qualität, bestimmten, ihnen vorenthaltenen Berufen, der Persönlichkeits- entfaltung ausgeschlossen ist. Denn weil das Geld zwar blosses Mittel, dieses aber auch in absolutem Masse ist, und so jede Präjudizierung durch irgend eine sachliche Bestimmtheit ablehnt, so ist es ebenso der unbedingte terminus a quo zu allem hin, wie es der unbedingte ter- minus ad quem von allem her ist. Darum treten ganz entsprechende Erscheinungen auf, wo kein Ausschluss einer Gruppenabteilung von den Zweckreihen der anderen vorliegt, sondern die gleiche teleologische Formung sich auf die ganze Gruppe erstreckt. Von den Spartanern, denen alle eigentlich ökonomischen Interessen untersagt waren, wird doch eine auffallende Geldiger berichtet. Es scheint, dass die Leiden- schaft nach einem persönlichen Besitz, dessen Verteilung die lykur- gische Verfassung unpraktisch geordnet hatte, grade da herausbrach, wo er am wenigsten spezifischen Charakter trug und seine Einschränkung also am undurchführbarsten war. Auch wird erwähnt, dass in Bezug auf den realen Genuss des Besitzes in Sparta lange kein Unterschied zwischen Arm und Reich war, dass die Reichen nicht besser lebten als die Armen: um so mehr musste sich die Pleonexie auf den blossen Besitz des Geldes werfen! Auf ganz andere Momente hin ist die gleiche Grundkonstellation wirksam, wenn ein Fragment des Ephoros besagt, Ägina wäre deshalb ein solcher Haupthandelsplatz geworden, weil die Unfruchtbarkeit des Bodens die Einwohner auf den Handel hin- gewiesen hätte -- und Ägina war die erste Stelle im eigentlichen Hellas, wo überhaupt Geldmünzen geprägt wurden! Weil das Geld der ge- meinsame Schnittpunkt der Zweckreihen ist, die von jedem Punkt der ökonomischen Welt zu jedem anderen laufen, so nimmt es Jeder von Jedem. Zu der Zeit, als der Fluch der "Unehrlichkeit" am schwersten auf bestimmten Berufen lastete, nahm man dennoch Geld sogar vom Henker, wenngleich man möglichst einen Ehrlichen suchte, von dem man es zuerst anfassen liess! Von der Einsicht in diese alles über- windende Macht aus verteidigte Macaulay die Emanzipation der Juden damit, dass es ein Widersinn wäre, ihnen die politischen Rechte vor- zuenthalten, da sie vermöge ihres Geldes die Substanz derselben doch besässen. Sie könnten Wähler kaufen, Könige lenken, als Gläubiger ihre Schuldner beherrschen, so dass politische Rechte nichts als die formale Vollendung von dem wären, was sie schon hätten. Um ihnen das politische Recht wirklich zu nehmen, müsste man sie ermorden und berauben; liesse man ihnen aber ihr Geld, so we may take away the shadow, but we must leave them the substance -- ein für die teleo- logische Drehung des Geldbegriffes höchst charakteristischer Ausdruck; denn rein inhaltlich möchte man die soziale, politische, personale Po-
qualität, bestimmten, ihnen vorenthaltenen Berufen, der Persönlichkeits- entfaltung ausgeschlossen ist. Denn weil das Geld zwar bloſses Mittel, dieses aber auch in absolutem Maſse ist, und so jede Präjudizierung durch irgend eine sachliche Bestimmtheit ablehnt, so ist es ebenso der unbedingte terminus a quo zu allem hin, wie es der unbedingte ter- minus ad quem von allem her ist. Darum treten ganz entsprechende Erscheinungen auf, wo kein Ausschluſs einer Gruppenabteilung von den Zweckreihen der anderen vorliegt, sondern die gleiche teleologische Formung sich auf die ganze Gruppe erstreckt. Von den Spartanern, denen alle eigentlich ökonomischen Interessen untersagt waren, wird doch eine auffallende Geldiger berichtet. Es scheint, daſs die Leiden- schaft nach einem persönlichen Besitz, dessen Verteilung die lykur- gische Verfassung unpraktisch geordnet hatte, grade da herausbrach, wo er am wenigsten spezifischen Charakter trug und seine Einschränkung also am undurchführbarsten war. Auch wird erwähnt, daſs in Bezug auf den realen Genuſs des Besitzes in Sparta lange kein Unterschied zwischen Arm und Reich war, daſs die Reichen nicht besser lebten als die Armen: um so mehr muſste sich die Pleonexie auf den bloſsen Besitz des Geldes werfen! Auf ganz andere Momente hin ist die gleiche Grundkonstellation wirksam, wenn ein Fragment des Ephoros besagt, Ägina wäre deshalb ein solcher Haupthandelsplatz geworden, weil die