sind nicht wertvoll, sondern sie werden es -- denn dazu müssen sie fortwährend aus sich heraus und in Wechselwirkung mit anderen treten; es sind nur Wirkungen ihrer, an die sich ein Wertgefühl knüpft. Denn selbst wenn eine ästhetische Stimmung die Edelmetalle jenen objektiven Werten zurechnete, durch deren blosses Dasein, jen- seits alles Anerkannt- und Genossenwerdens, die Welt an und für sich wertvoller und bedeutsamer wird -- so würden sie doch mit diesem Werte keinesfalls in die Wirtschaft eintreten. Hier vielmehr bleibt aller Wert an ihre Leistung geheftet, und es ist eine bloss willkürliche und den wahren Sachverhalt verhüllende Ausdrucksweise, dass sie einen Substanzwert besässen, der von ihren Leistungen als Geld prinzipiell geschieden wäre; denn jener Substanzwert der Metalle ist gleichfalls Funktionswert, nur nicht der ihrer Funktionen als Geld. Alle Werte des Edelmetalls vielmehr bilden eine Reihe, die nichts anderes ist als eine Reihe von Funktionen. Dies verbirgt sich natürlich der Erkennt- nis um so mehr, je weniger lebhaft diese Funktionen in der Wirklich- keit sind. Die ganzen Bedenken des Mittelalters gegen das Zinsen- nehmen gehen darauf zurück, dass das Geld viel starrer, substanzieller, den Dingen geschlossener gegenüberstehend erschien und war, als in der Neuzeit, in der es vielmehr dynamisch, fliessend, sich anschmiegend wirkt und erscheint. Die Adoption der Aristotelischen Lehre: es sei unnatürlich, dass Geld Geld gebäre, und die Verurteilung des Zinses als Diebstahls, da ja das zurückerstattete Kapital schon so viel sei wie das entliehene; die Begründung eben desselben durch Alexander von Hales: dass das Geld sich doch durch den Gebrauch nicht abnütze und dass es nicht, wie die Objekte eines Mietsvertrages, dem Gläubiger einen Nutzen abwerfe; die Lehre des hl. Thomas, dass beim Geld, weil es von vornherein zum Weggeben bestimmt sei, Gebrauch und Verbrauch zusammenfielen und man deshalb jenen nicht, wie etwa bei einem Wohnhaus, gesondert verkaufen könne -- all diese Lehren zeigen, wie starr, den Fluktuationen des Lebens unverbunden, wie wenig als Produktivkraft das Geld erschien. Die thatsächliche Geringfügigkeit seiner Wirkungen verdeckte seinen funktionellen Charakter überhaupt. Das ist aber dasselbe Grundgefühl dem Gelde gegenüber, das sein Wesen an eine Metallsubstanz als solche gefesselt meint. Auch diese Meinung stellt es, wie das Mittelalter, den Bewegungen der wirtschaft- lichen Objekte als ein ens per se gegenüber, statt es in sie einzube- ziehen und zu erkennen, dass es, welches auch sein Träger sei, als Geld nicht sowohl eine Funktion hat, als eine Funktion ist.
Zu jener oberflächlichen Anschauung hat wohl das alte Schema mitgewirkt, das die Erscheinungen durchgehends in Substanzen und
sind nicht wertvoll, sondern sie werden es — denn dazu müssen sie fortwährend aus sich heraus und in Wechselwirkung mit anderen treten; es sind nur Wirkungen ihrer, an die sich ein Wertgefühl knüpft. Denn selbst wenn eine ästhetische Stimmung die Edelmetalle jenen objektiven Werten zurechnete, durch deren bloſses Dasein, jen- seits alles Anerkannt- und Genossenwerdens, die Welt an und für sich wertvoller und bedeutsamer wird — so würden sie doch mit diesem Werte keinesfalls in die Wirtschaft eintreten. Hier vielmehr bleibt aller Wert an ihre Leistung geheftet, und es ist eine bloſs willkürliche und den wahren Sachverhalt verhüllende Ausdrucksweise, daſs sie einen Substanzwert besäſsen, der von ihren Leistungen als Geld prinzipiell geschieden wäre; denn jener Substanzwert der Metalle ist gleichfalls Funktionswert, nur nicht der ihrer Funktionen als Geld. Alle Werte des Edelmetalls vielmehr bilden eine Reihe, die nichts anderes ist als eine Reihe von Funktionen. Dies verbirgt sich natürlich der Erkennt- nis um so mehr, je weniger lebhaft diese Funktionen in der Wirklich- keit sind. Die ganzen Bedenken des Mittelalters gegen das Zinsen- nehmen gehen darauf zurück, daſs das Geld viel starrer, substanzieller, den Dingen geschlossener gegenüberstehend erschien und war, als in der Neuzeit, in der es vielmehr dynamisch, flieſsend, sich anschmiegend wirkt und erscheint. Die Adoption der Aristotelischen Lehre: es sei unnatürlich, daſs