Form bezeichnen könnte, kommt ihm aus der Einheit der Persönlich- keit, die das Nebeneinander der Teile eines Vermögensbesitzes in ein Miteinander und eine Einheit verwandelt. Deshalb hat auch ein Ver- mögen, namentlich ein erheblicheres, nicht die ästhetische Misslichkeit des Geldes im allgemeinen. Und zwar liegt das nicht nur an den ästhe- tischen Möglichkeiten, die der Reichtum gewährt; sondern teils neben diesen, teils sie fundamentierend, besteht das Bild eines Vermögens als die Form, die das Geld durch seine Beziehung zu einem persönlichen Zentrum gewinnt, die es von der abstrakten Vorstellung des Geldes über- haupt scheidet und ihren Charakter als Form durch den Unterschied einer solchen Vermögenseinheit gegen die gleiche, aber auf viele Per- sonen verteilte Summe deutlich aufzeigt. Wie sehr die Personalität des Besitzes seine Formbestimmtheit als solche trägt und betont, zeigt sich keineswegs nur am Geld. Die Hufe des altgermanischen Vollfreien war ein unteilbarer Besitz, weil sie mit seiner Mitgliedschaft in der Mark- genossenschaft solidarisch war, der Besitz floss aus der Person und hatte deshalb die gleiche Qualität der Einheit und Unteilbarkeit. Und wenn man über den englischen Grundbesitz im Mittelalter vermutet hat, dass völlige Gleichheit der Lose immer auf unfreien Besitz, auf eine rationelle Landverteilung an Hintersassen seitens eines Herrn An- weisung gäbe, -- so wäre es doch auch hier die einheitliche Persön- lichkeit, wenngleich die unindividuelle und unfreie, die dem Besitz seine Umschriebenheit und Formbestimmtheit verleiht. Die Verding- lichung des Besitzes, seine Lösung von der Person bedeutete zugleich einerseits die Möglichkeit, die Landstücke Vieler in einer Hand zu vereinigen, andrerseits das einzelne beliebig zu zerschlagen. Mit der Personalität des Landbesitzes ging ebenso die Festigkeit wie die Wichtigkeit seiner Form verloren, er wurde ein Fliessendes, dessen Formung von Moment zu Moment durch sachliche Verhältnisse (in die natürlich fortwährend personale eingehen) aufgelöst und wieder gebildet wird, während die Solidarität des Besitzes mit der Person denselben mit der von innen kommenden Formeinheit des Ich durchdrungen hatte. -- Das Leben früherer Zeiten erscheint viel mehr an fest ge- gebene Einheiten gebunden, was ja nichts anderes bedeutet, als die hervorgehobene Rhythmik desselben, die die moderne Zeit in ein be- liebig abteilbares Kontinuum auflöst. Die Inhalte des Lebens -- wie sie mehr und mehr durch das absolut kontinuierliche, unrhythmische, von sich aus jeder festumschriebenen Form fremde Geld ausdrückbar sind -- werden gleichsam in so kleine Teile zerlegt, ihre abgerundeten Totalitäten so zerschlagen, dass jede beliebige Synthese und Formung aus ihnen möglich ist. Damit erst ist das Material für den modernen
Form bezeichnen könnte, kommt ihm aus der Einheit der Persönlich- keit, die das Nebeneinander der Teile eines Vermögensbesitzes in ein Miteinander und eine Einheit verwandelt. Deshalb hat auch ein Ver- mögen, namentlich ein erheblicheres, nicht die ästhetische Miſslichkeit des Geldes im allgemeinen. Und zwar liegt das nicht nur an den ästhe- tischen Möglichkeiten, die der Reichtum gewährt; sondern teils neben diesen, teils sie fundamentierend, besteht das Bild eines Vermögens als die Form, die das Geld durch seine Beziehung zu einem persönlichen Zentrum gewinnt, die es von der abstrakten Vorstellung des Geldes über- haupt scheidet und ihren Charakter als Form durch den Unterschied einer solchen Vermögenseinheit gegen die gleiche, aber auf viele Per- sonen verteilte Summe deutlich aufzeigt. Wie sehr die Personalität des Besitzes seine Formbestimmtheit als solche trägt und betont, zeigt sich keineswegs nur am Geld. Die Hufe des altgermanischen Vollfreien war ein unteilbarer Besitz, weil sie mit seiner Mitgliedschaft in der Mark- genossenschaft solidarisch war, der Besitz floſs aus der Person und hatte deshalb die gleiche Qualität der Einheit und Unteilbarkeit. Und wenn man über den englischen Grundbesitz im Mittelalter vermutet hat, daſs völlige Gleichheit der Lose immer auf unfreien Besitz, auf eine rationelle Landverteilung an Hintersassen seitens eines Herrn An- weisung gäbe, — so wäre es doch auch hier die einheitliche Persön- lichkeit, wenngleich