ersteren allein bestimmt wären. Daher das Gefühl der Befreiung, das die ästhetische Stimmung mit sich führt, die Erlösung von dem dumpfen Druck der Dinge, die Expansion des Ich mit all seiner Freude und Freiheit in die Dinge hinein, von deren Realität es sonst vergewaltigt wurde. Das muss die psychologische Färbung der Freude am blossen Geldbesitz sein. Die eigentümliche Verdichtung, Abstraktion, Anti- zipation des Sachbesitzes, die er bedeutet, lässt dem Bewusstsein eben jenen freien Spielraum, jenes ahnungsvolle Sicherstrecken durch ein widerstandsloses Medium hindurch, jenes In-Sich-Einziehen aller Mög- lichkeiten, ohne Vergewaltigungen und Dementierungen durch die Wirk- lichkeit -- wie es alles dem ästhetischen Geniessen eigen ist. Und wenn man die Schönheit als une promesse de bonheur definiert hat, so weist auch dies auf die psychologische Formgleichheit zwischen dem ästhetischen Reiz und dem des Geldes hin; denn worin anders kann dieser letztere bestehen als in dem Versprechen der Freuden, die uns das Geld vermitteln soll? -- Es giebt übrigens Versuche, jenen Reiz des noch ungeformten Wertes mit dem Reiz der Formung zu vereinigen: das ist eine der Bedeutungen des Schmuckes und der Pretiosen. Der Besitzer davon erscheint als Re- präsentant und Herr einer, unter Umständen sehr hohen, Wertsumme, die gleichsam eine verdichtete Macht in seiner Hand darstellt, während andrerseits die absolute Flüssigkeit und blosse Potenzialität, die diese Bedeutung sonst bedingt, doch zu einer gewissen Formbestimmtheit und spezifischen Qualität geronnen ist. Besonders schlagend tritt dieser Vereinigungsversuch im folgenden hervor: in Indien war es bis jetzt üblich, Geld in Form von Schmucksachen aufzubewahren, bezw. zu sparen: d. h., man liess die Rupien einschmelzen, zu Schmuck ver- arbeiten (was nur einen sehr geringen Wertverlust erzeugte) und the- saurierte diesen, um ihn im Notfall wieder als Silber auszugeben. Offenbar wirkt der Wert so zugleich kondensierter und qualitätenreicher. Diese Vereinigung lässt ihn, indem er so selbst eigenartiger und seine atomistische Struktur aufgehoben ist, gewissermassen der Persönlichkeit enger zugehörig erscheinen; so sehr ist dies der Fall, dass die fürst- lichen Thesaurierungen von Edelmetallen in Gerätform seit Salomons Zeiten von dem trügerischen Glauben getragen wurden, in dieser Form sei der Schatz am engsten der Familie verbunden und vor den Griffen der Feinde am gesichertsten. Die unmittelbare Verwendung der Münzen als Schmuck hat vielfach den Sinn, dass man das Vermögen fortwährend an sich, also unter Aufsicht, haben will. Der Schmuck, der eine Be- strahlung der Persönlichkeit ist, wirkt als eine Ausstrahlung derselben, und darum ist es wesentlich, dass er etwas Wertvolles ist: der
ersteren allein bestimmt wären. Daher das Gefühl der Befreiung, das die ästhetische Stimmung mit sich führt, die Erlösung von dem dumpfen Druck der Dinge, die Expansion des Ich mit all seiner Freude und Freiheit in die Dinge hinein, von deren Realität es sonst vergewaltigt wurde. Das muſs die psychologische Färbung der Freude am bloſsen Geldbesitz sein. Die eigentümliche Verdichtung, Abstraktion, Anti- zipation des Sachbesitzes, die er bedeutet, läſst dem Bewuſstsein eben jenen freien Spielraum, jenes ahnungsvolle Sicherstrecken durch ein widerstandsloses Medium hindurch, jenes In-Sich-Einziehen aller Mög- lichkeiten, ohne Vergewaltigungen und Dementierungen durch die Wirk- lichkeit — wie es alles dem ästhetischen Genieſsen eigen ist. Und wenn man die Schönheit als une promesse de bonheur definiert hat, so weist auch dies auf die psychologische Formgleichheit zwischen dem ästhetischen Reiz und dem des Geldes hin; denn worin anders kann dieser letztere bestehen als in dem Versprechen der Freuden, die uns das Geld vermitteln soll? — Es giebt übrigens Versuche, jenen Reiz des noch ungeformten Wertes mit dem Reiz der Formung zu vereinigen: das ist eine der Bedeutungen des Schmuckes und der Pretiosen. Der Besitzer davon erscheint als Re- präsentant und Herr einer, unter Umständen sehr hohen, Wertsumme, die gleichsam eine verdichtete Macht in seiner Hand darstellt, während andrerseits die absolute Flüssigkeit und bloſse Potenzialität, die diese Bedeutung