fort, sobald für den allerkleinsten Dienst ein Geldäquivalent zur Ver- fügung steht und eben deshalb auch gefordert wird. Aber jene Hin- gabe ohne Äquivalent, die zuerst soziale Notwendigkeit, dann mora- lische Pflicht oder freie Freundlichkeit ist, bedeutet noch keine eigent- liche und entwicklungsfähige Wirtschaft, so wenig wie umgekehrt der Raub. Zu dieser wird die Hingabe erst mit der Objektivation des Verkehrs und seiner Gegenstände. Jenes subjektive Verfahren ist sicher von hohem, auch ökonomischem Werte -- aber es setzt der Wirtschaft sehr enge Grenzen; und diese können erst durch die Mass- regeln gesprengt werden, die freilich jene Werte unmittelbar ver- nichten und zu denen die Einführung möglichst kleiner Münze gehört. Die Verflüchtigung des Geldstoffes sozusagen in Atome hebt den Ver- kehr ausserordentlich; indem sie das Tempo der Geldumsätze beschleu- nigt, vermehrt sie ihre Zahl; d. h. also, die bestimmte Art, in der das Geld funktioniert, ist im stande, die quantitativen Mehrungen seiner Substanz zu ersetzen.
Auch haben nun endlich gewisse Leistungen des Geldes von vorn- herein einen Sinn, der dem Wesen einer Substanz heterogen ist. Es gehört zu den Funktionen des Geldes, die ökonomische Bedeutung der Dinge in der ihm eigenen Sprache nicht nur überhaupt darzustellen, sondern zu kondensieren. In der Einheit der Geldsumme, mit der ein Gegenstand bezahlt wird, verdichten sich ebenso die Werte aller, viel- leicht durch einen langen Zeitraum hin erstreckten Momente seiner Nutzniessung, wie die Sonderwerte seiner räumlich auseinanderliegen- den Teile, wie die Werte aller vorbereitenden und in ihm mündenden Kräfte und Substanzen. Ein Geldpreis, aus wie vielen Münzeinheiten er auch bestehe, wirkt doch als eine Einheit; dank der völligen Un- unterscheidbarkeit seiner Teile, die seinen Sinn ausschliesslich in seiner quantitativen Höhe bestehen lässt, bilden diese Teile eine so völlige Einheit, wie sie auf praktischem Gebiet sonst kaum besteht. Wenn man selbst von einem hochwertigen und vielverzweigten Objekt, etwa einem Landgut, sagt, es gelte eine halbe Million Mark, so wird durch diese Summe, auf wie viele einzelne Voraussetzungen und Erwägungen sie sich auch fundamentiere, doch der Wert des Gutes in einen ganz einheitlichen Begriff zusammengezogen, nicht anders, als wenn man eine auch in sich einheitliche Sache durch einen in sich einheitlichen Münzbegriff schätzt, also etwa: eine Arbeitsstunde gelte eine Mark. Man könnte dies höchstens mit der Einheit des Begriffes vergleichen, der das Wesentliche einer Anzahl individueller Gestaltungen zusammen- schliesst; wenn ich z. B. den Allgemeinbegriff Baum bilde, so liegen die Merkmale desselben, die ich aus ihren sehr verschiedenartigen
fort, sobald für den allerkleinsten Dienst ein Geldäquivalent zur Ver- fügung steht und eben deshalb auch gefordert wird. Aber jene Hin- gabe ohne Äquivalent, die zuerst soziale Notwendigkeit, dann mora- lische Pflicht oder freie Freundlichkeit ist, bedeutet noch keine eigent- liche und entwicklungsfähige Wirtschaft, so wenig wie umgekehrt der Raub. Zu dieser wird die Hingabe erst mit der Objektivation des Verkehrs und seiner Gegenstände. Jenes subjektive Verfahren ist sicher von hohem, auch ökonomischem Werte — aber es setzt der Wirtschaft sehr enge Grenzen; und diese können erst durch die Maſs- regeln gesprengt werden, die freilich jene Werte unmittelbar ver- nichten und zu denen die Einführung möglichst kleiner Münze gehört. Die Verflüchtigung des Geldstoffes sozusagen in Atome hebt den Ver- kehr auſserordentlich; indem sie das Tempo der Geldumsätze beschleu- nigt, vermehrt sie ihre Zahl; d. h. also, die bestimmte Art, in der das Geld funktioniert, ist im stande, die quantitativen Mehrungen seiner Substanz zu ersetzen.
