Belebung der Industrie und des Marktes. Der Fortschritt darüber hinaus bestand in der Einsicht, dass die diesem Zwecke dienstbaren Werte der substanziellen Geldform nicht bedürften, vielmehr das un- mittelbare Produkt der Arbeit schon als solches den entscheidenden Wert darstellte. Das verhält sich ungefähr wie mit den Zielen früherer Politik: nur möglichst viel Land zu gewinnen und es mit möglichst viel Menschen zu "peuplieren": bis tief in das 18. Jahrhundert hinein fiel es kaum einem Staatsmann ein, dass die eigentliche nationale Grösse anders als durch den Gewinn von Land gefördert werden könnte. Die Berechtigung solcher Ziele unter gewissen historischen Umständen hat doch die Einsicht nicht verhindert, dass all diese substanzielle Fülle nur als Grundlage dynamischer Entwicklungen bedeutsam ist, dass diese letzteren aber schliesslich nur eine sehr begrenzte Unterlage jener Art fordern. Es hat sich gezeigt, dass für die Steigerung der Produktion und des Reichtums die physische Gegenwart des Geld- äquivalents immer entbehrlicher wird und dass, selbst wenn das "viele" Geld nicht mehr um seinethalben, sondern um bestimmter funktioneller Zwecke willen erstrebt wird, diese gleichsam in freischwebenden Prozessen, unter Ausschaltung jenes erreicht werden können -- wie insbesondere der moderne internationale Warenaustausch erweist. Die Bedeutung des Geldes, die relativen Werte der Waren auszudrücken, ist nach unseren obigen Ausführungen von einem an ihm bestehenden Eigenwert ganz unabhängig; wie es für eine Skala zur Messung von Raumgrössen gleichgültig ist, ob sie aus Eisen, Holz oder Glas besteht, weil nur das Verhältnis ihrer Teile zu einander, bezw. zu einer dritten Grösse, in Betracht kommt -- so hat die Skala, die das Geld für die Bestimmung von Werten darbietet, mit dem Charakter seiner Substanz nichts zu thun. In dieser seiner ideellen Bedeutung als Massstab und Ausdruck für den Wert von Waren ist es ganz ungeändert geblieben, während es als Zwischenware, Wertaufbewahrungs- und Werttransport- mittel seinen Charakter teils geändert hat, teils noch weiter zu ändern im Begriff steht: aus der Form der Unmittelbarkeit und Substanzialiät, in der es diese Obliegenheiten zuerst erfüllte, geht es in die ideelle über, d. h. es übt seine Wirkungen als blosse Idee, welche sich an irgend ein vertretendes Symbol knüpft.
Hiermit scheint sich die Entwicklung des Geldes in eine tief- gelegene Kulturtendenz einzuordnen. Man kann die verschiedenen Kulturschichten danach charakterisieren, inwieweit und an welchen Punkten sie zu den Gegenständen ihrer Interessen ein unmittelbares Verhältnis haben, und wo andrerseits sie sich der Vermittelung von Symbolen bedienen. Ob z. B. die religiösen Bedürfnisse durch sym-
Belebung der Industrie und des Marktes. Der Fortschritt darüber hinaus bestand in der Einsicht, daſs die diesem Zwecke dienstbaren Werte der substanziellen Geldform nicht bedürften, vielmehr das un- mittelbare Produkt der Arbeit schon als solches den entscheidenden Wert darstellte. Das verhält sich ungefähr wie mit den Zielen früherer Politik: nur möglichst viel Land zu gewinnen und es mit möglichst viel Menschen zu „peuplieren“: bis tief in das 18. Jahrhundert hinein fiel es kaum einem Staatsmann ein, daſs die eigentliche nationale Gröſse anders als durch den Gewinn von Land gefördert werden könnte. Die Berechtigung solcher Ziele unter gewissen historischen Umständen hat doch die Einsicht nicht verhindert, daſs all diese substanzielle Fülle nur als Grundlage dynamischer Entwicklungen bedeutsam ist, daſs diese letzteren aber schlieſslich nur eine sehr begrenzte Unterlage jener Art fordern. Es hat sich gezeigt, daſs für die Steigerung der Produktion und des Reichtums die physische Gegenwart des Geld- äquivalents immer entbehrlicher wird und daſs, selbst wenn das „viele“ Geld nicht mehr um seinethalben, sondern um bestimmter funktioneller Zwecke willen erstrebt wird, diese gleichsam in freischwebenden Prozessen, unter Ausschaltung jenes erreicht werden können — wie insbesondere der moderne internationale Warenaustausch erweist. Die Bedeutung des Geldes, die relativen Werte der Waren auszudrücken, ist nach unseren obigen Ausführungen von einem an ihm bestehenden Eigenwert ganz unabhängig; wie es für eine Skala zur Messung von Raumgröſsen gleichgültig ist, ob sie aus Eisen, Holz oder Glas besteht, weil nur das Verhältnis ihrer Teile zu einander, bezw. zu einer dritten Gröſse, in Betracht kommt — so hat die Skala, die das Geld für die Bestimmung von Werten darbietet, mit dem Charakter seiner Substanz nichts zu thun. In dieser seiner ideellen Bedeutung als Maſsstab und Ausdruck für den Wert von Waren ist es ganz ungeändert geblieben, während es als Zwischenware, Wertaufbewahrungs- und Werttransport- mittel seinen Charakter teils geändert hat, teils noch weiter zu ändern im Begriff steht: aus der Form der Unmittelbarkeit und Substanzialiät, in der es diese Obliegenheiten zuerst erfüllte, geht es in die ideelle über, d. h. es übt seine Wirkungen als bloſse Idee, welche sich an irgend ein vertretendes Symbol knüpft.
