prinzipielle Gegnerschaft und durchgängiges Sich-Ausschliessen beider Reihen gemeint; denn dies würde immerhin eine Beziehung der einen zur anderen bedeuten und zwar eine teuflische Welt ergeben, aber eine vom Gesichtspunkte des Wertes, wenn auch mit umgekehrtem Vor- zeichen bestimmte. Vielmehr, das Verhältnis zwischen beiden ist absolute Zufälligkeit. Mit derselben Gleichgültigkeit, mit der uns die Natur die Gegenstände unserer Wertschätzungen einmal darbietet, ver- sagt sie sie uns ein anderes Mal; so dass gerade die gelegentliche Harmonie beider Reihen, die Realisierung der aus der Wertreihe stammenden Forderungen durch die Wirklichkeitsreihe, die ganze Prinziplosigkeit ihres Verhältnisses nicht minder offenbart, als der entgegengesetzte Fall. Derselbe Lebensinhalt mag uns sowohl als wirklich, wie als wertvoll bewusst werden; aber die inneren Schick- sale, die er in dem einen und in dem anderen Falle erlebt, haben völlig verschiedenen Sinn. Man könnte die Reihen des natürlichen Geschehens mit lückenloser Vollständigkeit beschreiben, ohne dass der Wert der Dinge darin vorkäme -- gerade wie die Skala unserer Wertungen ihren Sinn unabhängig davon bewahrt, wie oft und ob überhaupt ihr Inhalt auch in der Wirklichkeit vorkommt. Zu dem sozusagen fertigen, in seiner Wirklichkeit allseitig bestimmten, objektiven Sein tritt nun erst die Wertung hinzu, als Licht und Schatten, die nicht aus ihm selbst, sondern nur von anderswoher stammen können. Es muss aber das Missverständnis ferngehalten werden, als sollte damit die Bildung der Wertvorstellung, als psychologische Thatsache, dem naturgesetzlichen Werden entrückt sein. Ein übermenschlicher Geist, der das Weltgeschehen mit absoluter Vollständigkeit nach Naturgesetzen begriffe, würde unter den Thatsachen desselben auch die vorfinden, dass die Menschen Wertvorstellungen haben. Aber diese würden für ihn, der bloss theoretisch erkennt, keinen Sinn und keine Gültigkeit über ihre psychologische Existenz hinaus besitzen. Was hier der Natur als mechanischer Kausalität abgesprochen wird, ist also die sachliche, inhaltliche Bedeutung der Wertvorstellung, während der seelische Akt, in dem jener Inhalt subjektive Bewusstseinswirklichkeit erhält, ohne weiteres in die Natur hineingehört. Die Wertung, als ein wirk- licher psychologischer Vorgang, ist ein Stück der natürlichen Welt; das aber, was wir mit ihm meinen, sein begrifflicher Sinn, ist etwas dieser Welt unabhängig Gegenüberstehendes, und so wenig ein Stück ihrer, dass es vielmehr die ganze Welt ist, von einem be- sonderen Gesichtspunkt angesehen. Man macht sich selten klar, dass unser ganzes Leben, seiner Bewusstseinsseite nach, in Wertgefühlen und Wertabwägungen verläuft, und überhaupt nur dadurch Sinn und
prinzipielle Gegnerschaft und durchgängiges Sich-Ausschlieſsen beider Reihen gemeint; denn dies würde immerhin eine Beziehung der einen zur anderen bedeuten und zwar eine teuflische Welt ergeben, aber eine vom Gesichtspunkte des Wertes, wenn auch mit umgekehrtem Vor- zeichen bestimmte. Vielmehr, das Verhältnis zwischen beiden ist absolute Zufälligkeit. Mit derselben Gleichgültigkeit, mit der uns die Natur die Gegenstände unserer Wertschätzungen einmal darbietet, ver- sagt sie sie uns ein anderes Mal; so daſs gerade die gelegentliche Harmonie beider Reihen, die Realisierung der aus der Wertreihe stammenden Forderungen durch die Wirklichkeitsreihe, die ganze Prinziplosigkeit ihres Verhältnisses nicht minder offenbart, als der entgegengesetzte Fall. Derselbe Lebensinhalt mag uns sowohl als wirklich, wie als wertvoll bewuſst werden; aber die inneren Schick- sale, die er in dem einen und in dem anderen Falle erlebt, haben völlig verschiedenen Sinn. Man könnte die Reihen des natürlichen Geschehens mit lückenloser Vollständigkeit beschreiben, ohne daſs der Wert der Dinge darin vorkäme — gerade wie die Skala unserer Wertungen ihren Sinn unabhängig davon bewahrt, wie oft und ob überhaupt ihr Inhalt auch in der Wirklichkeit vorkommt. Zu dem sozusagen fertigen, in seiner Wirklichkeit allseitig bestimmten, objektiven Sein tritt nun erst die Wertung hinzu, als Licht und Schatten, die nicht aus ihm selbst, sondern nur von anderswoher stammen können. Es