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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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nis quantitativ bestimmten Austausches hat. Geld ist das "Geltende"
schlechthin, und wirtschaftliches Gelten bedeutet etwas gelten, d. h.
gegen etwas anderes vertauschbar zu sein. Alle anderen Dinge haben
einen bestimmten Inhalt und gelten deshalb; das Geld umgekehrt hat
seinen Inhalt davon, dass es gilt, es ist das zur Substanz erstarrte
Gelten, das Gelten der Dinge ohne die Dinge selbst. Indem es so
das Sublimat der Relativität der Dinge ist, scheint es selbst dieser
entzogen zu sein -- wie die Normen der Wirklichkeit nicht derselben
Relativität unterliegen, die die Wirklichkeit beherrschen, und zwar nicht
trotzdem, sondern grade weil ihr Inhalt die zu selbständiger Leben-
digkeit, Bedeutung und Haltbarkeit aufgewachsenen Verhältnisse zwi-
schen den Dingen sind. Alles Sein ist gesetzmässig, aber eben des-
halb sind die Gesetze, denen es unterliegt, nicht selbst wieder gesetz-
mässig: man würde sich im Zirkel bewegen, wenn man ein Naturgesetz
des Inhalts annähme, dass es Naturgesetze geben müsse -- wobei ich
freilich dahingestellt lasse, ob dieser Zirkel nicht etwa dennoch als
legitimer besteht, weil er zu den fundamentalen Bewegungen des Den-
kens gehöre, die in sich selbst zurück- oder auf einen im Unendlichen
liegenden Zielpunkt hingehen. So sind die Normen -- mag man sie
mit Plato und Schopenhauer die Ideen, mit den Stoikern die Logoi,
mit Kant das Apriori, mit Hegel die Stufen der Vernunftentwicklung
nennen --, nichts als die Arten und Formen der Relativitäten selbst,
die sich zwischen den Einzelheiten der Wirklichkeit, sie gestaltend,
entwickeln. Eben deshalb können sie als das Absolute auftreten, da
sie freilich selbst nicht relativ, sondern die Relativität selbst sind.
Auf dieser Grundlage wird es verständlich, dass das Geld, als der ab-
strakte Vermögenswert, nichts anderes ausdrückt, als die Relativität der
Dinge, die eben den Wert ausmacht, und doch zugleich als der
ruhende Pol den ewigen Bewegungen, Schwankungen, Ausgleichungen
derselben gegenübersteht. Insofern es das letztere nicht thut, wirkt
es eben nicht mehr seinem reinen Begriffe nach, sondern als Einzel-
objekt, das allen anderen koordiniert ist.

Aus dieser Doppelheit seiner Rollen -- ausserhalb und innerhalb der
Reihen der konkreten Werte -- gehen, wie gesagt, unzählige Schwierig-
keiten in der praktischen Behandlung des Geldes und noch mehr Un-
klarheiten und Widersprüche der Geldtheorien hervor. Insoweit es
das Wertverhältnis der Güter untereinander ausdrückt, sie misst und aus-
tauschen hilft, tritt es zu der Welt der direkt nutzbaren Güter als eine
Macht ganz anderer Provenienz hinzu, sei es als schematischer Massstab
jenseits aller Greifbarkeiten, sei es als Tauschmittel, das sich zwischen
diese letzteren aber nur schiebt, wie der Lichtäther zwischen die Pon-

nis quantitativ bestimmten Austausches hat. Geld ist das „Geltende“
schlechthin, und wirtschaftliches Gelten bedeutet etwas gelten, d. h.
gegen etwas anderes vertauschbar zu sein. Alle anderen Dinge haben
einen bestimmten Inhalt und gelten deshalb; das Geld umgekehrt hat
seinen Inhalt davon, daſs es gilt, es ist das zur Substanz erstarrte
Gelten, das Gelten der Dinge ohne die Dinge selbst. Indem es so
das Sublimat der Relativität der Dinge ist, scheint es selbst dieser
entzogen zu sein — wie die Normen der Wirklichkeit nicht derselben
Relativität unterliegen, die die Wirklichkeit beherrschen, und zwar nicht
trotzdem, sondern grade weil ihr Inhalt die zu selbständiger Leben-
digkeit, Bedeutung und Haltbarkeit aufgewachsenen Verhältnisse zwi-
schen den Dingen sind. Alles Sein ist gesetzmäſsig, aber eben des-
halb sind die Gesetze, denen es unterliegt, nicht selbst wieder gesetz-
mäſsig: man würde sich im Zirkel bewegen, wenn man ein Naturgesetz
des Inhalts annähme, daſs es Naturgesetze geben müsse — wobei ich
freilich dahingestellt lasse, ob dieser Zirkel nicht etwa dennoch als
legitimer besteht, weil er zu den fundamentalen Bewegungen des Den-
kens gehöre, die in sich selbst zurück- oder auf einen im Unendlichen
liegenden Zielpunkt hingehen. So sind die Normen — mag man sie
mit Plato und Schopenhauer die Ideen, mit den Stoikern die Logoi,
mit Kant das Apriori, mit Hegel die Stufen der Vernunftentwicklung
nennen —, nichts als die Arten und Formen der Relativitäten selbst,
die sich zwischen den Einzelheiten der Wirklichkeit, sie gestaltend,
entwickeln. Eben deshalb können sie als das Absolute auftreten, da
sie freilich selbst nicht relativ, sondern die Relativität selbst sind.
Auf dieser Grundlage wird es verständlich, daſs das Geld, als der ab-
strakte Vermögenswert, nichts anderes ausdrückt, als die Relativität der
Dinge, die eben den Wert ausmacht, und doch zugleich als der
ruhende Pol den ewigen Bewegungen, Schwankungen, Ausgleichungen
derselben gegenübersteht. Insofern es das letztere nicht thut, wirkt
es eben nicht mehr seinem reinen Begriffe nach, sondern als Einzel-
objekt, das allen anderen koordiniert ist.