die unindividuelle und unfreie, die dem Besitz seine Umschriebenheit und Formbestimmtheit verleiht. Die Verding- lichung des Besitzes, seine Lösung von der Person bedeutete zugleich einerseits die Möglichkeit, die Landstücke Vieler in einer Hand zu vereinigen, andrerseits das einzelne beliebig zu zerschlagen. Mit der Personalität des Landbesitzes ging ebenso die Festigkeit wie die Wichtigkeit seiner Form verloren, er wurde ein Flieſsendes, dessen Formung von Moment zu Moment durch sachliche Verhältnisse (in die natürlich fortwährend personale eingehen) aufgelöst und wieder gebildet wird, während die Solidarität des Besitzes mit der Person denselben mit der von innen kommenden Formeinheit des Ich durchdrungen hatte. — Das Leben früherer Zeiten erscheint viel mehr an fest ge- gebene Einheiten gebunden, was ja nichts anderes bedeutet, als die hervorgehobene Rhythmik desselben, die die moderne Zeit in ein be- liebig abteilbares Kontinuum auflöst. Die Inhalte des Lebens — wie sie mehr und mehr durch das absolut kontinuierliche, unrhythmische, von sich aus jeder festumschriebenen Form fremde Geld ausdrückbar sind — werden gleichsam in so kleine Teile zerlegt, ihre abgerundeten Totalitäten so zerschlagen, daſs jede beliebige Synthese und Formung aus ihnen möglich ist. Damit erst ist das Material für den modernen
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Form bezeichnen könnte, kommt ihm aus der Einheit der Persönlich-
keit, die das Nebeneinander der Teile eines Vermögensbesitzes in ein
Miteinander und eine Einheit verwandelt. Deshalb hat auch ein Ver-
mögen, namentlich ein erheblicheres, nicht die ästhetische Miſslichkeit
des Geldes im allgemeinen. Und zwar liegt das nicht nur an den ästhe-
tischen Möglichkeiten, die der Reichtum gewährt; sondern teils neben
diesen, teils sie fundamentierend, besteht das Bild eines Vermögens als
die Form, die das Geld durch seine Beziehung zu einem persönlichen
Zentrum gewinnt, die es von der abstrakten Vorstellung des Geldes über-
haupt scheidet und ihren Charakter als Form durch den Unterschied
einer solchen Vermögenseinheit gegen die gleiche, aber auf viele Per-
sonen verteilte Summe deutlich aufzeigt. Wie sehr die Personalität des
Besitzes seine Formbestimmtheit als solche trägt und betont, zeigt sich
keineswegs nur am Geld. Die Hufe des altgermanischen Vollfreien war
ein unteilbarer Besitz, weil sie mit seiner Mitgliedschaft in der Mark-
genossenschaft solidarisch war, der Besitz floſs aus der Person und
hatte deshalb die gleiche Qualität der Einheit und Unteilbarkeit. Und
wenn man über den englischen Grundbesitz im Mittelalter vermutet
hat, daſs völlige Gleichheit der Lose immer auf unfreien Besitz, auf
eine rationelle Landverteilung an Hintersassen seitens eines Herrn An-
weisung gäbe, — so wäre es doch auch hier die einheitliche Persön-
lichkeit, wenngleich die unindividuelle und unfreie, die dem Besitz
seine Umschriebenheit und Formbestimmtheit verleiht. Die Verding-
lichung des Besitzes, seine Lösung von der Person bedeutete zugleich
einerseits die Möglichkeit, die Landstücke Vieler in einer Hand zu
vereinigen, andrerseits das einzelne beliebig zu zerschlagen. Mit der
Personalität des Landbesitzes ging ebenso die Festigkeit wie die
Wichtigkeit seiner Form verloren, er wurde ein Flieſsendes, dessen
Formung von Moment zu Moment durch sachliche Verhältnisse (in die
natürlich fortwährend personale eingehen) aufgelöst und wieder gebildet
wird, während die Solidarität des Besitzes mit der Person denselben
mit der von innen kommenden Formeinheit des Ich durchdrungen
hatte. — Das Leben früherer Zeiten erscheint viel mehr an fest ge-
gebene Einheiten gebunden, was ja nichts anderes bedeutet, als die
hervorgehobene Rhythmik desselben, die die moderne Zeit in ein be-
liebig abteilbares Kontinuum auflöst. Die Inhalte des Lebens — wie
sie mehr und mehr durch das absolut kontinuierliche, unrhythmische,
von sich aus jeder festumschriebenen Form fremde Geld ausdrückbar
sind — werden gleichsam in so kleine Teile zerlegt, ihre abgerundeten
Totalitäten so zerschlagen, daſs jede beliebige Synthese und Formung
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/296>, abgerufen am 23.11.2024.
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