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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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-- ausser insoweit sie Geldwert darstellen -- weil das Geld sie
ihres Endzweckcharakters beraubt hat, während das Verhalten jener
ganz sinnlos wäre, wenn es durch den Geldwert der Dinge
bestimmt wäre; freilich kann es durch das völlige Ausseracht-
lassen desselben auch wieder unvernünftig werden. Sie vergessen über
den Zweck das Mittel, das ihn jederzeit wieder erreichbar macht,
während der Geizige über das Mittel den Zweck vergisst, der jenem
allein Bedeutung giebt. Es begegnen ferner Erscheinungen, die
in der äusseren Form mit jenen sachlichen Sparsamkeiten überein-
stimmend, durch ihre innere Diskrepanz gegen sie den teleologischen
Charakter des Geldes weiter klären helfen. Viele "sparsame" Menschen
halten darauf, dass alles, was einmal bezahlt ist, auch konsumiert
werde. Und zwar keineswegs nur dann, wenn damit eine andernfalls
erforderliche Ausgabe erspart würde; sondern Luxusgenüssen gegenüber,
von denen man sich inzwischen überzeugt hat, dass sie keine Ge-
nüsse sind; der Zweck ist nun einmal verfehlt, aber um diese Ver-
fehlung zu realisieren, bringt man ein weiteres Opfer; denn der Typus
dieser Erscheinungen ist: "Lieber den Magen verrenkt als dem Wirt
einen Kreuzer geschenkt." Die Konsumtion des Gegenstandes ist nach
der Voraussetzung indifferent oder schlimmer als indifferent; ihr Motiv
kann also nicht sein, dass der Gegenstand nicht umkommen soll; denn
er ist umgekommen, indem die Genussseite seiner, die seine Bedeutung
für das Subjekt bildete, in Wegfall gekommen ist. Es wird in Wirk-
lichkeit also gar nicht derjenige Gegenstand konsumiert, auf den die
Absicht gerichtet war, sondern ein andrer, dem die motivierende Eigen-
schaft grade fehlt. Das Motiv kann demnach nur dies sein, dass mit der
Konsumierung wenigstens die Geldaufwendung ihr Äquivalent gefunden
hat. Das Geld ist so zu seinem nächsten Zwecke gekommen und damit
ist eine Beruhigung des Gefühls und ein Höhepunkt der teleologischen
Reihe erreicht, neben der die Verfehlung ihres subjektiven Endzwecks,
als eine Sache für sich und jene Befriedigung nicht herabsetzend,
steht. Diese banale und inhaltlich uninteressante Erscheinung offen-
bart so eine ganz eigenartige teleologische Konstellation des Geldwertes.
Obgleich sie nicht an sehr erheblichen Objekten hervorzutreten pflegt
und deshalb etwas Kleinbürgerliches und Unscheinbares hat, ist sie
doch vielleicht der extremste Ausdruck für die Überwucherung der
wirklichen Endzwecke durch die Mittelinstanz des Geldes; denn es fällt
hierbei nicht nur, wie auch beim Geize, der eigentliche Sinn alles
Wirtschaftens weg, sondern auch noch der Reiz der Macht und der
Möglichkeiten, der bei jenem den zu nichts verwendeten Geldbesitz
schmückte: das Objekt, aus dem alles, was irgendwie Sinn und Zweck

