ideale wie jener praktische Sinn seiner erheben sich auf seiner engen Zugehörigkeit zum Ich. Für den Orient ist hervorgehoben, die Bedingung alles Reichtums sei, dass man ihn flüchten könne, so- zusagen also ihn dem Besitzer und seinen Schicksalen absolut folgsam mache. Andrerseits aber enthält auch schon die Freude am Geldbesitz zweifellos ein idealistisches Moment, dessen Hervorhebung nur deshalb paradox erscheint, weil einerseits die Mittel, zu ihm zu gelangen, an solchen Momenten meistens Mangel leiden, und weil andrerseits diese Freude in dem Augenblick, wo sie als Äusserung aus dem Subjekt heraustritt, dies gleichfalls in ganz anderer als idealistischer Form zu thun pflegt; das darf aber nicht die Thatsache verdecken, dass die Freude am Geldbesitz bloss als solchem eine der abstraktesten, von aller sinnlichen Unmittelbarkeit entferntesten, am ausschliesslichsten durch einen Prozess des Denkens und der Phantasie vermittelten ist. So gleicht sie der Freude am Siege, die bei manchen Naturen so stark ist, dass sie gar nicht darnach fragen, was sie denn eigentlich durch den Sieg gewinnen.
Diese eigentümliche Art, in der der Geldbesitz die Erweiterung der Persönlichkeit, wie sie in jedem Besitz liegt, darstellt, findet eine Bestätigung oder Ergänzung in der folgenden Überlegung. Jede Sphäre von Objekten, die ich mit meiner Persönlichkeit erfülle, indem sie meinen Willen sich in ihr ausprägen lässt, fand ihre Grenze an den eigenen Gesetzen der Dinge, die mein Wille nicht brechen kann. Allein diese Grenze setzt nicht nur der passive Widerstand der Ob- jekte, sondern, von der anderen Seite her, die Beschränktheit in der Expansionsfähigkeit des Subjekts. Der Kreis der Objekte, die dem Willen gehorchen, kann so gross sein, dass das Ich seinerseits nicht mehr im stande ist, ihn zu erfüllen. Wenn wir sagen, dass Besitz so viel ist als Freiheit, wenn meine Freiheit, das Sich-Durchsetzen meines Willens, sich nach dem Quantum des mir Gehörenden steigert, so ge- schieht dies thatsächlich nur bis zu einer gewissen Grenze, von der an das Ich seine potenzielle Herrschaft über die Dinge nicht mehr verwirklichen und geniessen kann. Die Habgier kann natürlich über diesen Punkt hinausführen, aber sie offenbart ihre Sinnlosigkeit in der Unbefriedigung, die selbst ihrer Erfüllung eigen ist, ja in der gelegent- lichen Bindung und Beengung, mit der das Übermass des Besitzes in das Gegenteil seines eigentlichen Charakters und Zweckes umschlägt. Das ergiebt Erscheinungen, wie die des unfruchtbaren Besitzes, weil die Thätigkeit des Besitzers nicht ausreicht, ihn zu befruchten; des Despoten, der es müde wird, über Sklaven zu herrschen, weil an der unbedingten Unterwerfung unter seinen Willen auch der Wille zur
ideale wie jener praktische Sinn seiner erheben sich auf seiner engen Zugehörigkeit zum Ich. Für den Orient ist hervorgehoben, die Bedingung alles Reichtums sei, daſs man ihn flüchten könne, so- zusagen also ihn dem Besitzer und seinen Schicksalen absolut folgsam mache. Andrerseits aber enthält auch schon die Freude am Geldbesitz zweifellos ein idealistisches Moment, dessen Hervorhebung nur deshalb paradox erscheint, weil einerseits die Mittel, zu ihm zu gelangen, an solchen Momenten meistens Mangel leiden, und weil andrerseits diese Freude in dem Augenblick, wo sie als Äuſserung aus dem Subjekt heraustritt, dies gleichfalls in ganz anderer als idealistischer Form zu thun pflegt; das darf aber nicht die Thatsache verdecken, daſs die Freude am Geldbesitz bloſs als solchem eine der abstraktesten, von aller sinnlichen Unmittelbarkeit entferntesten, am ausschlieſslichsten durch einen Prozeſs des Denkens und der Phantasie vermittelten ist. So gleicht sie der Freude am Siege, die bei manchen Naturen so stark ist, daſs sie gar nicht darnach fragen, was sie denn eigentlich durch den Sieg gewinnen.