muſs aber das Miſsverständnis ferngehalten werden, als sollte damit die Bildung der Wertvorstellung, als psychologische Thatsache, dem naturgesetzlichen Werden entrückt sein. Ein übermenschlicher Geist, der das Weltgeschehen mit absoluter Vollständigkeit nach Naturgesetzen begriffe, würde unter den Thatsachen desselben auch die vorfinden, daſs die Menschen Wertvorstellungen haben. Aber diese würden für ihn, der bloſs theoretisch erkennt, keinen Sinn und keine Gültigkeit über ihre psychologische Existenz hinaus besitzen. Was hier der Natur als mechanischer Kausalität abgesprochen wird, ist also die sachliche, inhaltliche Bedeutung der Wertvorstellung, während der seelische Akt, in dem jener Inhalt subjektive Bewuſstseinswirklichkeit erhält, ohne weiteres in die Natur hineingehört. Die Wertung, als ein wirk- licher psychologischer Vorgang, ist ein Stück der natürlichen Welt; das aber, was wir mit ihm meinen, sein begrifflicher Sinn, ist etwas dieser Welt unabhängig Gegenüberstehendes, und so wenig ein Stück ihrer, daſs es vielmehr die ganze Welt ist, von einem be- sonderen Gesichtspunkt angesehen. Man macht sich selten klar, daſs unser ganzes Leben, seiner Bewuſstseinsseite nach, in Wertgefühlen und Wertabwägungen verläuft, und überhaupt nur dadurch Sinn und
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prinzipielle Gegnerschaft und durchgängiges Sich-Ausschlieſsen beider
Reihen gemeint; denn dies würde immerhin eine Beziehung der einen
zur anderen bedeuten und zwar eine teuflische Welt ergeben, aber
eine vom Gesichtspunkte des Wertes, wenn auch mit umgekehrtem Vor-
zeichen bestimmte. Vielmehr, das Verhältnis zwischen beiden ist
absolute Zufälligkeit. Mit derselben Gleichgültigkeit, mit der uns die
Natur die Gegenstände unserer Wertschätzungen einmal darbietet, ver-
sagt sie sie uns ein anderes Mal; so daſs gerade die gelegentliche
Harmonie beider Reihen, die Realisierung der aus der Wertreihe
stammenden Forderungen durch die Wirklichkeitsreihe, die ganze
Prinziplosigkeit ihres Verhältnisses nicht minder offenbart, als der
entgegengesetzte Fall. Derselbe Lebensinhalt mag uns sowohl als
wirklich, wie als wertvoll bewuſst werden; aber die inneren Schick-
sale, die er in dem einen und in dem anderen Falle erlebt, haben
völlig verschiedenen Sinn. Man könnte die Reihen des natürlichen
Geschehens mit lückenloser Vollständigkeit beschreiben, ohne daſs
der Wert der Dinge darin vorkäme — gerade wie die Skala unserer
Wertungen ihren Sinn unabhängig davon bewahrt, wie oft und ob
überhaupt ihr Inhalt auch in der Wirklichkeit vorkommt. Zu dem
sozusagen fertigen, in seiner Wirklichkeit allseitig bestimmten, objektiven
Sein tritt nun erst die Wertung hinzu, als Licht und Schatten, die
nicht aus ihm selbst, sondern nur von anderswoher stammen können.
Es muſs aber das Miſsverständnis ferngehalten werden, als sollte damit
die Bildung der Wertvorstellung, als psychologische Thatsache, dem
naturgesetzlichen Werden entrückt sein. Ein übermenschlicher Geist,
der das Weltgeschehen mit absoluter Vollständigkeit nach Naturgesetzen
begriffe, würde unter den Thatsachen desselben auch die vorfinden, daſs
die Menschen Wertvorstellungen haben. Aber diese würden für ihn, der
bloſs theoretisch erkennt, keinen Sinn und keine Gültigkeit über ihre
psychologische Existenz hinaus besitzen. Was hier der Natur als
mechanischer Kausalität abgesprochen wird, ist also die sachliche,
inhaltliche Bedeutung der Wertvorstellung, während der seelische
Akt, in dem jener Inhalt subjektive Bewuſstseinswirklichkeit erhält,
ohne weiteres in die Natur hineingehört. Die Wertung, als ein wirk-
licher psychologischer Vorgang, ist ein Stück der natürlichen Welt;
das aber, was wir mit ihm meinen, sein begrifflicher Sinn, ist
etwas dieser Welt unabhängig Gegenüberstehendes, und so wenig ein
Stück ihrer, daſs es vielmehr die ganze Welt ist, von einem be-
sonderen Gesichtspunkt angesehen. Man macht sich selten klar, daſs
unser ganzes Leben, seiner Bewuſstseinsseite nach, in Wertgefühlen
und Wertabwägungen verläuft, und überhaupt nur dadurch Sinn und
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/28>, abgerufen am 21.11.2024.
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