Macht endet und ihm der Reibungswiderstand fehlt, an dem er sich seiner erst eigentlich bewusst wird; des Eigentümers, der weder Zeit noch Kraft für den Genuss seines Eigentums übrig hat, weil dessen Verwaltung und Fruktifizierung beide bis zu ihrer äussersten Grenze verbraucht. Die Objekte unterscheiden sich nun an der Frage, welches Quantum von Persönlichkeit sie gleichsam absorbieren, d. h., von welchem Masse an ihr Besitz sinnlos wird, weil nur bis zu diesem noch das Ich im stande ist, ihn mit sich zu erfüllen. Auch hier nimmt das Geld eine besondere Stellung ein. Man kann sagen, dass zu seiner Verwaltung, Beherrschung, Genuss weniger Persönlichkeit eingesetzt zu werden braucht, als anderen Besitzobjekten gegenüber, und dass des- halb das Mass des Besitzes, das man wirklich erfüllen und zur wirt- schaftlichen Persönlichkeits-Sphäre machen kann, ein grösseres ist, als bei anderen Besitzformen.
Abgesehen sogar von dem wirklichen Geniessen ist in der Regel schon die Begierde nach allen anderen Dingen durch die Aufnahme- fähigkeit des Subjektes begrenzt, so wenig die Grenzen beider auch zusammenfallen und in so weitem Kreise die erstere auch die letztere umgeben mag. Das Geld allein enthält -- wie früher schon ein anderer Zusammenhang ergab -- jenes innere Mass nicht, das sich schliesslich auch als Begrenzung der Begierde nach dem Objekt geltend macht. Alles dies ist natürlich um so mehr der Fall, je mehr das Geld wirklich blosses "Geld" ist, d. h. reines Tauschmittel ohne unmittelbar zu geniessenden Eigenwert. So lange als Geld noch Vieh, Esswaren, Sklaven u. s. w., also eigentlich Konsumwaren, fungieren, bedeutet sein Besitz weniger, dass er ausgedehnte Kaufkraft, als reiche Fülle des eigenen Konsumierens verleiht. Hierin sind sozusagen zwei verschiedene Formeln für die Ausdehnung der Persönlichkeit nahe- gelegt. In dem primitiveren, naturalwirtschaftlichen Fall besteht sie in dem Sich-Aneignen der Objekte durch unmittelbaren Genuss, man könnte sagen: das Ich dehnt sich von seinem Zentrum her kontinu- ierlich aus -- während mittels des abstrakten Metallgeldes oder gar des Kredites diese näheren Stufen gleichgültig und übersprungen werden. Im Gegensatz zu dem "reichen" Manne der Naturalwirtschaft kann der moderne Reiche das bescheidenste, eingeschränkteste, im unmittel- baren Sinne genussloseste Leben führen; man kann z. B. auf kuli- narischem Gebiet, wie ich glaube, als Folge der vorschreitenden Geld- wirtschaft die zweiseitige Entwicklungstendenz feststellen, dass die Reichen immer einfacher essen -- von Festlichkeiten abgesehen -- und der Mittelstand immer besser -- wenigstens in den Städten. Durch die Fernwirkungen des Geldes kann das Ich seine Macht, seinen
Macht endet und ihm der Reibungswiderstand fehlt, an dem er sich seiner erst eigentlich bewuſst wird; des Eigentümers, der weder Zeit noch Kraft für den Genuſs seines Eigentums übrig hat, weil dessen Verwaltung und Fruktifizierung beide bis zu ihrer äuſsersten Grenze verbraucht. Die Objekte unterscheiden sich nun an der Frage, welches Quantum von Persönlichkeit sie gleichsam absorbieren, d. h., von welchem Maſse an ihr Besitz sinnlos wird, weil nur bis zu diesem noch das Ich im stande ist, ihn mit sich zu erfüllen. Auch hier nimmt das Geld eine besondere Stellung ein. Man kann sagen, daſs zu seiner Verwaltung, Beherrschung, Genuſs weniger Persönlichkeit eingesetzt zu werden braucht, als anderen Besitzobjekten gegenüber, und daſs des- halb das Maſs des Besitzes, das man wirklich erfüllen und zur wirt- schaftlichen Persönlichkeits-Sphäre machen kann, ein gröſseres ist, als bei anderen Besitzformen.
