anderen Dingen besteht, wird ersichtlich durch die Variabilität dieser Verhältnisse am fühlbarsten, da jede partielle Verschiebung weitere Ausgleichsbewegungen zu fordern pflegt und so die Relativität innerhalb des Ganzen immer von neuem bewusst macht. Indem das Geld nichts als der Ausdruck dieser Relativität ist, verstehen wir die anderwärts hervorgehobene Thatsache, dass Geldbedarf mit dem Schwanken der Preise, Naturaltausch mit ihrer Fixiertheit in gewissem Zusammen- hange stehen.
Der so bestimmte reine Sinn des Geldes tritt ersichtlich sowohl theoretisch wie praktisch erst mit ausgebildeter Geldwirtschaft klarer hervor; der Träger, an dem dieser Sinn sich erst in allmählicher Ent- wicklung darstellt, hält das Geld ursprünglich noch in der Reihe der Objekte selbst zurück, deren blosses Verhältnis es eigentlich zu sym- bolisieren bestimmt ist. Für die mittelalterliche Theorie ist der Wert etwas Objektives: sie verlangt vom Verkäufer, er solle den "gerechten" Preis für seine Ware fordern, und sucht diesen gelegentlich durch Preis- taxen zu fixieren; jenseits der Verhältnisse von Käufer und Verkäufer haftete dem Dinge an und für sich sein Wert als eine Eigenschaft seiner isolierten Natur an, mit der es in den Tauschakt eintrat. Diese Vorstellung vom Werte -- dem substanzial-absolutistischen Weltbild der Epoche entsprechend -- liegt bei naturalwirtschaftlichen Verhält- nissen besonders nahe. Ein Stück Land für geleistete Dienste, eine Ziege für ein paar Schuhe, ein Kleinod für zwanzig Seelenmessen -- das waren Dinge, an die sich gewisse Intensitäten des Wertgefühles so unmittelbar knüpften, dass ihre Werte als objektiv einander entsprechend erscheinen konnten. Je unmittelbarer der Tausch stattfindet und in je einfacheren Verhältnissen -- so dass nicht erst eine Vielheit vergleichender Be- ziehungen dem Objekt seine Stellung zuweist -- desto eher kann der Wert als eine eigene Bestimmtheit des Objektes erscheinen. Die ein- deutige Sicherheit, mit der man so den Austausch vollzog, spiegelte sich in der Vorstellung, dass sie durch eine objektive Qualität der Dinge selbst hervorgebracht würde. Erst die Einstellung des einzelnen Objekts in eine vielgliedrige Produktion und nach allen Seiten hin aus- greifende Tauschbewegungen legt es nahe, seine wirtschaftliche Be- deutung in seiner Beziehung zu anderen Objekten, und so wechsel- seitig zu suchen; dies aber fällt mit der Ausbreitung der Geldwirtschaft zusammen. Dass der Sinn des wirtschaftlichen Objektes als solchen in dieser Relativität besteht und dass es der Sinn des Geldes ist, sich immer reiner zum Ausdruck dieser Relativität zu machen -- dies beides wird erst in Wechselwirkung dem Bewusstsein näher gebracht. Das Mittelalter nahm eine unmittelbare Beziehung zwischen dem Ob-
anderen Dingen besteht, wird ersichtlich durch die Variabilität dieser Verhältnisse am fühlbarsten, da jede partielle Verschiebung weitere Ausgleichsbewegungen zu fordern pflegt und so die Relativität innerhalb des Ganzen immer von neuem bewuſst macht. Indem das Geld nichts als der Ausdruck dieser Relativität ist, verstehen wir die anderwärts hervorgehobene Thatsache, daſs Geldbedarf mit dem Schwanken der Preise, Naturaltausch mit ihrer Fixiertheit in gewissem Zusammen- hange stehen.
