Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

Bild:
<< vorherige Seite

stehung grosser Vermögen als mit nicht ganz rechten Dingen zu-
gegangen und ihre Besitzer als etwas unheimliche Persönlichkeiten zu
denken pflegt: über den Ursprung des Vermögens der Grimaldi,
der Medici, der Rothschild waren die ärgsten Schauermärchen ver-
breitet, und zwar nicht nur im Sinne moralischer Zweideutigkeit,
sondern in abergläubischer Weise, als wäre eine dämonische Macht
im Spiel.

Indem die auseinandergesetzte Art des im Geld verkörperten
Könnens ihm ein sublimiertes Machtgefühl grade vor seinem Aus-
gegebenwerden zuwachsen lässt -- der "fruchtbare Moment" ist in
ihm gleichsam zum Stehen gekommen --, ist der Geiz eine Gestal-
tung des Willens zur Macht und zwar, den Charakter des Geldes als
des absoluten Mittels beleuchtend, so, dass die Macht wirklich nur
Macht bleibt und sich nicht in ihre Ausübungen und deren Genuss
umsetzt. Dies ist ein wichtiges Erklärungsmoment für den Geiz des
hohen Lebensalters. Gewiss ist diese Tendenz als Fürsorge für die
nächste Generation zweckmässig -- so wenig dieses Motiv grade dem
Geizhals bewusst zu sein pflegt, der vielmehr, je älter er wird, um so
weniger an die Trennung von seinen Schätzen denken mag. Subjek-
tiv ist vielmehr wohl der Umstand wesentlich, dass im Alter einerseits
die sinnlichen Seiten des Lebens ihren Reiz oder die Möglichkeit des
Genossenwerdens verlieren, andrerseits die Ideale durch Enttäuschungen
und Mangel an Schwung ihre erregende Kraft einbüssen; so bleibt als
letztes Willensziel und Lebensreiz oft nur noch die Macht übrig, die
sich zum Teil in der Neigung des Alters, zu tyrannisieren, offenbart,
und darin, dass Personen höherer Stellungen im Alter oft eine krank-
hafte Sucht nach "Einfluss" zeigen; zum Teil aber im Geize, für den
eben dieselbe abstrakte "Macht" sich im Geldbesitz verkörpert. Ich
halte es für einen Irrtum, wenn man sich jeden Geizigen mit der
Ausmalung aller ihm zur Verfügung stehenden Genüsse, all der reiz-
vollen Verwendungsmöglichkeiten des Geldes beschäftigt denkt. Die
reinste Form des Geizes ist vielmehr die, in der der Wille wirklich
nicht über das Geld hinausgeht, es auch nicht einmal im spielenden
Gedanken als Mittel für Anderes behandelt, sondern die Macht, die es
grade als nicht ausgegebenes repräsentiert, als definitiven und absolut
befriedigenden Wert empfindet. Für den Geizigen liegen alle sonstigen
Güter in der Peripherie des Daseins und von jedem derselben führt
ein eindeutig gerichteter Radius seinem Zentrum, dem Gelde, zu, und
es hiesse das ganze spezifische Lust- und Machtgefühl verkennen, wenn
man diese Richtung umdrehen und sie von ihrem Endpunkt auch
nur innerlich wieder auf die Peripherie zurückleiten wollte. Denn

stehung groſser Vermögen als mit nicht ganz rechten Dingen zu-
gegangen und ihre Besitzer als etwas unheimliche Persönlichkeiten zu
denken pflegt: über den Ursprung des Vermögens der Grimaldi,
der Medici, der Rothschild waren die ärgsten Schauermärchen ver-
breitet, und zwar nicht nur im Sinne moralischer Zweideutigkeit,
sondern in abergläubischer Weise, als wäre eine dämonische Macht
im Spiel.

