gesetzte Summe: Brautgeld, Ehegeld, Frauengeld oder ähnliches zahlt. Die Befreiung der Persönlichkeit wird also auf der zweiten Stufe zwar schon auf Geld gestellt, aber doch nicht ausschliesslich, indem immer- hin noch die Einwilligung des Grundherrn gewonnen werden musste, die man nicht erzwingen konnte. Das Verhältnis wird erst vollständig entpersonalisiert, wenn gar kein anderes Moment als das der Geld- zahlung darüber entscheidet. Höher kann die persönliche Freiheit vor dem Wegfall jedes bezüglichen Rechtes des Grundherrn nicht steigen, als wenn die Verpflichtung des Unterthanen in eine Geldabgabe ver- wandelt ist, die der Grundherr annehmen muss. Deshalb hat denn auch vielfach die Verringerung und die schliesslich völlige Ablösung der bäuerlichen Dienste und Lieferungen ihren Weg über ihre Um- wandlung in Geldbezüge genommen. Dieser Zusammenhang zwischen Geldleistung und Befreiung kann unter Umständen von dem Berech- tigten als so wirksam vorgestellt werden, dass er selbst das lebhafteste Interesse an barem Gelde übertönt. Die Umwandlung der bäuerlichen Frohnden und Naturallieferungen in Geldzinse hatte in Deutschland seit dem 12. Jahrhundert begonnen; und grade dadurch wurde sie unterbrochen, dass der Kapitalismus im 14. und 15. Jahrhundert auch die Grundherren ansteckte. Denn sie erkannten, dass die naturalen Leistungen ausserordentlich viel dehnbarer und willkürlich vermehr- barer waren als die Geldzinsungen, an deren quantitativer, zahlen- mässiger Bestimmtheit nicht mehr zu rühren war. Dieser Vorteil der Naturalleistungen erschien ihnen gross genug, um ihre Habgier grade in dem Augenblick daran festhalten zu lassen, in dem im übrigen die Geldinteressen bei ihnen herrschend wurden. Es ist eben dieser Grund, aus dem man überhaupt den Bauer nicht will zu Geld kommen lassen. Der englische Hintersasse durfte ganz allgemein kein Stück Vieh ohne besondere Erlaubnis seines Lords verkaufen. Denn durch den Viehverkauf bekam er Geld in die Hand, mit dem er anderswo Land erwerben und sich den Verpflichtungen gegen seinen bisherigen Herrn entziehen konnte. -- Der äusserste Grad des Befreiungsprozesses wird durch eine Entwicklung innerhalb der Geldabgabe selbst erreicht: indem statt des periodischen Zinses eine einmalige Kapitalzahlung er- folgt. Wenngleich der objektive Wert in beiden Formen der iden- tische sein mag, so ist doch der Reflex auf das Subjekt ein ganz ver- schiedener. Die einzelne Zinszahlung lässt zwar, wie hervorgehoben, dem Pflichtigen völlige Freiheit in Bezug auf das eigene Thun, wenn er nur das erforderliche Geld erwirbt; allein die Regelmässigkeit der Abgaben zwingt dieses Thun in ein bestimmtes, ihm von einer fremden Macht aufgedrungenes Schema, und so wird denn erst mit der Kapi-
gesetzte Summe: Brautgeld, Ehegeld, Frauengeld oder ähnliches zahlt. Die Befreiung der Persönlichkeit wird also auf der zweiten Stufe zwar schon auf Geld gestellt, aber doch nicht ausschlieſslich, indem immer- hin noch die Einwilligung des Grundherrn gewonnen werden muſste, die man nicht erzwingen konnte. Das Verhältnis wird erst vollständig entpersonalisiert, wenn gar kein anderes Moment als das der Geld- zahlung darüber entscheidet. Höher kann die persönliche Freiheit vor dem Wegfall jedes bezüglichen Rechtes des Grundherrn nicht steigen, als wenn die Verpflichtung des Unterthanen in eine Geldabgabe ver- wandelt ist, die der Grundherr annehmen muſs. Deshalb hat denn auch vielfach die Verringerung und die schlieſslich völlige Ablösung der bäuerlichen Dienste und Lieferungen ihren Weg über ihre Um- wandlung in Geldbezüge genommen. Dieser Zusammenhang zwischen Geldleistung und Befreiung kann unter Umständen von dem Berech- tigten als so wirksam vorgestellt werden, daſs er selbst das lebhafteste Interesse an barem Gelde übertönt. Die Umwandlung der bäuerlichen Frohnden und Naturallieferungen in Geldzinse hatte in Deutschland seit dem 12. Jahrhundert begonnen; und grade dadurch wurde sie unterbrochen, daſs der Kapitalismus im 14. und 15. Jahrhundert auch die Grundherren ansteckte. Denn sie erkannten, daſs die naturalen Leistungen auſserordentlich viel dehnbarer und willkürlich vermehr- barer waren als die Geldzinsungen, an deren quantitativer, zahlen- mäſsiger