Abgesehen sogar von dem wirklichen Genieſsen ist in der Regel schon die Begierde nach allen anderen Dingen durch die Aufnahme- fähigkeit des Subjektes begrenzt, so wenig die Grenzen beider auch zusammenfallen und in so weitem Kreise die erstere auch die letztere umgeben mag. Das Geld allein enthält — wie früher schon ein anderer Zusammenhang ergab — jenes innere Maſs nicht, das sich schlieſslich auch als Begrenzung der Begierde nach dem Objekt geltend macht. Alles dies ist natürlich um so mehr der Fall, je mehr das Geld wirklich bloſses „Geld“ ist, d. h. reines Tauschmittel ohne unmittelbar zu genieſsenden Eigenwert. So lange als Geld noch Vieh, Eſswaren, Sklaven u. s. w., also eigentlich Konsumwaren, fungieren, bedeutet sein Besitz weniger, daſs er ausgedehnte Kaufkraft, als reiche Fülle des eigenen Konsumierens verleiht. Hierin sind sozusagen zwei verschiedene Formeln für die Ausdehnung der Persönlichkeit nahe- gelegt. In dem primitiveren, naturalwirtschaftlichen Fall besteht sie in dem Sich-Aneignen der Objekte durch unmittelbaren Genuſs, man könnte sagen: das Ich dehnt sich von seinem Zentrum her kontinu- ierlich aus — während mittels des abstrakten Metallgeldes oder gar des Kredites diese näheren Stufen gleichgültig und übersprungen werden. Im Gegensatz zu dem „reichen“ Manne der Naturalwirtschaft kann der moderne Reiche das bescheidenste, eingeschränkteste, im unmittel- baren Sinne genuſsloseste Leben führen; man kann z. B. auf kuli- narischem Gebiet, wie ich glaube, als Folge der vorschreitenden Geld- wirtschaft die zweiseitige Entwicklungstendenz feststellen, daſs die Reichen immer einfacher essen — von Festlichkeiten abgesehen — und der Mittelstand immer besser — wenigstens in den Städten. Durch die Fernwirkungen des Geldes kann das Ich seine Macht, seinen
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Macht endet und ihm der Reibungswiderstand fehlt, an dem er sich
seiner erst eigentlich bewuſst wird; des Eigentümers, der weder Zeit
noch Kraft für den Genuſs seines Eigentums übrig hat, weil dessen
Verwaltung und Fruktifizierung beide bis zu ihrer äuſsersten Grenze
verbraucht. Die Objekte unterscheiden sich nun an der Frage, welches
Quantum von Persönlichkeit sie gleichsam absorbieren, d. h., von
welchem Maſse an ihr Besitz sinnlos wird, weil nur bis zu diesem noch
das Ich im stande ist, ihn mit sich zu erfüllen. Auch hier nimmt das
Geld eine besondere Stellung ein. Man kann sagen, daſs zu seiner
Verwaltung, Beherrschung, Genuſs weniger Persönlichkeit eingesetzt zu
werden braucht, als anderen Besitzobjekten gegenüber, und daſs des-
halb das Maſs des Besitzes, das man wirklich erfüllen und zur wirt-
schaftlichen Persönlichkeits-Sphäre machen kann, ein gröſseres ist, als
bei anderen Besitzformen.
Abgesehen sogar von dem wirklichen Genieſsen ist in der Regel
schon die Begierde nach allen anderen Dingen durch die Aufnahme-
fähigkeit des Subjektes begrenzt, so wenig die Grenzen beider auch
zusammenfallen und in so weitem Kreise die erstere auch die letztere
umgeben mag. Das Geld allein enthält — wie früher schon ein
anderer Zusammenhang ergab — jenes innere Maſs nicht, das sich
schlieſslich auch als Begrenzung der Begierde nach dem Objekt
geltend macht. Alles dies ist natürlich um so mehr der Fall, je mehr
das Geld wirklich bloſses „Geld“ ist, d. h. reines Tauschmittel ohne
unmittelbar zu genieſsenden Eigenwert. So lange als Geld noch Vieh,
Eſswaren, Sklaven u. s. w., also eigentlich Konsumwaren, fungieren,
bedeutet sein Besitz weniger, daſs er ausgedehnte Kaufkraft, als reiche
Fülle des eigenen Konsumierens verleiht. Hierin sind sozusagen zwei
verschiedene Formeln für die Ausdehnung der Persönlichkeit nahe-
gelegt. In dem primitiveren, naturalwirtschaftlichen Fall besteht sie
in dem Sich-Aneignen der Objekte durch unmittelbaren Genuſs, man
könnte sagen: das Ich dehnt sich von seinem Zentrum her kontinu-
ierlich aus — während mittels des abstrakten Metallgeldes oder gar des
Kredites diese näheren Stufen gleichgültig und übersprungen werden.
Im Gegensatz zu dem „reichen“ Manne der Naturalwirtschaft kann
der moderne Reiche das bescheidenste, eingeschränkteste, im unmittel-
baren Sinne genuſsloseste Leben führen; man kann z. B. auf kuli-
narischem Gebiet, wie ich glaube, als Folge der vorschreitenden Geld-
wirtschaft die zweiseitige Entwicklungstendenz feststellen, daſs die
Reichen immer einfacher essen — von Festlichkeiten abgesehen —
und der Mittelstand immer besser — wenigstens in den Städten. Durch
die Fernwirkungen des Geldes kann das Ich seine Macht, seinen
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/358>, abgerufen am 21.11.2024.
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