Indem die auseinandergesetzte Art des im Geld verkörperten
Könnens ihm ein sublimiertes Machtgefühl grade vor seinem Aus-
gegebenwerden zuwachsen läſst — der „fruchtbare Moment“ ist in
ihm gleichsam zum Stehen gekommen —, ist der Geiz eine Gestal-
tung des Willens zur Macht und zwar, den Charakter des Geldes als
des absoluten Mittels beleuchtend, so, daſs die Macht wirklich nur
Macht bleibt und sich nicht in ihre Ausübungen und deren Genuſs
umsetzt. Dies ist ein wichtiges Erklärungsmoment für den Geiz des
hohen Lebensalters. Gewiſs ist diese Tendenz als Fürsorge für die
nächste Generation zweckmäſsig — so wenig dieses Motiv grade dem
Geizhals bewuſst zu sein pflegt, der vielmehr, je älter er wird, um so
weniger an die Trennung von seinen Schätzen denken mag. Subjek-
tiv ist vielmehr wohl der Umstand wesentlich, daſs im Alter einerseits
die sinnlichen Seiten des Lebens ihren Reiz oder die Möglichkeit des
Genossenwerdens verlieren, andrerseits die Ideale durch Enttäuschungen
und Mangel an Schwung ihre erregende Kraft einbüſsen; so bleibt als
letztes Willensziel und Lebensreiz oft nur noch die Macht übrig, die
sich zum Teil in der Neigung des Alters, zu tyrannisieren, offenbart,
und darin, daſs Personen höherer Stellungen im Alter oft eine krank-
hafte Sucht nach „Einfluſs“ zeigen; zum Teil aber im Geize, für den
eben dieselbe abstrakte „Macht“ sich im Geldbesitz verkörpert. Ich
halte es für einen Irrtum, wenn man sich jeden Geizigen mit der
Ausmalung aller ihm zur Verfügung stehenden Genüsse, all der reiz-
vollen Verwendungsmöglichkeiten des Geldes beschäftigt denkt. Die
reinste Form des Geizes ist vielmehr die, in der der Wille wirklich
nicht über das Geld hinausgeht, es auch nicht einmal im spielenden
Gedanken als Mittel für Anderes behandelt, sondern die Macht, die es
grade als nicht ausgegebenes repräsentiert, als definitiven und absolut
befriedigenden Wert empfindet. Für den Geizigen liegen alle sonstigen
Güter in der Peripherie des Daseins und von jedem derselben führt
ein eindeutig gerichteter Radius seinem Zentrum, dem Gelde, zu, und
es hieſse das ganze spezifische Lust- und Machtgefühl verkennen, wenn
man diese Richtung umdrehen und sie von ihrem Endpunkt auch
nur innerlich wieder auf die Peripherie zurückleiten wollte. Denn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0258" n="234"/>
stehung gro&#x017F;ser Vermögen als mit nicht ganz rechten Dingen zu-<lb/>
gegangen und ihre Besitzer als etwas unheimliche Persönlichkeiten zu<lb/>
denken pflegt: über den Ursprung des Vermögens der Grimaldi,<lb/>
der Medici, der Rothschild waren die ärgsten Schauermärchen ver-<lb/>
breitet, und zwar nicht nur im Sinne moralischer Zweideutigkeit,<lb/>
sondern in abergläubischer Weise, als wäre eine dämonische Macht<lb/>
im Spiel.</p><lb/>
            <p>Indem die auseinandergesetzte Art des im Geld verkörperten<lb/>
Könnens ihm ein sublimiertes Machtgefühl grade <hi rendition="#g">vor</hi> seinem Aus-<lb/>
gegebenwerden zuwachsen lä&#x017F;st &#x2014; der &#x201E;fruchtbare Moment&#x201C; ist in<lb/>
ihm gleichsam zum Stehen gekommen &#x2014;, ist der Geiz eine Gestal-<lb/>
tung des Willens zur Macht und zwar, den Charakter des Geldes als<lb/>
des absoluten Mittels beleuchtend, so, da&#x017F;s die Macht wirklich nur<lb/>
Macht bleibt und sich nicht in ihre Ausübungen und deren Genu&#x017F;s<lb/>
umsetzt. Dies ist ein wichtiges Erklärungsmoment für den Geiz des<lb/>
hohen Lebensalters. Gewi&#x017F;s ist diese Tendenz als Fürsorge für die<lb/>
nächste Generation zweckmä&#x017F;sig &#x2014; so wenig dieses Motiv grade dem<lb/>
Geizhals bewu&#x017F;st zu sein pflegt, der vielmehr, je älter er wird, um so<lb/>
weniger an die Trennung von seinen Schätzen denken mag. Subjek-<lb/>
tiv ist vielmehr wohl der Umstand wesentlich, da&#x017F;s im Alter einerseits<lb/>
die sinnlichen Seiten des Lebens ihren Reiz oder die Möglichkeit des<lb/>
Genossenwerdens verlieren, andrerseits die Ideale durch Enttäuschungen<lb/>
und Mangel an Schwung ihre erregende Kraft einbü&#x017F;sen; so bleibt als<lb/>
letztes Willensziel und Lebensreiz oft nur noch die Macht übrig, die<lb/>