Auch haben nun endlich gewisse Leistungen des Geldes von vorn- herein einen Sinn, der dem Wesen einer Substanz heterogen ist. Es gehört zu den Funktionen des Geldes, die ökonomische Bedeutung der Dinge in der ihm eigenen Sprache nicht nur überhaupt darzustellen, sondern zu kondensieren. In der Einheit der Geldsumme, mit der ein Gegenstand bezahlt wird, verdichten sich ebenso die Werte aller, viel- leicht durch einen langen Zeitraum hin erstreckten Momente seiner Nutznieſsung, wie die Sonderwerte seiner räumlich auseinanderliegen- den Teile, wie die Werte aller vorbereitenden und in ihm mündenden Kräfte und Substanzen. Ein Geldpreis, aus wie vielen Münzeinheiten er auch bestehe, wirkt doch als eine Einheit; dank der völligen Un- unterscheidbarkeit seiner Teile, die seinen Sinn ausschlieſslich in seiner quantitativen Höhe bestehen läſst, bilden diese Teile eine so völlige Einheit, wie sie auf praktischem Gebiet sonst kaum besteht. Wenn man selbst von einem hochwertigen und vielverzweigten Objekt, etwa einem Landgut, sagt, es gelte eine halbe Million Mark, so wird durch diese Summe, auf wie viele einzelne Voraussetzungen und Erwägungen sie sich auch fundamentiere, doch der Wert des Gutes in einen ganz einheitlichen Begriff zusammengezogen, nicht anders, als wenn man eine auch in sich einheitliche Sache durch einen in sich einheitlichen Münzbegriff schätzt, also etwa: eine Arbeitsstunde gelte eine Mark. Man könnte dies höchstens mit der Einheit des Begriffes vergleichen, der das Wesentliche einer Anzahl individueller Gestaltungen zusammen- schlieſst; wenn ich z. B. den Allgemeinbegriff Baum bilde, so liegen die Merkmale desselben, die ich aus ihren sehr verschiedenartigen
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fort, sobald für den allerkleinsten Dienst ein Geldäquivalent zur Ver-
fügung steht und eben deshalb auch gefordert wird. Aber jene Hin-
gabe ohne Äquivalent, die zuerst soziale Notwendigkeit, dann mora-
lische Pflicht oder freie Freundlichkeit ist, bedeutet noch keine eigent-
liche und entwicklungsfähige Wirtschaft, so wenig wie umgekehrt der
Raub. Zu dieser wird die Hingabe erst mit der Objektivation des
Verkehrs und seiner Gegenstände. Jenes subjektive Verfahren ist
sicher von hohem, auch ökonomischem Werte — aber es setzt der
Wirtschaft sehr enge Grenzen; und diese können erst durch die Maſs-
regeln gesprengt werden, die freilich jene Werte unmittelbar ver-
nichten und zu denen die Einführung möglichst kleiner Münze gehört.
Die Verflüchtigung des Geldstoffes sozusagen in Atome hebt den Ver-
kehr auſserordentlich; indem sie das Tempo der Geldumsätze beschleu-
nigt, vermehrt sie ihre Zahl; d. h. also, die bestimmte Art, in der das
Geld funktioniert, ist im stande, die quantitativen Mehrungen seiner
Substanz zu ersetzen.
Auch haben nun endlich gewisse Leistungen des Geldes von vorn-
herein einen Sinn, der dem Wesen einer Substanz heterogen ist. Es
gehört zu den Funktionen des Geldes, die ökonomische Bedeutung der
Dinge in der ihm eigenen Sprache nicht nur überhaupt darzustellen,
sondern zu kondensieren. In der Einheit der Geldsumme, mit der ein
Gegenstand bezahlt wird, verdichten sich ebenso die Werte aller, viel-
leicht durch einen langen Zeitraum hin erstreckten Momente seiner
Nutznieſsung, wie die Sonderwerte seiner räumlich auseinanderliegen-
den Teile, wie die Werte aller vorbereitenden und in ihm mündenden
Kräfte und Substanzen. Ein Geldpreis, aus wie vielen Münzeinheiten
er auch bestehe, wirkt doch als eine Einheit; dank der völligen Un-
unterscheidbarkeit seiner Teile, die seinen Sinn ausschlieſslich in seiner
quantitativen Höhe bestehen läſst, bilden diese Teile eine so völlige
Einheit, wie sie auf praktischem Gebiet sonst kaum besteht. Wenn
man selbst von einem hochwertigen und vielverzweigten Objekt, etwa
einem Landgut, sagt, es gelte eine halbe Million Mark, so wird durch
diese Summe, auf wie viele einzelne Voraussetzungen und Erwägungen
sie sich auch fundamentiere, doch der Wert des Gutes in einen ganz
einheitlichen Begriff zusammengezogen, nicht anders, als wenn man
eine auch in sich einheitliche Sache durch einen in sich einheitlichen
Münzbegriff schätzt, also etwa: eine Arbeitsstunde gelte eine Mark.
Man könnte dies höchstens mit der Einheit des Begriffes vergleichen,
der das Wesentliche einer Anzahl individueller Gestaltungen zusammen-
schlieſst; wenn ich z. B. den Allgemeinbegriff Baum bilde, so liegen
die Merkmale desselben, die ich aus ihren sehr verschiedenartigen
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/196>, abgerufen am 21.11.2024.
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