Bestimmtheit nicht mehr zu rühren war. Dieser Vorteil der Naturalleistungen erschien ihnen groſs genug, um ihre Habgier grade in dem Augenblick daran festhalten zu lassen, in dem im übrigen die Geldinteressen bei ihnen herrschend wurden. Es ist eben dieser Grund, aus dem man überhaupt den Bauer nicht will zu Geld kommen lassen. Der englische Hintersasse durfte ganz allgemein kein Stück Vieh ohne besondere Erlaubnis seines Lords verkaufen. Denn durch den Viehverkauf bekam er Geld in die Hand, mit dem er anderswo Land erwerben und sich den Verpflichtungen gegen seinen bisherigen Herrn entziehen konnte. — Der äuſserste Grad des Befreiungsprozesses wird durch eine Entwicklung innerhalb der Geldabgabe selbst erreicht: indem statt des periodischen Zinses eine einmalige Kapitalzahlung er- folgt. Wenngleich der objektive Wert in beiden Formen der iden- tische sein mag, so ist doch der Reflex auf das Subjekt ein ganz ver- schiedener. Die einzelne Zinszahlung läſst zwar, wie hervorgehoben, dem Pflichtigen völlige Freiheit in Bezug auf das eigene Thun, wenn er nur das erforderliche Geld erwirbt; allein die Regelmäſsigkeit der Abgaben zwingt dieses Thun in ein bestimmtes, ihm von einer fremden Macht aufgedrungenes Schema, und so wird denn erst mit der Kapi-
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[283/0307]
gesetzte Summe: Brautgeld, Ehegeld, Frauengeld oder ähnliches zahlt.
Die Befreiung der Persönlichkeit wird also auf der zweiten Stufe zwar
schon auf Geld gestellt, aber doch nicht ausschlieſslich, indem immer-
hin noch die Einwilligung des Grundherrn gewonnen werden muſste,
die man nicht erzwingen konnte. Das Verhältnis wird erst vollständig
entpersonalisiert, wenn gar kein anderes Moment als das der Geld-
zahlung darüber entscheidet. Höher kann die persönliche Freiheit vor
dem Wegfall jedes bezüglichen Rechtes des Grundherrn nicht steigen,
als wenn die Verpflichtung des Unterthanen in eine Geldabgabe ver-
wandelt ist, die der Grundherr annehmen muſs. Deshalb hat denn
auch vielfach die Verringerung und die schlieſslich völlige Ablösung
der bäuerlichen Dienste und Lieferungen ihren Weg über ihre Um-
wandlung in Geldbezüge genommen. Dieser Zusammenhang zwischen
Geldleistung und Befreiung kann unter Umständen von dem Berech-
tigten als so wirksam vorgestellt werden, daſs er selbst das lebhafteste
Interesse an barem Gelde übertönt. Die Umwandlung der bäuerlichen
Frohnden und Naturallieferungen in Geldzinse hatte in Deutschland
seit dem 12. Jahrhundert begonnen; und grade dadurch wurde sie
unterbrochen, daſs der Kapitalismus im 14. und 15. Jahrhundert auch
die Grundherren ansteckte. Denn sie erkannten, daſs die naturalen
Leistungen auſserordentlich viel dehnbarer und willkürlich vermehr-
barer waren als die Geldzinsungen, an deren quantitativer, zahlen-
mäſsiger Bestimmtheit nicht mehr zu rühren war. Dieser Vorteil der
Naturalleistungen erschien ihnen groſs genug, um ihre Habgier grade
in dem Augenblick daran festhalten zu lassen, in dem im übrigen die
Geldinteressen bei ihnen herrschend wurden. Es ist eben dieser Grund,
aus dem man überhaupt den Bauer nicht will zu Geld kommen
lassen. Der englische Hintersasse durfte ganz allgemein kein Stück
Vieh ohne besondere Erlaubnis seines Lords verkaufen. Denn durch
den Viehverkauf bekam er Geld in die Hand, mit dem er anderswo
Land erwerben und sich den Verpflichtungen gegen seinen bisherigen
Herrn entziehen konnte. — Der äuſserste Grad des Befreiungsprozesses
wird durch eine Entwicklung innerhalb der Geldabgabe selbst erreicht:
indem statt des periodischen Zinses eine einmalige Kapitalzahlung er-
folgt. Wenngleich der objektive Wert in beiden Formen der iden-
tische sein mag, so ist doch der Reflex auf das Subjekt ein ganz ver-
schiedener. Die einzelne Zinszahlung läſst zwar, wie hervorgehoben,
dem Pflichtigen völlige Freiheit in Bezug auf das eigene Thun, wenn
er nur das erforderliche Geld erwirbt; allein die Regelmäſsigkeit der
Abgaben zwingt dieses Thun in ein bestimmtes, ihm von einer fremden
Macht aufgedrungenes Schema, und so wird denn erst mit der Kapi-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/307>, abgerufen am 22.11.2024.
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