in keiner Weise abhängt, ist zwar in dieser Gültigkeit etwas äusserst Bedeutsames, Unverwechselbares, Wertvolles; allein so lebt es doch in der Welt des Metaphysischen, getrennt von aller Berührung mit dem empirischen Sein. Seine moralisch-praktische Bedeutung ist nur diejenige, die es in seinem Verhältnis zu dem subjektiven Willen, als Kriterium oder treibende Kraft desselben entfaltet. Der unmittelbare subjektive Wert der göttlichen Existenz ist dies, dass sie uns ein Gegenstand der Anbetung ist und erlösend, versittlichend, begnadigend auf uns wirkt; ganz jenseits dessen aber liegt ihr metaphysischer Sinn, das rein in sich ruhende, sich selbst geniessende Fürsichsein des Absoluten. So hat der objektive Wert ein doppeltes Gesicht: eines, in dem die merkwürdige Kraft des menschlichen Geistes, seine eigenen Inhalte sich als Normen gegenüberzustellen, ihre absolute Ausgestaltung gewinnt. Und eines, in dem eben dieser objektive Wert den des sub- jektiven Fühlens bedeutet: jenes der metaphysische, dieser der konkrete Sinn seiner. Beides hängt daran, dass wir uns erstens überhaupt selbst objektivieren und uns selbst gegenübertreten können und dass dies zweitens sogleich in der Form von normgebenden und normempfangen- den Elementen geschieht. Je nachdem wir das erste nun ohne oder mit Rücksicht auf das zweite betrachten, ergiebt sich die abstrakte oder die praktische Bedeutung des objektiven Wertes.
Die eben hervorgehobene Form unsrer inneren Differenzierung ist von fundamentaler Bedeutung: ihre prinzipielle Äusserung ist das Selbst- bewusstsein. Dass wir die Einheit unserer Persönlichkeit in eine Zwei- heit spalten und uns selbst so anschauen, begreifen, beurteilen können, wie einen anderen -- das scheint eine spezifische, auf nichts Ursprüng- licheres zurückführbare Fähigkeit des menschlichen Intellekts zu sein. Und zwar bedeutet dies nicht nur eine Zerlegung in zwei sozusagen gleichberechtigte Parteien, sondern die eine Vorstellungsgruppe erscheint als umschliessend, formend, massgebend der anderen gegenüber, obgleich beide aus einer Quelle fliessen, und die eine ihre grössere Sachlichkeit oder Bedeutung auch nur als Vorstellung eben desselben Bewusstseins besitzt, der auch die andere angehört. Indem man sagt: ich bin mir meiner selbst bewusst -- empfindet man ein primäres, aktives, gleich- sam hauptsächliches Ich als den Prozess vollziehend, dessen Inhalt das Ich als Objekt bildet. Dieses, in das Bewusstsein erst aufgenommene Ich erscheint jenem untergeordnet, anderen Objekten, deren man sich gleichfalls bewusst werden kann, koordiniert. Die mit nichts anderem, was wir kennen, vergleichbare Thatsache des Sichselbstgegenübertretens der Seele erfolgt sogleich in der Form eines Rangverhältnisses, das sie in sich selbst herstellt. Und eben dies wiederholt sich auf höherer
in keiner Weise abhängt, ist zwar in dieser Gültigkeit etwas äuſserst Bedeutsames, Unverwechselbares, Wertvolles; allein so lebt es doch in der Welt des Metaphysischen, getrennt von aller Berührung mit dem empirischen Sein. Seine moralisch-praktische Bedeutung ist nur diejenige, die es in seinem Verhältnis zu dem subjektiven Willen, als Kriterium oder treibende Kraft desselben entfaltet. Der unmittelbare subjektive Wert der göttlichen Existenz ist dies, daſs sie uns ein Gegenstand der Anbetung ist und erlösend, versittlichend, begnadigend auf uns wirkt; ganz jenseits dessen aber liegt ihr metaphysischer Sinn, das rein in sich ruhende, sich selbst genieſsende Fürsichsein des Absoluten. So hat der objektive Wert ein doppeltes Gesicht: eines, in dem die merkwürdige Kraft des menschlichen Geistes, seine eigenen Inhalte sich als Normen gegenüberzustellen, ihre absolute Ausgestaltung gewinnt. Und eines, in dem eben dieser objektive Wert den des sub- jektiven Fühlens bedeutet: jenes der metaphysische, dieser der konkrete Sinn seiner. Beides hängt daran, daſs wir uns erstens überhaupt selbst objektivieren und uns selbst gegenübertreten können und daſs dies zweitens sogleich in der Form von normgebenden und normempfangen- den Elementen geschieht. Je nachdem wir das erste nun ohne oder mit Rücksicht auf das zweite betrachten, ergiebt sich die abstrakte oder die praktische Bedeutung des objektiven Wertes.