Hiermit scheint sich die Entwicklung des Geldes in eine tief- gelegene Kulturtendenz einzuordnen. Man kann die verschiedenen Kulturschichten danach charakterisieren, inwieweit und an welchen Punkten sie zu den Gegenständen ihrer Interessen ein unmittelbares Verhältnis haben, und wo andrerseits sie sich der Vermittelung von Symbolen bedienen. Ob z. B. die religiösen Bedürfnisse durch sym-
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Belebung der Industrie und des Marktes. Der Fortschritt darüber
hinaus bestand in der Einsicht, daſs die diesem Zwecke dienstbaren
Werte der substanziellen Geldform nicht bedürften, vielmehr das un-
mittelbare Produkt der Arbeit schon als solches den entscheidenden
Wert darstellte. Das verhält sich ungefähr wie mit den Zielen früherer
Politik: nur möglichst viel Land zu gewinnen und es mit möglichst
viel Menschen zu „peuplieren“: bis tief in das 18. Jahrhundert hinein
fiel es kaum einem Staatsmann ein, daſs die eigentliche nationale Gröſse
anders als durch den Gewinn von Land gefördert werden könnte. Die
Berechtigung solcher Ziele unter gewissen historischen Umständen hat
doch die Einsicht nicht verhindert, daſs all diese substanzielle Fülle
nur als Grundlage dynamischer Entwicklungen bedeutsam ist, daſs
diese letzteren aber schlieſslich nur eine sehr begrenzte Unterlage
jener Art fordern. Es hat sich gezeigt, daſs für die Steigerung der
Produktion und des Reichtums die physische Gegenwart des Geld-
äquivalents immer entbehrlicher wird und daſs, selbst wenn das „viele“
Geld nicht mehr um seinethalben, sondern um bestimmter funktioneller
Zwecke willen erstrebt wird, diese gleichsam in freischwebenden
Prozessen, unter Ausschaltung jenes erreicht werden können — wie
insbesondere der moderne internationale Warenaustausch erweist. Die
Bedeutung des Geldes, die relativen Werte der Waren auszudrücken,
ist nach unseren obigen Ausführungen von einem an ihm bestehenden
Eigenwert ganz unabhängig; wie es für eine Skala zur Messung von
Raumgröſsen gleichgültig ist, ob sie aus Eisen, Holz oder Glas besteht,
weil nur das Verhältnis ihrer Teile zu einander, bezw. zu einer dritten
Gröſse, in Betracht kommt — so hat die Skala, die das Geld für die
Bestimmung von Werten darbietet, mit dem Charakter seiner Substanz
nichts zu thun. In dieser seiner ideellen Bedeutung als Maſsstab und
Ausdruck für den Wert von Waren ist es ganz ungeändert geblieben,
während es als Zwischenware, Wertaufbewahrungs- und Werttransport-
mittel seinen Charakter teils geändert hat, teils noch weiter zu ändern
im Begriff steht: aus der Form der Unmittelbarkeit und Substanzialiät,
in der es diese Obliegenheiten zuerst erfüllte, geht es in die ideelle
über, d. h. es übt seine Wirkungen als bloſse Idee, welche sich an
irgend ein vertretendes Symbol knüpft.
Hiermit scheint sich die Entwicklung des Geldes in eine tief-
gelegene Kulturtendenz einzuordnen. Man kann die verschiedenen
Kulturschichten danach charakterisieren, inwieweit und an welchen
Punkten sie zu den Gegenständen ihrer Interessen ein unmittelbares
Verhältnis haben, und wo andrerseits sie sich der Vermittelung von
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/133>, abgerufen am 27.11.2024.
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