Der so bestimmte reine Sinn des Geldes tritt ersichtlich sowohl theoretisch wie praktisch erst mit ausgebildeter Geldwirtschaft klarer hervor; der Träger, an dem dieser Sinn sich erst in allmählicher Ent- wicklung darstellt, hält das Geld ursprünglich noch in der Reihe der Objekte selbst zurück, deren bloſses Verhältnis es eigentlich zu sym- bolisieren bestimmt ist. Für die mittelalterliche Theorie ist der Wert etwas Objektives: sie verlangt vom Verkäufer, er solle den „gerechten“ Preis für seine Ware fordern, und sucht diesen gelegentlich durch Preis- taxen zu fixieren; jenseits der Verhältnisse von Käufer und Verkäufer haftete dem Dinge an und für sich sein Wert als eine Eigenschaft seiner isolierten Natur an, mit der es in den Tauschakt eintrat. Diese Vorstellung vom Werte — dem substanzial-absolutistischen Weltbild der Epoche entsprechend — liegt bei naturalwirtschaftlichen Verhält- nissen besonders nahe. Ein Stück Land für geleistete Dienste, eine Ziege für ein paar Schuhe, ein Kleinod für zwanzig Seelenmessen — das waren Dinge, an die sich gewisse Intensitäten des Wertgefühles so unmittelbar knüpften, daſs ihre Werte als objektiv einander entsprechend erscheinen konnten. Je unmittelbarer der Tausch stattfindet und in je einfacheren Verhältnissen — so daſs nicht erst eine Vielheit vergleichender Be- ziehungen dem Objekt seine Stellung zuweist — desto eher kann der Wert als eine eigene Bestimmtheit des Objektes erscheinen. Die ein- deutige Sicherheit, mit der man so den Austausch vollzog, spiegelte sich in der Vorstellung, daſs sie durch eine objektive Qualität der Dinge selbst hervorgebracht würde. Erst die Einstellung des einzelnen Objekts in eine vielgliedrige Produktion und nach allen Seiten hin aus- greifende Tauschbewegungen legt es nahe, seine wirtschaftliche Be- deutung in seiner Beziehung zu anderen Objekten, und so wechsel- seitig zu suchen; dies aber fällt mit der Ausbreitung der Geldwirtschaft zusammen. Daſs der Sinn des wirtschaftlichen Objektes als solchen in dieser Relativität besteht und daſs es der Sinn des Geldes ist, sich immer reiner zum Ausdruck dieser Relativität zu machen — dies beides wird erst in Wechselwirkung dem Bewuſstsein näher gebracht. Das Mittelalter nahm eine unmittelbare Beziehung zwischen dem Ob-
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[82/0106]
anderen Dingen besteht, wird ersichtlich durch die Variabilität dieser
Verhältnisse am fühlbarsten, da jede partielle Verschiebung weitere
Ausgleichsbewegungen zu fordern pflegt und so die Relativität innerhalb
des Ganzen immer von neuem bewuſst macht. Indem das Geld nichts
als der Ausdruck dieser Relativität ist, verstehen wir die anderwärts
hervorgehobene Thatsache, daſs Geldbedarf mit dem Schwanken der
Preise, Naturaltausch mit ihrer Fixiertheit in gewissem Zusammen-
hange stehen.
Der so bestimmte reine Sinn des Geldes tritt ersichtlich sowohl
theoretisch wie praktisch erst mit ausgebildeter Geldwirtschaft klarer
hervor; der Träger, an dem dieser Sinn sich erst in allmählicher Ent-
wicklung darstellt, hält das Geld ursprünglich noch in der Reihe der
Objekte selbst zurück, deren bloſses Verhältnis es eigentlich zu sym-
bolisieren bestimmt ist. Für die mittelalterliche Theorie ist der Wert
etwas Objektives: sie verlangt vom Verkäufer, er solle den „gerechten“
Preis für seine Ware fordern, und sucht diesen gelegentlich durch Preis-
taxen zu fixieren; jenseits der Verhältnisse von Käufer und Verkäufer
haftete dem Dinge an und für sich sein Wert als eine Eigenschaft
seiner isolierten Natur an, mit der es in den Tauschakt eintrat. Diese
Vorstellung vom Werte — dem substanzial-absolutistischen Weltbild
der Epoche entsprechend — liegt bei naturalwirtschaftlichen Verhält-
nissen besonders nahe. Ein Stück Land für geleistete Dienste, eine Ziege
für ein paar Schuhe, ein Kleinod für zwanzig Seelenmessen — das waren
Dinge, an die sich gewisse Intensitäten des Wertgefühles so unmittelbar
knüpften, daſs ihre Werte als objektiv einander entsprechend erscheinen
konnten. Je unmittelbarer der Tausch stattfindet und in je einfacheren
Verhältnissen — so daſs nicht erst eine Vielheit vergleichender Be-
ziehungen dem Objekt seine Stellung zuweist — desto eher kann der
Wert als eine eigene Bestimmtheit des Objektes erscheinen. Die ein-
deutige Sicherheit, mit der man so den Austausch vollzog, spiegelte
sich in der Vorstellung, daſs sie durch eine objektive Qualität der
Dinge selbst hervorgebracht würde. Erst die Einstellung des einzelnen
Objekts in eine vielgliedrige Produktion und nach allen Seiten hin aus-
greifende Tauschbewegungen legt es nahe, seine wirtschaftliche Be-
deutung in seiner Beziehung zu anderen Objekten, und so wechsel-
seitig zu suchen; dies aber fällt mit der Ausbreitung der Geldwirtschaft
zusammen. Daſs der Sinn des wirtschaftlichen Objektes als solchen
in dieser Relativität besteht und daſs es der Sinn des Geldes ist, sich
immer reiner zum Ausdruck dieser Relativität zu machen — dies
beides wird erst in Wechselwirkung dem Bewuſstsein näher gebracht.
Das Mittelalter nahm eine unmittelbare Beziehung zwischen dem Ob-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/106>, abgerufen am 23.11.2024.
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