Geld Geld gebäre, und die Verurteilung des Zinses als Diebstahls, da ja das zurückerstattete Kapital schon so viel sei wie das entliehene; die Begründung eben desselben durch Alexander von Hales: daſs das Geld sich doch durch den Gebrauch nicht abnütze und daſs es nicht, wie die Objekte eines Mietsvertrages, dem Gläubiger einen Nutzen abwerfe; die Lehre des hl. Thomas, daſs beim Geld, weil es von vornherein zum Weggeben bestimmt sei, Gebrauch und Verbrauch zusammenfielen und man deshalb jenen nicht, wie etwa bei einem Wohnhaus, gesondert verkaufen könne — all diese Lehren zeigen, wie starr, den Fluktuationen des Lebens unverbunden, wie wenig als Produktivkraft das Geld erschien. Die thatsächliche Geringfügigkeit seiner Wirkungen verdeckte seinen funktionellen Charakter überhaupt. Das ist aber dasselbe Grundgefühl dem Gelde gegenüber, das sein Wesen an eine Metallsubstanz als solche gefesselt meint. Auch diese Meinung stellt es, wie das Mittelalter, den Bewegungen der wirtschaft- lichen Objekte als ein ens per se gegenüber, statt es in sie einzube- ziehen und zu erkennen, daſs es, welches auch sein Träger sei, als Geld nicht sowohl eine Funktion hat, als eine Funktion ist.
Zu jener oberflächlichen Anschauung hat wohl das alte Schema mitgewirkt, das die Erscheinungen durchgehends in Substanzen und
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sind nicht wertvoll, sondern sie werden es — denn dazu müssen sie
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knüpft. Denn selbst wenn eine ästhetische Stimmung die Edelmetalle
jenen objektiven Werten zurechnete, durch deren bloſses Dasein, jen-
seits alles Anerkannt- und Genossenwerdens, die Welt an und für sich
wertvoller und bedeutsamer wird — so würden sie doch mit diesem
Werte keinesfalls in die Wirtschaft eintreten. Hier vielmehr bleibt
aller Wert an ihre Leistung geheftet, und es ist eine bloſs willkürliche
und den wahren Sachverhalt verhüllende Ausdrucksweise, daſs sie einen
Substanzwert besäſsen, der von ihren Leistungen als Geld prinzipiell
geschieden wäre; denn jener Substanzwert der Metalle ist gleichfalls
Funktionswert, nur nicht der ihrer Funktionen als Geld. Alle Werte
des Edelmetalls vielmehr bilden eine Reihe, die nichts anderes ist als
eine Reihe von Funktionen. Dies verbirgt sich natürlich der Erkennt-
nis um so mehr, je weniger lebhaft diese Funktionen in der Wirklich-
keit sind. Die ganzen Bedenken des Mittelalters gegen das Zinsen-
nehmen gehen darauf zurück, daſs das Geld viel starrer, substanzieller,
den Dingen geschlossener gegenüberstehend erschien und war, als in
der Neuzeit, in der es vielmehr dynamisch, flieſsend, sich anschmiegend
wirkt und erscheint. Die Adoption der Aristotelischen Lehre: es sei
unnatürlich, daſs Geld Geld gebäre, und die Verurteilung des Zinses
als Diebstahls, da ja das zurückerstattete Kapital schon so viel sei
wie das entliehene; die Begründung eben desselben durch Alexander
von Hales: daſs das Geld sich doch durch den Gebrauch nicht abnütze
und daſs es nicht, wie die Objekte eines Mietsvertrages, dem Gläubiger
einen Nutzen abwerfe; die Lehre des hl. Thomas, daſs beim Geld,
weil es von vornherein zum Weggeben bestimmt sei, Gebrauch und
Verbrauch zusammenfielen und man deshalb jenen nicht, wie etwa bei
einem Wohnhaus, gesondert verkaufen könne — all diese Lehren zeigen,
wie starr, den Fluktuationen des Lebens unverbunden, wie wenig als
Produktivkraft das Geld erschien. Die thatsächliche Geringfügigkeit
seiner Wirkungen verdeckte seinen funktionellen Charakter überhaupt.
Das ist aber dasselbe Grundgefühl dem Gelde gegenüber, das sein
Wesen an eine Metallsubstanz als solche gefesselt meint. Auch diese
Meinung stellt es, wie das Mittelalter, den Bewegungen der wirtschaft-
lichen Objekte als ein ens per se gegenüber, statt es in sie einzube-
ziehen und zu erkennen, daſs es, welches auch sein Träger sei, als
Geld nicht sowohl eine Funktion hat, als eine Funktion ist.
Zu jener oberflächlichen Anschauung hat wohl das alte Schema
mitgewirkt, das die Erscheinungen durchgehends in Substanzen und
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/161>, abgerufen am 21.11.2024.
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