei jeder Änderung derselben ebenso gut diese anderen wie jener selbst als das thätige oder als das passive Subjekt bezeichnet werden kann — so läſst sich jede Wert- änderung von A innerhalb des wirtschaftlichen Kosmos, da sein Wert selbst nur in dem Verhältnis zu diesem besteht, gleichmäſsig und nur unbequemer als Änderung von B C D E bezeichnen. Diese Relativität, wie sie im Naturaltausch unmittelbar praktisch wird, kristallisiert nun zu der Ausdrückbarkeit des Wertes in Geld. Auf welche Weise das geschehen kann, ist Sache späterer Untersuchung. Der Satz: A ist eine Mark wert, hat aus A alles hinweggeläutert, was nicht wirtschaft- lich, d. h. nicht Tauschbeziehung zu B C D E ist; diese Mark, als Wert betrachtet, ist die von ihrem Träger gelöste Funktion des A in seinem Verhältnis zu den übrigen Objekten des Wirtschaftskreises. Alles, was A an und für sich, und aus dieser bloſsen Beziehung heraus- tretend, sein mag, ist hier völlig gleichgültig; jedes A1 oder A2, das von jenem qualitativ abweicht, ist, insofern es ebenfalls eine Mark gilt, ihm gleich, weil, oder genauer: indem es zu B C D E dasselbe Verhält-
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die Sonderverwirklichung dessen, was den Gegenständen als wirtschaft-
lichen gemeinsam ist — im Sinne der Scholastik könnte man es so-
wohl als universale ante rem wie in re wie post rem bezeichnen —,
und deshalb äuſsert die allgemeine Not des Menschenlebens sich in
keinem äuſseren Symbol so vollständig wie in der beständigen Geldnot,
die die meisten Menschen bedrückt. Der Geldpreis einer Ware bedeutet
das Maſs der Tauschbarkeit, das zwischen ihr und der Gesamtheit der
übrigen Waren besteht. Nimmt man das Geld in jenem reinen Sinne,
der von allen Folgen seiner konkreten Darstellung unabhängig ist, so
bedeutet die Änderung des Geldpreises, daſs das Tauschverhältnis
zwischen der einzelnen Ware und der Gesamtheit der übrigen sich
ändert. Wenn ein Warenquantum A seinen Preis von einer Mark auf
zwei steigert, während alle anderen Waren B C D E den ihrigen be-
halten, so bedeutet dies eine Verschiebung des Verhältnisses zwischen
A und B C D E, die man auch so ausdrücken könnte, daſs diese
letzteren im Preise gefallen sind, während A den seinigen behalten
hat. Nur die gröſsere Einfachheit des Ausdrucks läſst uns die erstere
Vorstellungsweise vorziehen, gerade wie wir bei der Lageveränderung
eines Körpers gegen sein Umgebungsbild sagen, er habe sich z. B.
von Osten nach Westen bewegt, während die thatsächliche Erscheinung
sich genau so zutreffend als Bewegung der gesamten Umgebung (den
Zuschauer einbegriffen) von Westen nach Osten, bei Ruhelage jenes
einen Körpers, beschreiben läſst. Wie die Lage eines Körpers ihm
nicht als eine Bestimmtheit seiner für sich allein, sondern nur als ein
Verhältnis zu anderen zukommt, so daſs bei jeder Änderung derselben
ebenso gut diese anderen wie jener selbst als das thätige oder als das
passive Subjekt bezeichnet werden kann — so läſst sich jede Wert-
änderung von A innerhalb des wirtschaftlichen Kosmos, da sein Wert
selbst nur in dem Verhältnis zu diesem besteht, gleichmäſsig und nur
unbequemer als Änderung von B C D E bezeichnen. Diese Relativität,
wie sie im Naturaltausch unmittelbar praktisch wird, kristallisiert nun
zu der Ausdrückbarkeit des Wertes in Geld. Auf welche Weise das
geschehen kann, ist Sache späterer Untersuchung. Der Satz: A ist
eine Mark wert, hat aus A alles hinweggeläutert, was nicht wirtschaft-
lich, d. h. nicht Tauschbeziehung zu B C D E ist; diese Mark, als Wert
betrachtet, ist die von ihrem Träger gelöste Funktion des A in seinem
Verhältnis zu den übrigen Objekten des Wirtschaftskreises. Alles,
was A an und für sich, und aus dieser bloſsen Beziehung heraus-
tretend, sein mag, ist hier völlig gleichgültig; jedes A1 oder A2, das
von jenem qualitativ abweicht, ist, insofern es ebenfalls eine Mark gilt,
ihm gleich, weil, oder genauer: indem es zu B C D E dasselbe Verhält-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/100>, abgerufen am 27.11.2024.
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