Qualität schon in irgend einem Masse verwirklicht und empfunden ist. Diese typische Entwicklung unserer Interessen ergreift das Geld in einer besonders modifizierten Weise. Da es nichts ist, als das an sich gleichgültige Mittel zu konkreten und grenzenlos mannigfaltigen Zwecken, so ist allerdings seine Quantität die einzige, vernünftigerweise uns wichtige Bestimmtheit seiner; ihm gegenüber steht die Frage nicht nach dem Was und Wie, sondern nach dem Wieviel. Dieses Wesen oder diese Wesenlosigkeit des Geldes tritt aber wie gesagt in voller psychologischer Reinheit in der Regel erst hervor, wenn es erlangt ist; nun, bei dem Umsatz in definitive Werte, macht sich erst ganz geltend, wie über die Bedeutung des Geldes, d. h. über seine Mittlerkraft, ausschliesslich sein Quantum entscheidet. Bevor die teleologische Reihe an diesen Punkt gelangt und insoweit das Geld ein blosser Gegenstand des Verlangens ist, tritt vermöge der Gefühlsbetonung, die ihm als einem allgemeinen Begriff gilt, sein reiner Quantitätscharakter vor seinem generellen und gewissermassen qualitativ empfundenen Wesen zurück -- ein Verhältnis, das beim Geize chronisch wird, weil er die teleologische Reihe nicht über diesen kritischen Punkt hinausgelangen lässt, so dass der Geizige allerdings an das Geld dauernd Gefühle wie an ein Wesen von qualitativen und spezifischen Reizen knüpft. Die Beschränkung des Geldinteresses aber auf die Frage des Wieviel, anders ausgedrückt: dass seine Qualität ausschliesslich in seiner Quantität besteht, hat vielerlei für uns wichtige Folgen.
Zunächst die, dass die Quantitätsunterschiede des Geldbesitzes für den Besitzer die erheblichsten qualitativen Unterschiede bedeuten. Das ist eine so triviale Thatsache der Erfahrung, dass ihre Hervorhebung sinnlos wäre, wenn nicht immer wieder die Versuchung wirkte, den reinen Quantitätscharakter des Geldes grade umgekehrt auszulegen, seine Bedeutungen und Wirksamkeiten mechanisch, die höheren durch Multiplikation der niederen, vorzustellen. Ich will zunächst einen ganz äusserlichen Fall als Beweis dafür erwähnen, wie tief eingreifend nach der Seite qualitativer Folgen hin quantitative Unterschiede in den Kondensierungen des Geldes sind. Die Ausgabe kleiner Banknoten hat einen ganz anderen Charakter, als die grosser. Die kleinen Leute, die hauptsächlich die Inhaber der kleinen Note sind, sind nicht so leicht imstande, sie zur Einlösung zu präsentieren, wie die Besitzer grosser Noten, während andrerseits, wenn einmal eine Panik ausbricht, sie ungestümer und besinnungsloser auf Rückzahlung drängen, oder ihre Noten a tout prix fortgeben. In derselben Beweisrichtung wirkt die folgende, mehr prinzipielle Überlegung.
Alle Geldaufwendungen zu Erwerbszwecken zerfallen in zwei
Qualität schon in irgend einem Maſse verwirklicht und empfunden ist. Diese typische Entwicklung unserer Interessen ergreift das Geld in einer besonders modifizierten Weise. Da es nichts ist, als das an sich gleichgültige Mittel zu konkreten und grenzenlos mannigfaltigen Zwecken, so ist allerdings seine Quantität die einzige, vernünftigerweise uns wichtige Bestimmtheit seiner; ihm gegenüber steht die Frage nicht nach dem Was und Wie, sondern nach dem Wieviel. Dieses Wesen oder diese Wesenlosigkeit des Geldes tritt aber wie gesagt in voller psychologischer Reinheit in der Regel erst hervor, wenn es erlangt ist; nun, bei dem Umsatz in definitive Werte, macht sich erst ganz geltend, wie über die Bedeutung des Geldes, d. h. über seine Mittlerkraft, ausschlieſslich sein Quantum entscheidet. Bevor die teleologische Reihe an diesen Punkt gelangt und insoweit das Geld ein bloſser Gegenstand des Verlangens ist, tritt vermöge der Gefühlsbetonung, die ihm als einem allgemeinen Begriff gilt, sein reiner Quantitätscharakter vor seinem generellen und gewissermaſsen qualitativ empfundenen Wesen zurück — ein Verhältnis, das beim Geize chronisch wird, weil er die teleologische Reihe nicht über diesen kritischen Punkt hinausgelangen läſst, so daſs der Geizige allerdings an das Geld dauernd Gefühle wie an ein Wesen von qualitativen und spezifischen Reizen knüpft. Die Beschränkung des Geldinteresses aber auf die Frage des Wieviel, anders ausgedrückt: daſs seine Qualität ausschlieſslich in seiner Quantität besteht, hat vielerlei für uns wichtige Folgen.