Diese eigentümliche Art, in der der Geldbesitz die Erweiterung der Persönlichkeit, wie sie in jedem Besitz liegt, darstellt, findet eine Bestätigung oder Ergänzung in der folgenden Überlegung. Jede Sphäre von Objekten, die ich mit meiner Persönlichkeit erfülle, indem sie meinen Willen sich in ihr ausprägen läſst, fand ihre Grenze an den eigenen Gesetzen der Dinge, die mein Wille nicht brechen kann. Allein diese Grenze setzt nicht nur der passive Widerstand der Ob- jekte, sondern, von der anderen Seite her, die Beschränktheit in der Expansionsfähigkeit des Subjekts. Der Kreis der Objekte, die dem Willen gehorchen, kann so groſs sein, daſs das Ich seinerseits nicht mehr im stande ist, ihn zu erfüllen. Wenn wir sagen, daſs Besitz so viel ist als Freiheit, wenn meine Freiheit, das Sich-Durchsetzen meines Willens, sich nach dem Quantum des mir Gehörenden steigert, so ge- schieht dies thatsächlich nur bis zu einer gewissen Grenze, von der an das Ich seine potenzielle Herrschaft über die Dinge nicht mehr verwirklichen und genieſsen kann. Die Habgier kann natürlich über diesen Punkt hinausführen, aber sie offenbart ihre Sinnlosigkeit in der Unbefriedigung, die selbst ihrer Erfüllung eigen ist, ja in der gelegent- lichen Bindung und Beengung, mit der das Übermaſs des Besitzes in das Gegenteil seines eigentlichen Charakters und Zweckes umschlägt. Das ergiebt Erscheinungen, wie die des unfruchtbaren Besitzes, weil die Thätigkeit des Besitzers nicht ausreicht, ihn zu befruchten; des Despoten, der es müde wird, über Sklaven zu herrschen, weil an der unbedingten Unterwerfung unter seinen Willen auch der Wille zur
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ideale wie jener praktische Sinn seiner erheben sich auf seiner
engen Zugehörigkeit zum Ich. Für den Orient ist hervorgehoben,
die Bedingung alles Reichtums sei, daſs man ihn flüchten könne, so-
zusagen also ihn dem Besitzer und seinen Schicksalen absolut folgsam
mache. Andrerseits aber enthält auch schon die Freude am Geldbesitz
zweifellos ein idealistisches Moment, dessen Hervorhebung nur deshalb
paradox erscheint, weil einerseits die Mittel, zu ihm zu gelangen, an
solchen Momenten meistens Mangel leiden, und weil andrerseits diese
Freude in dem Augenblick, wo sie als Äuſserung aus dem Subjekt
heraustritt, dies gleichfalls in ganz anderer als idealistischer Form zu
thun pflegt; das darf aber nicht die Thatsache verdecken, daſs die
Freude am Geldbesitz bloſs als solchem eine der abstraktesten, von
aller sinnlichen Unmittelbarkeit entferntesten, am ausschlieſslichsten
durch einen Prozeſs des Denkens und der Phantasie vermittelten ist.
So gleicht sie der Freude am Siege, die bei manchen Naturen so stark
ist, daſs sie gar nicht darnach fragen, was sie denn eigentlich durch
den Sieg gewinnen.
Diese eigentümliche Art, in der der Geldbesitz die Erweiterung
der Persönlichkeit, wie sie in jedem Besitz liegt, darstellt, findet eine
Bestätigung oder Ergänzung in der folgenden Überlegung. Jede Sphäre
von Objekten, die ich mit meiner Persönlichkeit erfülle, indem sie
meinen Willen sich in ihr ausprägen läſst, fand ihre Grenze an den
eigenen Gesetzen der Dinge, die mein Wille nicht brechen kann.
Allein diese Grenze setzt nicht nur der passive Widerstand der Ob-
jekte, sondern, von der anderen Seite her, die Beschränktheit in der
Expansionsfähigkeit des Subjekts. Der Kreis der Objekte, die dem
Willen gehorchen, kann so groſs sein, daſs das Ich seinerseits nicht
mehr im stande ist, ihn zu erfüllen. Wenn wir sagen, daſs Besitz so
viel ist als Freiheit, wenn meine Freiheit, das Sich-Durchsetzen meines
Willens, sich nach dem Quantum des mir Gehörenden steigert, so ge-
schieht dies thatsächlich nur bis zu einer gewissen Grenze, von der
an das Ich seine potenzielle Herrschaft über die Dinge nicht mehr
verwirklichen und genieſsen kann. Die Habgier kann natürlich über
diesen Punkt hinausführen, aber sie offenbart ihre Sinnlosigkeit in der
Unbefriedigung, die selbst ihrer Erfüllung eigen ist, ja in der gelegent-
lichen Bindung und Beengung, mit der das Übermaſs des Besitzes in
das Gegenteil seines eigentlichen Charakters und Zweckes umschlägt.
Das ergiebt Erscheinungen, wie die des unfruchtbaren Besitzes, weil
die Thätigkeit des Besitzers nicht ausreicht, ihn zu befruchten; des
Despoten, der es müde wird, über Sklaven zu herrschen, weil an der
unbedingten Unterwerfung unter seinen Willen auch der Wille zur
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/357>, abgerufen am 21.11.2024.
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