wäre, bedeutet doch nur die Stockung der Zirkulation, die durch die Ängstlichkeit des Einzelnen, sich auch nur momentan von seinem Gelde zu trennen, veranlasst oder verstärkt ist. In normalen Zeiten lässt die Schnelligkeit der Zirkulation seine Substanz viel ausgedehnter er- scheinen, als sie in Wirklichkeit ist -- wie ein glühendes Fünkchen, das im Dunkeln rasch im Kreise bewegt wird, als ein ganzer glühender Kreis erscheint, -- um in dem Augenblick, wo seine Bewegung auf- hört, sofort wieder in seine substanzielle Minimität zusammenzuschmelzen. Am heftigsten tritt dies bei einem schlechten Gelde auf. Denn das Geld gehört in jene Kategorie von Erscheinungen, deren Wirksam- keit sich bei regulärer Form und Verlauf in angebbaren Grenzen und determiniertem Umfang hält, während sie bei Ablenkungen und Ver- schlimmerungen einen unübersehbaren und kaum begrenzten Schaden anrichten. Die Typen dafür sind die Mächte des Wassers und des Feuers. Da das gute Geld nicht mit so vielen Nebenwirkungen be- lastet ist wie das schlechte und deshalb nicht so viel Erwägungen, Vorsicht und sekundäre Massregeln bei seiner Benutzung verlangt, so kann es leichter und flüssiger als dieses kursieren. In je präziserer Form es die Dienste des blossen Geldes leistet, desto geringer braucht also seine Substanz zu sein, desto leichter ist sie durch seine Bewegung zu ersetzen. Auch kann die Vermehrung der Umsätze statt durch eine Vermehrung der kursierenden Geldsubstanz durch Verkleinerung der Stücke erzielt werden. Die Entwicklung der Münze geht im all- gemeinen von grossen zu kleinen Stücken und ich erwähne aus der- selben hier des bezeichnenden Falles: in England war lange Zeit der Farthing (gleich 0,12 gr Silber) das geringste Münzstück; erst von 1843 an wurden halbe Farthings geschlagen. Bis dahin waren also alle Werte, die unter ein Farthing galten, vom Geldverkehr aus- geschlossen, und für alle, die zwischen zwei ganzen Zahlen von Farthing standen, der Verkehr erschwert. Ein Reisender erzählt aus Abessinien (1882), wie ausserordentlich es den Handel behindere, dass nur eine ganz bestimmte Münze, der Maria-Theresia-Thaler von 1780, anerkannt werde, das Kleingeld aber so gut wie ganz fehle. Wenn jemand also für einen halben Thaler Gerste kaufen wolle, so müsse er für den Rest des Geldes irgend sonstige Gegenstände in Kauf nehmen. Wo- gegen aus Bornu in den sechziger Jahren von einem besonders leichten Verkehr berichtet wird, da der Wert jenes Thalers in c. 4000 Kauri- muscheln zerlegt sei und der Arme deshalb ein Geld für die kleinsten Warenmengen besitze. Freilich hat die Verkleinerung der Münze die Folge, dass nicht mehr so viel umsonst geleistet wird, das Leihen und Aushelfen, das in primitiven Verhältnissen Regel ist, fällt
wäre, bedeutet doch nur die Stockung der Zirkulation, die durch die Ängstlichkeit des Einzelnen, sich auch nur momentan von seinem Gelde zu trennen, veranlaſst oder verstärkt ist. In normalen Zeiten läſst die Schnelligkeit der Zirkulation seine Substanz viel ausgedehnter er- scheinen, als sie in Wirklichkeit ist — wie ein glühendes Fünkchen, das im Dunkeln rasch im Kreise bewegt wird, als ein ganzer glühender Kreis erscheint, — um in dem Augenblick, wo seine Bewegung auf- hört, sofort wieder in seine substanzielle Minimität zusammenzuschmelzen. Am heftigsten tritt dies bei einem schlechten Gelde auf. Denn das Geld gehört in jene Kategorie von Erscheinungen, deren Wirksam- keit sich bei regulärer Form und Verlauf in angebbaren Grenzen und determiniertem Umfang hält, während sie bei Ablenkungen und Ver- schlimmerungen einen unübersehbaren und kaum begrenzten Schaden anrichten. Die Typen dafür sind die Mächte des Wassers und des Feuers. Da das gute Geld nicht mit so vielen Nebenwirkungen be- lastet ist wie das schlechte und deshalb nicht so viel Erwägungen, Vorsicht und sekundäre Maſsregeln bei seiner Benutzung verlangt, so kann es leichter und flüssiger als dieses kursieren. In je präziserer Form es die Dienste des bloſsen Geldes leistet, desto geringer braucht also seine Substanz zu sein, desto leichter ist sie durch seine Bewegung zu ersetzen. Auch kann die Vermehrung der Umsätze statt durch eine Vermehrung der kursierenden Geldsubstanz durch