Aus dieser Doppelheit seiner Rollen — auſserhalb und innerhalb der
Reihen der konkreten Werte — gehen, wie gesagt, unzählige Schwierig-
keiten in der praktischen Behandlung des Geldes und noch mehr Un-
klarheiten und Widersprüche der Geldtheorien hervor. Insoweit es
das Wertverhältnis der Güter untereinander ausdrückt, sie miſst und aus-
tauschen hilft, tritt es zu der Welt der direkt nutzbaren Güter als eine
Macht ganz anderer Provenienz hinzu, sei es als schematischer Maſsstab
jenseits aller Greifbarkeiten, sei es als Tauschmittel, das sich zwischen
diese letzteren aber nur schiebt, wie der Lichtäther zwischen die Pon-

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[77/0101] nis quantitativ bestimmten Austausches hat. Geld ist das „Geltende“ schlechthin, und wirtschaftliches Gelten bedeutet etwas gelten, d. h. gegen etwas anderes vertauschbar zu sein. Alle anderen Dinge haben einen bestimmten Inhalt und gelten deshalb; das Geld umgekehrt hat seinen Inhalt davon, daſs es gilt, es ist das zur Substanz erstarrte Gelten, das Gelten der Dinge ohne die Dinge selbst. Indem es so das Sublimat der Relativität der Dinge ist, scheint es selbst dieser entzogen zu sein — wie die Normen der Wirklichkeit nicht derselben Relativität unterliegen, die die Wirklichkeit beherrschen, und zwar nicht trotzdem, sondern grade weil ihr Inhalt die zu selbständiger Leben- digkeit, Bedeutung und Haltbarkeit aufgewachsenen Verhältnisse zwi- schen den Dingen sind. Alles Sein ist gesetzmäſsig, aber eben des- halb sind die Gesetze, denen es unterliegt, nicht selbst wieder gesetz- mäſsig: man würde sich im Zirkel bewegen, wenn man ein Naturgesetz des Inhalts annähme, daſs es Naturgesetze geben müsse — wobei ich freilich dahingestellt lasse, ob dieser Zirkel nicht etwa dennoch als legitimer besteht, weil er zu den fundamentalen Bewegungen des Den- kens gehöre, die in sich selbst zurück- oder auf einen im Unendlichen liegenden Zielpunkt hingehen. So sind die Normen — mag man sie mit Plato und Schopenhauer die Ideen, mit den Stoikern die Logoi, mit Kant das Apriori, mit Hegel die Stufen der Vernunftentwicklung nennen —, nichts als die Arten und Formen der Relativitäten selbst, die sich zwischen den Einzelheiten der Wirklichkeit, sie gestaltend, entwickeln. Eben deshalb können sie als das Absolute auftreten, da sie freilich selbst nicht relativ, sondern die Relativität selbst sind. Auf dieser Grundlage wird es verständlich, daſs das Geld, als der ab- strakte Vermögenswert, nichts anderes ausdrückt, als die Relativität der Dinge, die eben den Wert ausmacht, und doch zugleich als der ruhende Pol den ewigen Bewegungen, Schwankungen, Ausgleichungen derselben gegenübersteht. Insofern es das letztere nicht thut, wirkt es eben nicht mehr seinem reinen Begriffe nach, sondern als Einzel- objekt, das allen anderen koordiniert ist. Aus dieser Doppelheit seiner Rollen — auſserhalb und innerhalb der Reihen der konkreten Werte — gehen, wie gesagt, unzählige Schwierig- keiten in der praktischen Behandlung des Geldes und noch mehr Un- klarheiten und Widersprüche der Geldtheorien hervor. Insoweit es das Wertverhältnis der Güter untereinander ausdrückt, sie miſst und aus- tauschen hilft, tritt es zu der Welt der direkt nutzbaren Güter als eine Macht ganz anderer Provenienz hinzu, sei es als schematischer Maſsstab jenseits aller Greifbarkeiten, sei es als Tauschmittel, das sich zwischen diese letzteren aber nur schiebt, wie der Lichtäther zwischen die Pon-

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/101>, abgerufen am 27.11.2024.