sonst bedingt, doch zu einer gewissen Formbestimmtheit und spezifischen Qualität geronnen ist. Besonders schlagend tritt dieser Vereinigungsversuch im folgenden hervor: in Indien war es bis jetzt üblich, Geld in Form von Schmucksachen aufzubewahren, bezw. zu sparen: d. h., man lieſs die Rupien einschmelzen, zu Schmuck ver- arbeiten (was nur einen sehr geringen Wertverlust erzeugte) und the- saurierte diesen, um ihn im Notfall wieder als Silber auszugeben. Offenbar wirkt der Wert so zugleich kondensierter und qualitätenreicher. Diese Vereinigung läſst ihn, indem er so selbst eigenartiger und seine atomistische Struktur aufgehoben ist, gewissermaſsen der Persönlichkeit enger zugehörig erscheinen; so sehr ist dies der Fall, daſs die fürst- lichen Thesaurierungen von Edelmetallen in Gerätform seit Salomons Zeiten von dem trügerischen Glauben getragen wurden, in dieser Form sei der Schatz am engsten der Familie verbunden und vor den Griffen der Feinde am gesichertsten. Die unmittelbare Verwendung der Münzen als Schmuck hat vielfach den Sinn, daſs man das Vermögen fortwährend an sich, also unter Aufsicht, haben will. Der Schmuck, der eine Be- strahlung der Persönlichkeit ist, wirkt als eine Ausstrahlung derselben, und darum ist es wesentlich, daſs er etwas Wertvolles ist: der
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ersteren allein bestimmt wären. Daher das Gefühl der Befreiung, das
die ästhetische Stimmung mit sich führt, die Erlösung von dem dumpfen
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Freiheit in die Dinge hinein, von deren Realität es sonst vergewaltigt
wurde. Das muſs die psychologische Färbung der Freude am bloſsen
Geldbesitz sein. Die eigentümliche Verdichtung, Abstraktion, Anti-
zipation des Sachbesitzes, die er bedeutet, läſst dem Bewuſstsein eben
jenen freien Spielraum, jenes ahnungsvolle Sicherstrecken durch ein
widerstandsloses Medium hindurch, jenes In-Sich-Einziehen aller Mög-
lichkeiten, ohne Vergewaltigungen und Dementierungen durch die Wirk-
lichkeit — wie es alles dem ästhetischen Genieſsen eigen ist. Und
wenn man die Schönheit als une promesse de bonheur definiert
hat, so weist auch dies auf die psychologische Formgleichheit
zwischen dem ästhetischen Reiz und dem des Geldes hin; denn
worin anders kann dieser letztere bestehen als in dem Versprechen
der Freuden, die uns das Geld vermitteln soll? — Es giebt
übrigens Versuche, jenen Reiz des noch ungeformten Wertes mit dem
Reiz der Formung zu vereinigen: das ist eine der Bedeutungen des
Schmuckes und der Pretiosen. Der Besitzer davon erscheint als Re-
präsentant und Herr einer, unter Umständen sehr hohen, Wertsumme,
die gleichsam eine verdichtete Macht in seiner Hand darstellt, während
andrerseits die absolute Flüssigkeit und bloſse Potenzialität, die diese
Bedeutung sonst bedingt, doch zu einer gewissen Formbestimmtheit
und spezifischen Qualität geronnen ist. Besonders schlagend tritt dieser
Vereinigungsversuch im folgenden hervor: in Indien war es bis jetzt
üblich, Geld in Form von Schmucksachen aufzubewahren, bezw. zu
sparen: d. h., man lieſs die Rupien einschmelzen, zu Schmuck ver-
arbeiten (was nur einen sehr geringen Wertverlust erzeugte) und the-
saurierte diesen, um ihn im Notfall wieder als Silber auszugeben.
Offenbar wirkt der Wert so zugleich kondensierter und qualitätenreicher.
Diese Vereinigung läſst ihn, indem er so selbst eigenartiger und seine
atomistische Struktur aufgehoben ist, gewissermaſsen der Persönlichkeit
enger zugehörig erscheinen; so sehr ist dies der Fall, daſs die fürst-
lichen Thesaurierungen von Edelmetallen in Gerätform seit Salomons
Zeiten von dem trügerischen Glauben getragen wurden, in dieser Form
sei der Schatz am engsten der Familie verbunden und vor den Griffen
der Feinde am gesichertsten. Die unmittelbare Verwendung der Münzen
als Schmuck hat vielfach den Sinn, daſs man das Vermögen fortwährend
an sich, also unter Aufsicht, haben will. Der Schmuck, der eine Be-
strahlung der Persönlichkeit ist, wirkt als eine Ausstrahlung derselben,
und darum ist es wesentlich, daſs er etwas Wertvolles ist: der
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/356>, abgerufen am 21.11.2024.
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