Verkleinerung der Stücke erzielt werden. Die Entwicklung der Münze geht im all- gemeinen von groſsen zu kleinen Stücken und ich erwähne aus der- selben hier des bezeichnenden Falles: in England war lange Zeit der Farthing (gleich 0,12 gr Silber) das geringste Münzstück; erst von 1843 an wurden halbe Farthings geschlagen. Bis dahin waren also alle Werte, die unter ein Farthing galten, vom Geldverkehr aus- geschlossen, und für alle, die zwischen zwei ganzen Zahlen von Farthing standen, der Verkehr erschwert. Ein Reisender erzählt aus Abessinien (1882), wie auſserordentlich es den Handel behindere, daſs nur eine ganz bestimmte Münze, der Maria-Theresia-Thaler von 1780, anerkannt werde, das Kleingeld aber so gut wie ganz fehle. Wenn jemand also für einen halben Thaler Gerste kaufen wolle, so müsse er für den Rest des Geldes irgend sonstige Gegenstände in Kauf nehmen. Wo- gegen aus Bornu in den sechziger Jahren von einem besonders leichten Verkehr berichtet wird, da der Wert jenes Thalers in c. 4000 Kauri- muscheln zerlegt sei und der Arme deshalb ein Geld für die kleinsten Warenmengen besitze. Freilich hat die Verkleinerung der Münze die Folge, daſs nicht mehr so viel umsonst geleistet wird, das Leihen und Aushelfen, das in primitiven Verhältnissen Regel ist, fällt
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[171/0195]
wäre, bedeutet doch nur die Stockung der Zirkulation, die durch die
Ängstlichkeit des Einzelnen, sich auch nur momentan von seinem Gelde
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Schnelligkeit der Zirkulation seine Substanz viel ausgedehnter er-
scheinen, als sie in Wirklichkeit ist — wie ein glühendes Fünkchen,
das im Dunkeln rasch im Kreise bewegt wird, als ein ganzer glühender
Kreis erscheint, — um in dem Augenblick, wo seine Bewegung auf-
hört, sofort wieder in seine substanzielle Minimität zusammenzuschmelzen.
Am heftigsten tritt dies bei einem schlechten Gelde auf. Denn das
Geld gehört in jene Kategorie von Erscheinungen, deren Wirksam-
keit sich bei regulärer Form und Verlauf in angebbaren Grenzen und
determiniertem Umfang hält, während sie bei Ablenkungen und Ver-
schlimmerungen einen unübersehbaren und kaum begrenzten Schaden
anrichten. Die Typen dafür sind die Mächte des Wassers und des
Feuers. Da das gute Geld nicht mit so vielen Nebenwirkungen be-
lastet ist wie das schlechte und deshalb nicht so viel Erwägungen,
Vorsicht und sekundäre Maſsregeln bei seiner Benutzung verlangt, so
kann es leichter und flüssiger als dieses kursieren. In je präziserer
Form es die Dienste des bloſsen Geldes leistet, desto geringer braucht
also seine Substanz zu sein, desto leichter ist sie durch seine Bewegung
zu ersetzen. Auch kann die Vermehrung der Umsätze statt durch eine
Vermehrung der kursierenden Geldsubstanz durch Verkleinerung der
Stücke erzielt werden. Die Entwicklung der Münze geht im all-
gemeinen von groſsen zu kleinen Stücken und ich erwähne aus der-
selben hier des bezeichnenden Falles: in England war lange Zeit der
Farthing (gleich 0,12 gr Silber) das geringste Münzstück; erst von
1843 an wurden halbe Farthings geschlagen. Bis dahin waren also
alle Werte, die unter ein Farthing galten, vom Geldverkehr aus-
geschlossen, und für alle, die zwischen zwei ganzen Zahlen von Farthing
standen, der Verkehr erschwert. Ein Reisender erzählt aus Abessinien
(1882), wie auſserordentlich es den Handel behindere, daſs nur eine
ganz bestimmte Münze, der Maria-Theresia-Thaler von 1780, anerkannt
werde, das Kleingeld aber so gut wie ganz fehle. Wenn jemand also
für einen halben Thaler Gerste kaufen wolle, so müsse er für den
Rest des Geldes irgend sonstige Gegenstände in Kauf nehmen. Wo-
gegen aus Bornu in den sechziger Jahren von einem besonders leichten
Verkehr berichtet wird, da der Wert jenes Thalers in c. 4000 Kauri-
muscheln zerlegt sei und der Arme deshalb ein Geld für die kleinsten
Warenmengen besitze. Freilich hat die Verkleinerung der Münze
die Folge, daſs nicht mehr so viel umsonst geleistet wird, das
Leihen und Aushelfen, das in primitiven Verhältnissen Regel ist, fällt
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/195>, abgerufen am 21.11.2024.
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