sich zum Teil in der Neigung des Alters, zu tyrannisieren, offenbart,<lb/>
und darin, da&#x017F;s Personen höherer Stellungen im Alter oft eine krank-<lb/>
hafte Sucht nach &#x201E;Einflu&#x017F;s&#x201C; zeigen; zum Teil aber im Geize, für den<lb/>
eben dieselbe abstrakte &#x201E;Macht&#x201C; sich im Geldbesitz verkörpert. Ich<lb/>
halte es für einen Irrtum, wenn man sich jeden Geizigen mit der<lb/>
Ausmalung aller ihm zur Verfügung stehenden Genüsse, all der reiz-<lb/>
vollen Verwendungsmöglichkeiten des Geldes beschäftigt denkt. Die<lb/>
reinste Form des Geizes ist vielmehr die, in der der Wille wirklich<lb/>
nicht über das Geld hinausgeht, es auch nicht einmal im spielenden<lb/>
Gedanken als Mittel für Anderes behandelt, sondern die Macht, die es<lb/>
grade als nicht ausgegebenes repräsentiert, als definitiven und absolut<lb/>
befriedigenden Wert empfindet. Für den Geizigen liegen alle sonstigen<lb/>
Güter in der Peripherie des Daseins und von jedem derselben führt<lb/>
ein eindeutig gerichteter Radius seinem Zentrum, dem Gelde, zu, und<lb/>
es hie&#x017F;se das ganze spezifische Lust- und Machtgefühl verkennen, wenn<lb/>
man diese Richtung umdrehen und sie von ihrem Endpunkt auch<lb/>
nur innerlich wieder auf die Peripherie zurückleiten wollte. Denn<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0258] stehung groſser Vermögen als mit nicht ganz rechten Dingen zu- gegangen und ihre Besitzer als etwas unheimliche Persönlichkeiten zu denken pflegt: über den Ursprung des Vermögens der Grimaldi, der Medici, der Rothschild waren die ärgsten Schauermärchen ver- breitet, und zwar nicht nur im Sinne moralischer Zweideutigkeit, sondern in abergläubischer Weise, als wäre eine dämonische Macht im Spiel. Indem die auseinandergesetzte Art des im Geld verkörperten Könnens ihm ein sublimiertes Machtgefühl grade vor seinem Aus- gegebenwerden zuwachsen läſst — der „fruchtbare Moment“ ist in ihm gleichsam zum Stehen gekommen —, ist der Geiz eine Gestal- tung des Willens zur Macht und zwar, den Charakter des Geldes als des absoluten Mittels beleuchtend, so, daſs die Macht wirklich nur Macht bleibt und sich nicht in ihre Ausübungen und deren Genuſs umsetzt. Dies ist ein wichtiges Erklärungsmoment für den Geiz des hohen Lebensalters. Gewiſs ist diese Tendenz als Fürsorge für die nächste Generation zweckmäſsig — so wenig dieses Motiv grade dem Geizhals bewuſst zu sein pflegt, der vielmehr, je älter er wird, um so weniger an die Trennung von seinen Schätzen denken mag. Subjek- tiv ist vielmehr wohl der Umstand wesentlich, daſs im Alter einerseits die sinnlichen Seiten des Lebens ihren Reiz oder die Möglichkeit des Genossenwerdens verlieren, andrerseits die Ideale durch Enttäuschungen und Mangel an Schwung ihre erregende Kraft einbüſsen; so bleibt als letztes Willensziel und Lebensreiz oft nur noch die Macht übrig, die sich zum Teil in der Neigung des Alters, zu tyrannisieren, offenbart, und darin, daſs Personen höherer Stellungen im Alter oft eine krank- hafte Sucht nach „Einfluſs“ zeigen; zum Teil aber im Geize, für den eben dieselbe abstrakte „Macht“ sich im Geldbesitz verkörpert. Ich halte es für einen Irrtum, wenn man sich jeden Geizigen mit der Ausmalung aller ihm zur Verfügung stehenden Genüsse, all der reiz- vollen Verwendungsmöglichkeiten des Geldes beschäftigt denkt. Die reinste Form des Geizes ist vielmehr die, in der der Wille wirklich nicht über das Geld hinausgeht, es auch nicht einmal im spielenden Gedanken als Mittel für Anderes behandelt, sondern die Macht, die es grade als nicht ausgegebenes repräsentiert, als definitiven und absolut befriedigenden Wert empfindet. Für den Geizigen liegen alle sonstigen Güter in der Peripherie des Daseins und von jedem derselben führt ein eindeutig gerichteter Radius seinem Zentrum, dem Gelde, zu, und es hieſse das ganze spezifische Lust- und Machtgefühl verkennen, wenn man diese Richtung umdrehen und sie von ihrem Endpunkt auch nur innerlich wieder auf die Peripherie zurückleiten wollte. Denn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/258
Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/258>, abgerufen am 24.11.2024.