sinniger aus als der Spieler, der Goldgräber und die Demi-Monde; und die ruinöse Finanzwirtschaft Spaniens seit Karl V. hat man auf die relative Arbeitslosigkeit geschoben, mit der die Edelmetalle Amerikas den Spaniern anheimfielen. Jenes: "wie gewonnen, so zerronnen" weist nicht nur auf die objektive Struktur der Wirtschaft hin, die allerdings die Sicherheit des Erworbenen nur als Preis einer gewissen Solidität des Erwerbes zu setzen pflegt: die Berufe des besonders leichten und schnellen Erwerbes enthalten in ihren objektiven Um- ständen auch schon die Kanäle, durch die das Erworbene wieder ab- zufliessen die natürliche Tendenz und Chance hat. Seine wirksamere Begründung aber hat das Sprüchwort in der psychologischen Verfassung; je schneller die teleologische Reihe bis zum Punkte des Geldgewinnes abläuft, desto weniger Gefühle von Kraftaufwand und Bedeutsamkeit sind in ihm summiert, desto oberflächlicher und deshalb leichter lösbar haftet er also im Wertzentrum, desto eher also lassen wir es wieder aus der Hand. Wenn aber auch so der aufwärts und der abwärts führende Abschnitt der Reihe einen gemeinsamen Charakter grösserer oder geringerer Spannung tragen, so bleibt doch zwischen ihnen selbst die Differenz, dass das Geld, solange es noch nicht gewonnen ist, den Wert eines Endzwecks besitzt, den es zu verlieren pflegt, sobald es nun wirklich gewonnen und in seinem blossen Mittelscharakter -- wo der Geiz dies nicht verhindert -- empfunden ist.
Ich habe diesen Wendepunkt zwischen den beiden Abschnitten der teleologischen Reihe hervorgehoben, weil an ihm ein äusserst wesentlicher Zug des Geldes eine sehr entschiedene Sichtbarkeit erreicht. Solange nämlich das Geld als nächstes und einziges Strebens- ziel das Bewusstsein erfüllt, hat es für dieses gewissermassen noch eine Qualität. Wir wüssten zwar nicht recht zu sagen, was für eine, allein die Interessiertheit des Willens, die Konzentrierung der Gedanken darauf, die Lebhaftigkeit der daran geknüpften Hoffnungen und Be- wegungen strahlen es mit einer Wärme an, die ihm selbst sozusagen einen farbigen Schimmer leiht und uns den Begriff des Geldes über- haupt, noch abgesehen von der Frage nach dem Wieviel, bedeutsam macht. So entwickeln sich alle unsere praktischen Wünsche: solange sie unerreicht vor uns stehen, reizt uns das ganze Genus als solches, so dass wir uns sogar oft genug der Täuschung hingeben, irgend ein noch so geringfügiges Mass desselben, insofern es eben nur diese Sache ist, diesen Begriff darstellt, werde uns dauernd befriedigen. Unsere Begehrung geht zunächst auf das Objekt seinem qualitativen Charakter nach, und das Interesse an der Quantität, in der jene Bestimmtheit sich darstellt, macht in der Regel seine Wichtigkeit erst geltend, wenn die
sinniger aus als der Spieler, der Goldgräber und die Demi-Monde; und die ruinöse Finanzwirtschaft Spaniens seit Karl V. hat man auf die relative Arbeitslosigkeit geschoben, mit der die Edelmetalle Amerikas den Spaniern anheimfielen. Jenes: „wie gewonnen, so zerronnen“ weist nicht nur auf die objektive Struktur der Wirtschaft hin, die allerdings die Sicherheit des Erworbenen nur als Preis einer gewissen Solidität des Erwerbes zu setzen pflegt: die Berufe des besonders leichten und schnellen Erwerbes enthalten in ihren objektiven Um- ständen auch schon die Kanäle, durch die das Erworbene wieder ab- zuflieſsen die natürliche Tendenz und Chance hat. Seine wirksamere Begründung aber hat das Sprüchwort in der psychologischen Verfassung; je schneller die teleologische Reihe bis zum Punkte des Geldgewinnes abläuft, desto weniger Gefühle von Kraftaufwand und Bedeutsamkeit sind in ihm summiert, desto oberflächlicher und deshalb leichter lösbar haftet er also im Wertzentrum, desto eher also lassen wir es wieder aus der Hand. Wenn aber auch so der aufwärts und der abwärts führende Abschnitt der Reihe einen gemeinsamen Charakter gröſserer oder geringerer Spannung tragen, so bleibt doch zwischen ihnen selbst die Differenz, daſs das Geld, solange es noch nicht gewonnen ist, den Wert eines Endzwecks besitzt, den es zu verlieren pflegt, sobald es nun wirklich gewonnen und in seinem bloſsen Mittelscharakter — wo der Geiz dies nicht verhindert — empfunden ist.