Zunächst die, daſs die Quantitätsunterschiede des Geldbesitzes für den Besitzer die erheblichsten qualitativen Unterschiede bedeuten. Das ist eine so triviale Thatsache der Erfahrung, daſs ihre Hervorhebung sinnlos wäre, wenn nicht immer wieder die Versuchung wirkte, den reinen Quantitätscharakter des Geldes grade umgekehrt auszulegen, seine Bedeutungen und Wirksamkeiten mechanisch, die höheren durch Multiplikation der niederen, vorzustellen. Ich will zunächst einen ganz äuſserlichen Fall als Beweis dafür erwähnen, wie tief eingreifend nach der Seite qualitativer Folgen hin quantitative Unterschiede in den Kondensierungen des Geldes sind. Die Ausgabe kleiner Banknoten hat einen ganz anderen Charakter, als die groſser. Die kleinen Leute, die hauptsächlich die Inhaber der kleinen Note sind, sind nicht so leicht imstande, sie zur Einlösung zu präsentieren, wie die Besitzer groſser Noten, während andrerseits, wenn einmal eine Panik ausbricht, sie ungestümer und besinnungsloser auf Rückzahlung drängen, oder ihre Noten à tout prix fortgeben. In derselben Beweisrichtung wirkt die folgende, mehr prinzipielle Überlegung.
Alle Geldaufwendungen zu Erwerbszwecken zerfallen in zwei
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Qualität schon in irgend einem Maſse verwirklicht und empfunden ist.
Diese typische Entwicklung unserer Interessen ergreift das Geld in
einer besonders modifizierten Weise. Da es nichts ist, als das an sich
gleichgültige Mittel zu konkreten und grenzenlos mannigfaltigen Zwecken,
so ist allerdings seine Quantität die einzige, vernünftigerweise uns
wichtige Bestimmtheit seiner; ihm gegenüber steht die Frage nicht
nach dem Was und Wie, sondern nach dem Wieviel. Dieses Wesen
oder diese Wesenlosigkeit des Geldes tritt aber wie gesagt in voller
psychologischer Reinheit in der Regel erst hervor, wenn es erlangt ist;
nun, bei dem Umsatz in definitive Werte, macht sich erst ganz geltend,
wie über die Bedeutung des Geldes, d. h. über seine Mittlerkraft,
ausschlieſslich sein Quantum entscheidet. Bevor die teleologische Reihe
an diesen Punkt gelangt und insoweit das Geld ein bloſser Gegenstand
des Verlangens ist, tritt vermöge der Gefühlsbetonung, die ihm als
einem allgemeinen Begriff gilt, sein reiner Quantitätscharakter vor seinem
generellen und gewissermaſsen qualitativ empfundenen Wesen zurück —
ein Verhältnis, das beim Geize chronisch wird, weil er die teleologische
Reihe nicht über diesen kritischen Punkt hinausgelangen läſst, so daſs
der Geizige allerdings an das Geld dauernd Gefühle wie an ein Wesen
von qualitativen und spezifischen Reizen knüpft. Die Beschränkung
des Geldinteresses aber auf die Frage des Wieviel, anders ausgedrückt:
daſs seine Qualität ausschlieſslich in seiner Quantität
besteht, hat vielerlei für uns wichtige Folgen.
Zunächst die, daſs die Quantitätsunterschiede des Geldbesitzes für
den Besitzer die erheblichsten qualitativen Unterschiede bedeuten. Das
ist eine so triviale Thatsache der Erfahrung, daſs ihre Hervorhebung
sinnlos wäre, wenn nicht immer wieder die Versuchung wirkte, den
reinen Quantitätscharakter des Geldes grade umgekehrt auszulegen,
seine Bedeutungen und Wirksamkeiten mechanisch, die höheren durch
Multiplikation der niederen, vorzustellen. Ich will zunächst einen ganz
äuſserlichen Fall als Beweis dafür erwähnen, wie tief eingreifend nach
der Seite qualitativer Folgen hin quantitative Unterschiede in den
Kondensierungen des Geldes sind. Die Ausgabe kleiner Banknoten
hat einen ganz anderen Charakter, als die groſser. Die kleinen Leute,
die hauptsächlich die Inhaber der kleinen Note sind, sind nicht so
leicht imstande, sie zur Einlösung zu präsentieren, wie die Besitzer
groſser Noten, während andrerseits, wenn einmal eine Panik ausbricht,
sie ungestümer und besinnungsloser auf Rückzahlung drängen, oder
ihre Noten à tout prix fortgeben. In derselben Beweisrichtung wirkt
die folgende, mehr prinzipielle Überlegung.
Alle Geldaufwendungen zu Erwerbszwecken zerfallen in zwei
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/276>, abgerufen am 24.11.2024.
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