— auſser insoweit sie Geldwert darstellen — weil das Geld sie
ihres Endzweckcharakters beraubt hat, während das Verhalten jener
ganz sinnlos wäre, wenn es durch den Geldwert der Dinge
bestimmt wäre; freilich kann es durch das völlige Auſseracht-
lassen desselben auch wieder unvernünftig werden. Sie vergessen über
den Zweck das Mittel, das ihn jederzeit wieder erreichbar macht,
während der Geizige über das Mittel den Zweck vergiſst, der jenem
allein Bedeutung giebt. Es begegnen ferner Erscheinungen, die
in der äuſseren Form mit jenen sachlichen Sparsamkeiten überein-
stimmend, durch ihre innere Diskrepanz gegen sie den teleologischen
Charakter des Geldes weiter klären helfen. Viele „sparsame“ Menschen
halten darauf, daſs alles, was einmal bezahlt ist, auch konsumiert
werde. Und zwar keineswegs nur dann, wenn damit eine andernfalls
erforderliche Ausgabe erspart würde; sondern Luxusgenüssen gegenüber,
von denen man sich inzwischen überzeugt hat, daſs sie keine Ge-
nüsse sind; der Zweck ist nun einmal verfehlt, aber um diese Ver-
fehlung zu realisieren, bringt man ein weiteres Opfer; denn der Typus
dieser Erscheinungen ist: „Lieber den Magen verrenkt als dem Wirt
einen Kreuzer geschenkt.“ Die Konsumtion des Gegenstandes ist nach
der Voraussetzung indifferent oder schlimmer als indifferent; ihr Motiv
kann also nicht sein, daſs der Gegenstand nicht umkommen soll; denn
er ist umgekommen, indem die Genuſsseite seiner, die seine Bedeutung
für das Subjekt bildete, in Wegfall gekommen ist. Es wird in Wirk-
lichkeit also gar nicht derjenige Gegenstand konsumiert, auf den die
Absicht gerichtet war, sondern ein andrer, dem die motivierende Eigen-
schaft grade fehlt. Das Motiv kann demnach nur dies sein, daſs mit der
Konsumierung wenigstens die Geldaufwendung ihr Äquivalent gefunden
hat. Das Geld ist so zu seinem nächsten Zwecke gekommen und damit
ist eine Beruhigung des Gefühls und ein Höhepunkt der teleologischen
Reihe erreicht, neben der die Verfehlung ihres subjektiven Endzwecks,
als eine Sache für sich und jene Befriedigung nicht herabsetzend,
steht. Diese banale und inhaltlich uninteressante Erscheinung offen-
bart so eine ganz eigenartige teleologische Konstellation des Geldwertes.
Obgleich sie nicht an sehr erheblichen Objekten hervorzutreten pflegt
und deshalb etwas Kleinbürgerliches und Unscheinbares hat, ist sie
doch vielleicht der extremste Ausdruck für die Überwucherung der
wirklichen Endzwecke durch die Mittelinstanz des Geldes; denn es fällt
hierbei nicht nur, wie auch beim Geize, der eigentliche Sinn alles
Wirtschaftens weg, sondern auch noch der Reiz der Macht und der
Möglichkeiten, der bei jenem den zu nichts verwendeten Geldbesitz
schmückte: das Objekt, aus dem alles, was irgendwie Sinn und Zweck

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[236/0260] — auſser insoweit sie Geldwert darstellen — weil das Geld sie ihres Endzweckcharakters beraubt hat, während das Verhalten jener ganz sinnlos wäre, wenn es durch den Geldwert der Dinge bestimmt wäre; freilich kann es durch das völlige Auſseracht- lassen desselben auch wieder unvernünftig werden. Sie vergessen über den Zweck das Mittel, das ihn jederzeit wieder erreichbar macht, während der Geizige über das Mittel den Zweck vergiſst, der jenem allein Bedeutung giebt. Es begegnen ferner Erscheinungen, die in der äuſseren Form mit jenen sachlichen Sparsamkeiten überein- stimmend, durch ihre innere Diskrepanz gegen sie den teleologischen Charakter des Geldes weiter klären helfen. Viele „sparsame“ Menschen halten darauf, daſs alles, was einmal bezahlt ist, auch konsumiert werde. Und zwar keineswegs nur dann, wenn damit eine andernfalls erforderliche Ausgabe erspart würde; sondern Luxusgenüssen gegenüber, von denen man sich inzwischen überzeugt hat, daſs sie keine Ge- nüsse sind; der Zweck ist nun einmal verfehlt, aber um diese Ver- fehlung zu realisieren, bringt man ein weiteres Opfer; denn der Typus dieser Erscheinungen ist: „Lieber den Magen verrenkt als dem Wirt einen Kreuzer geschenkt.“ Die Konsumtion des Gegenstandes ist nach der Voraussetzung indifferent oder schlimmer als indifferent; ihr Motiv kann also nicht sein, daſs der Gegenstand nicht umkommen soll; denn er ist umgekommen, indem die Genuſsseite seiner, die seine Bedeutung für das Subjekt bildete, in Wegfall gekommen ist. Es wird in Wirk- lichkeit also gar nicht derjenige Gegenstand konsumiert, auf den die Absicht gerichtet war, sondern ein andrer, dem die motivierende Eigen- schaft grade fehlt. Das Motiv kann demnach nur dies sein, daſs mit der Konsumierung wenigstens die Geldaufwendung ihr Äquivalent gefunden hat. Das Geld ist so zu seinem nächsten Zwecke gekommen und damit ist eine Beruhigung des Gefühls und ein Höhepunkt der teleologischen Reihe erreicht, neben der die Verfehlung ihres subjektiven Endzwecks, als eine Sache für sich und jene Befriedigung nicht herabsetzend, steht. Diese banale und inhaltlich uninteressante Erscheinung offen- bart so eine ganz eigenartige teleologische Konstellation des Geldwertes. Obgleich sie nicht an sehr erheblichen Objekten hervorzutreten pflegt und deshalb etwas Kleinbürgerliches und Unscheinbares hat, ist sie doch vielleicht der extremste Ausdruck für die Überwucherung der wirklichen Endzwecke durch die Mittelinstanz des Geldes; denn es fällt hierbei nicht nur, wie auch beim Geize, der eigentliche Sinn alles Wirtschaftens weg, sondern auch noch der Reiz der Macht und der Möglichkeiten, der bei jenem den zu nichts verwendeten Geldbesitz schmückte: das Objekt, aus dem alles, was irgendwie Sinn und Zweck

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/260>, abgerufen am 24.11.2024.