Ich habe diesen Wendepunkt zwischen den beiden Abschnitten der teleologischen Reihe hervorgehoben, weil an ihm ein äuſserst wesentlicher Zug des Geldes eine sehr entschiedene Sichtbarkeit erreicht. Solange nämlich das Geld als nächstes und einziges Strebens- ziel das Bewuſstsein erfüllt, hat es für dieses gewissermaſsen noch eine Qualität. Wir wüſsten zwar nicht recht zu sagen, was für eine, allein die Interessiertheit des Willens, die Konzentrierung der Gedanken darauf, die Lebhaftigkeit der daran geknüpften Hoffnungen und Be- wegungen strahlen es mit einer Wärme an, die ihm selbst sozusagen einen farbigen Schimmer leiht und uns den Begriff des Geldes über- haupt, noch abgesehen von der Frage nach dem Wieviel, bedeutsam macht. So entwickeln sich alle unsere praktischen Wünsche: solange sie unerreicht vor uns stehen, reizt uns das ganze Genus als solches, so daſs wir uns sogar oft genug der Täuschung hingeben, irgend ein noch so geringfügiges Maſs desselben, insofern es eben nur diese Sache ist, diesen Begriff darstellt, werde uns dauernd befriedigen. Unsere Begehrung geht zunächst auf das Objekt seinem qualitativen Charakter nach, und das Interesse an der Quantität, in der jene Bestimmtheit sich darstellt, macht in der Regel seine Wichtigkeit erst geltend, wenn die
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[251/0275]
sinniger aus als der Spieler, der Goldgräber und die Demi-Monde;
und die ruinöse Finanzwirtschaft Spaniens seit Karl V. hat man auf
die relative Arbeitslosigkeit geschoben, mit der die Edelmetalle Amerikas
den Spaniern anheimfielen. Jenes: „wie gewonnen, so zerronnen“
weist nicht nur auf die objektive Struktur der Wirtschaft hin, die
allerdings die Sicherheit des Erworbenen nur als Preis einer gewissen
Solidität des Erwerbes zu setzen pflegt: die Berufe des besonders
leichten und schnellen Erwerbes enthalten in ihren objektiven Um-
ständen auch schon die Kanäle, durch die das Erworbene wieder ab-
zuflieſsen die natürliche Tendenz und Chance hat. Seine wirksamere
Begründung aber hat das Sprüchwort in der psychologischen Verfassung;
je schneller die teleologische Reihe bis zum Punkte des Geldgewinnes
abläuft, desto weniger Gefühle von Kraftaufwand und Bedeutsamkeit
sind in ihm summiert, desto oberflächlicher und deshalb leichter lösbar
haftet er also im Wertzentrum, desto eher also lassen wir es wieder
aus der Hand. Wenn aber auch so der aufwärts und der abwärts
führende Abschnitt der Reihe einen gemeinsamen Charakter gröſserer
oder geringerer Spannung tragen, so bleibt doch zwischen ihnen selbst
die Differenz, daſs das Geld, solange es noch nicht gewonnen ist,
den Wert eines Endzwecks besitzt, den es zu verlieren pflegt, sobald
es nun wirklich gewonnen und in seinem bloſsen Mittelscharakter —
wo der Geiz dies nicht verhindert — empfunden ist.
Ich habe diesen Wendepunkt zwischen den beiden Abschnitten
der teleologischen Reihe hervorgehoben, weil an ihm ein äuſserst
wesentlicher Zug des Geldes eine sehr entschiedene Sichtbarkeit
erreicht. Solange nämlich das Geld als nächstes und einziges Strebens-
ziel das Bewuſstsein erfüllt, hat es für dieses gewissermaſsen noch eine
Qualität. Wir wüſsten zwar nicht recht zu sagen, was für eine,
allein die Interessiertheit des Willens, die Konzentrierung der Gedanken
darauf, die Lebhaftigkeit der daran geknüpften Hoffnungen und Be-
wegungen strahlen es mit einer Wärme an, die ihm selbst sozusagen
einen farbigen Schimmer leiht und uns den Begriff des Geldes über-
haupt, noch abgesehen von der Frage nach dem Wieviel, bedeutsam
macht. So entwickeln sich alle unsere praktischen Wünsche: solange
sie unerreicht vor uns stehen, reizt uns das ganze Genus als solches,
so daſs wir uns sogar oft genug der Täuschung hingeben, irgend ein
noch so geringfügiges Maſs desselben, insofern es eben nur diese Sache
ist, diesen Begriff darstellt, werde uns dauernd befriedigen. Unsere
Begehrung geht zunächst auf das Objekt seinem qualitativen Charakter
nach, und das Interesse an der Quantität, in der jene Bestimmtheit sich
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/275>, abgerufen am 24.11.2024.
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