Die eben hervorgehobene Form unsrer inneren Differenzierung ist von fundamentaler Bedeutung: ihre prinzipielle Äuſserung ist das Selbst- bewuſstsein. Daſs wir die Einheit unserer Persönlichkeit in eine Zwei- heit spalten und uns selbst so anschauen, begreifen, beurteilen können, wie einen anderen — das scheint eine spezifische, auf nichts Ursprüng- licheres zurückführbare Fähigkeit des menschlichen Intellekts zu sein. Und zwar bedeutet dies nicht nur eine Zerlegung in zwei sozusagen gleichberechtigte Parteien, sondern die eine Vorstellungsgruppe erscheint als umschlieſsend, formend, maſsgebend der anderen gegenüber, obgleich beide aus einer Quelle flieſsen, und die eine ihre gröſsere Sachlichkeit oder Bedeutung auch nur als Vorstellung eben desselben Bewuſstseins besitzt, der auch die andere angehört. Indem man sagt: ich bin mir meiner selbst bewuſst — empfindet man ein primäres, aktives, gleich- sam hauptsächliches Ich als den Prozeſs vollziehend, dessen Inhalt das Ich als Objekt bildet. Dieses, in das Bewuſstsein erst aufgenommene Ich erscheint jenem untergeordnet, anderen Objekten, deren man sich gleichfalls bewuſst werden kann, koordiniert. Die mit nichts anderem, was wir kennen, vergleichbare Thatsache des Sichselbstgegenübertretens der Seele erfolgt sogleich in der Form eines Rangverhältnisses, das sie in sich selbst herstellt. Und eben dies wiederholt sich auf höherer
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0038"n="14"/>
in keiner Weise abhängt, ist zwar in dieser Gültigkeit etwas äuſserst<lb/>
Bedeutsames, Unverwechselbares, Wertvolles; allein <hirendition="#g">so</hi> lebt es doch<lb/>
in der Welt des Metaphysischen, getrennt von aller Berührung mit<lb/>
dem empirischen Sein. Seine moralisch-praktische Bedeutung ist nur<lb/>
diejenige, die es in seinem Verhältnis zu dem subjektiven Willen, als<lb/>
Kriterium oder treibende Kraft desselben entfaltet. Der unmittelbare<lb/>
subjektive Wert der göttlichen Existenz ist dies, daſs sie uns ein<lb/>
Gegenstand der Anbetung ist und erlösend, versittlichend, begnadigend<lb/>
auf uns wirkt; ganz jenseits dessen aber liegt ihr metaphysischer<lb/>
Sinn, das rein in sich ruhende, sich selbst genieſsende Fürsichsein des<lb/>
Absoluten. So hat der objektive Wert ein doppeltes Gesicht: eines,<lb/>
in dem die merkwürdige Kraft des menschlichen Geistes, seine eigenen<lb/>
Inhalte sich als Normen gegenüberzustellen, ihre absolute Ausgestaltung<lb/>
gewinnt. Und eines, in dem eben dieser objektive Wert den des sub-<lb/>
jektiven Fühlens bedeutet: jenes der metaphysische, dieser der konkrete<lb/>
Sinn seiner. Beides hängt daran, daſs wir uns erstens überhaupt selbst<lb/>
objektivieren und uns selbst gegenübertreten können und daſs dies<lb/>
zweitens sogleich in der Form von normgebenden und normempfangen-<lb/>
den Elementen geschieht. Je nachdem wir das erste nun ohne oder<lb/>
mit Rücksicht auf das zweite betrachten, ergiebt sich die abstrakte<lb/>
oder die praktische Bedeutung des objektiven Wertes.</p><lb/><p>Die eben hervorgehobene Form unsrer inneren Differenzierung ist<lb/>
von fundamentaler Bedeutung: ihre prinzipielle Äuſserung ist das Selbst-<lb/>
bewuſstsein. Daſs wir die Einheit unserer Persönlichkeit in eine Zwei-<lb/>
heit spalten und uns selbst so anschauen, begreifen, beurteilen können,<lb/>
wie einen anderen — das scheint eine spezifische, auf nichts Ursprüng-<lb/>
licheres zurückführbare Fähigkeit des menschlichen Intellekts zu sein.<lb/>
Und zwar bedeutet dies nicht nur eine Zerlegung in zwei sozusagen<lb/>
gleichberechtigte Parteien, sondern die eine Vorstellungsgruppe erscheint<lb/>
als umschlieſsend, formend, maſsgebend der anderen gegenüber, obgleich<lb/>
beide aus einer Quelle flieſsen, und die eine ihre gröſsere Sachlichkeit<lb/>