Unfruchtbarkeit des Bodens die Einwohner auf den Handel hin- gewiesen hätte — und Ägina war die erste Stelle im eigentlichen Hellas, wo überhaupt Geldmünzen geprägt wurden! Weil das Geld der ge- meinsame Schnittpunkt der Zweckreihen ist, die von jedem Punkt der ökonomischen Welt zu jedem anderen laufen, so nimmt es Jeder von Jedem. Zu der Zeit, als der Fluch der „Unehrlichkeit“ am schwersten auf bestimmten Berufen lastete, nahm man dennoch Geld sogar vom Henker, wenngleich man möglichst einen Ehrlichen suchte, von dem man es zuerst anfassen lieſs! Von der Einsicht in diese alles über- windende Macht aus verteidigte Macaulay die Emanzipation der Juden damit, daſs es ein Widersinn wäre, ihnen die politischen Rechte vor- zuenthalten, da sie vermöge ihres Geldes die Substanz derselben doch besäſsen. Sie könnten Wähler kaufen, Könige lenken, als Gläubiger ihre Schuldner beherrschen, so daſs politische Rechte nichts als die formale Vollendung von dem wären, was sie schon hätten. Um ihnen das politische Recht wirklich zu nehmen, müſste man sie ermorden und berauben; lieſse man ihnen aber ihr Geld, so we may take away the shadow, but we must leave them the substance — ein für die teleo- logische Drehung des Geldbegriffes höchst charakteristischer Ausdruck; denn rein inhaltlich möchte man die soziale, politische, personale Po-
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qualität, bestimmten, ihnen vorenthaltenen Berufen, der Persönlichkeits-
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dieses aber auch in absolutem Maſse ist, und so jede Präjudizierung
durch irgend eine sachliche Bestimmtheit ablehnt, so ist es ebenso der
unbedingte terminus a quo zu allem hin, wie es der unbedingte ter-
minus ad quem von allem her ist. Darum treten ganz entsprechende
Erscheinungen auf, wo kein Ausschluſs einer Gruppenabteilung von
den Zweckreihen der anderen vorliegt, sondern die gleiche teleologische
Formung sich auf die ganze Gruppe erstreckt. Von den Spartanern,
denen alle eigentlich ökonomischen Interessen untersagt waren, wird
doch eine auffallende Geldiger berichtet. Es scheint, daſs die Leiden-
schaft nach einem persönlichen Besitz, dessen Verteilung die lykur-
gische Verfassung unpraktisch geordnet hatte, grade da herausbrach,
wo er am wenigsten spezifischen Charakter trug und seine Einschränkung
also am undurchführbarsten war. Auch wird erwähnt, daſs in Bezug
auf den realen Genuſs des Besitzes in Sparta lange kein Unterschied
zwischen Arm und Reich war, daſs die Reichen nicht besser lebten
als die Armen: um so mehr muſste sich die Pleonexie auf den bloſsen
Besitz des Geldes werfen! Auf ganz andere Momente hin ist die
gleiche Grundkonstellation wirksam, wenn ein Fragment des Ephoros
besagt, Ägina wäre deshalb ein solcher Haupthandelsplatz geworden,
weil die Unfruchtbarkeit des Bodens die Einwohner auf den Handel hin-
gewiesen hätte — und Ägina war die erste Stelle im eigentlichen Hellas,
wo überhaupt Geldmünzen geprägt wurden! Weil das Geld der ge-
meinsame Schnittpunkt der Zweckreihen ist, die von jedem Punkt der
ökonomischen Welt zu jedem anderen laufen, so nimmt es Jeder von
Jedem. Zu der Zeit, als der Fluch der „Unehrlichkeit“ am schwersten
auf bestimmten Berufen lastete, nahm man dennoch Geld sogar vom
Henker, wenngleich man möglichst einen Ehrlichen suchte, von dem
man es zuerst anfassen lieſs! Von der Einsicht in diese alles über-
windende Macht aus verteidigte Macaulay die Emanzipation der Juden
damit, daſs es ein Widersinn wäre, ihnen die politischen Rechte vor-
zuenthalten, da sie vermöge ihres Geldes die Substanz derselben doch
besäſsen. Sie könnten Wähler kaufen, Könige lenken, als Gläubiger
ihre Schuldner beherrschen, so daſs politische Rechte nichts als die
formale Vollendung von dem wären, was sie schon hätten. Um ihnen
das politische Recht wirklich zu nehmen, müſste man sie ermorden
und berauben; lieſse man ihnen aber ihr Geld, so we may take away
the shadow, but we must leave them the substance — ein für die teleo-
logische Drehung des Geldbegriffes höchst charakteristischer Ausdruck;
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/230>, abgerufen am 23.11.2024.
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