oder Bedeutung auch nur als Vorstellung eben desselben Bewuſstseins<lb/>
besitzt, der auch die andere angehört. Indem man sagt: ich bin mir<lb/>
meiner selbst bewuſst — empfindet man ein primäres, aktives, gleich-<lb/>
sam hauptsächliches Ich als den Prozeſs vollziehend, dessen Inhalt das<lb/>
Ich als Objekt bildet. Dieses, in das Bewuſstsein erst aufgenommene<lb/>
Ich erscheint jenem untergeordnet, anderen Objekten, deren man sich<lb/>
gleichfalls bewuſst werden kann, koordiniert. Die mit nichts anderem,<lb/>
was wir kennen, vergleichbare Thatsache des Sichselbstgegenübertretens<lb/>
der Seele erfolgt sogleich in der Form eines Rangverhältnisses, das sie<lb/>
in sich selbst herstellt. Und eben dies wiederholt sich auf höherer<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[14/0038]
in keiner Weise abhängt, ist zwar in dieser Gültigkeit etwas äuſserst
Bedeutsames, Unverwechselbares, Wertvolles; allein so lebt es doch
in der Welt des Metaphysischen, getrennt von aller Berührung mit
dem empirischen Sein. Seine moralisch-praktische Bedeutung ist nur
diejenige, die es in seinem Verhältnis zu dem subjektiven Willen, als
Kriterium oder treibende Kraft desselben entfaltet. Der unmittelbare
subjektive Wert der göttlichen Existenz ist dies, daſs sie uns ein
Gegenstand der Anbetung ist und erlösend, versittlichend, begnadigend
auf uns wirkt; ganz jenseits dessen aber liegt ihr metaphysischer
Sinn, das rein in sich ruhende, sich selbst genieſsende Fürsichsein des
Absoluten. So hat der objektive Wert ein doppeltes Gesicht: eines,
in dem die merkwürdige Kraft des menschlichen Geistes, seine eigenen
Inhalte sich als Normen gegenüberzustellen, ihre absolute Ausgestaltung
gewinnt. Und eines, in dem eben dieser objektive Wert den des sub-
jektiven Fühlens bedeutet: jenes der metaphysische, dieser der konkrete
Sinn seiner. Beides hängt daran, daſs wir uns erstens überhaupt selbst
objektivieren und uns selbst gegenübertreten können und daſs dies
zweitens sogleich in der Form von normgebenden und normempfangen-
den Elementen geschieht. Je nachdem wir das erste nun ohne oder
mit Rücksicht auf das zweite betrachten, ergiebt sich die abstrakte
oder die praktische Bedeutung des objektiven Wertes.
Die eben hervorgehobene Form unsrer inneren Differenzierung ist
von fundamentaler Bedeutung: ihre prinzipielle Äuſserung ist das Selbst-
bewuſstsein. Daſs wir die Einheit unserer Persönlichkeit in eine Zwei-
heit spalten und uns selbst so anschauen, begreifen, beurteilen können,
wie einen anderen — das scheint eine spezifische, auf nichts Ursprüng-
licheres zurückführbare Fähigkeit des menschlichen Intellekts zu sein.
Und zwar bedeutet dies nicht nur eine Zerlegung in zwei sozusagen
gleichberechtigte Parteien, sondern die eine Vorstellungsgruppe erscheint
als umschlieſsend, formend, maſsgebend der anderen gegenüber, obgleich
beide aus einer Quelle flieſsen, und die eine ihre gröſsere Sachlichkeit
oder Bedeutung auch nur als Vorstellung eben desselben Bewuſstseins
besitzt, der auch die andere angehört. Indem man sagt: ich bin mir
meiner selbst bewuſst — empfindet man ein primäres, aktives, gleich-
sam hauptsächliches Ich als den Prozeſs vollziehend, dessen Inhalt das
Ich als Objekt bildet. Dieses, in das Bewuſstsein erst aufgenommene
Ich erscheint jenem untergeordnet, anderen Objekten, deren man sich
gleichfalls bewuſst werden kann, koordiniert. Die mit nichts anderem,
was wir kennen, vergleichbare Thatsache des Sichselbstgegenübertretens
der Seele erfolgt sogleich in der Form eines Rangverhältnisses, das sie
in sich selbst herstellt. Und eben dies wiederholt sich auf höherer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/38>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.