Stufe, wenn die äusserste Steigerung des Ich-Empfindens, die religiöse, in der Form der Hingabe unsres Ich an ein über ihm seiendes Prinzip erfolgt, das doch in ihm lebt und insoweit jedenfalls von seinen eigenen Kräften gestaltet ist. Man wird das Sichübersichselbst- erheben der Seele nicht für einen fehlerhaften Zirkel halten können, weil es als fundamentalste Thatsache des Geisteslebens (die Fähigkeit zu ihm heisst eben Geist besitzen!) kein höheres logisches Prinzip, das ihm diesen Charakter aufdrückte, über sich anerkennt. Wird der Wertungsprozess nun demselben Schema unterworfen, so bedeutet es also gar nichts Exzeptionelles, dass er, obgleich als ganzer durchaus subjektiv, doch in sich selbst das objektive Gebilde erzeugt, das ihm selbst als Norm gegenübersteht -- so wenig wir auch zu sagen wissen, wie unsere Seele es macht, diese objektiven Werte vorzustellen, d. h. einen Wert zu fühlen, indem sie zugleich von ihrem Fühlen seiner absieht, ihn gleichsam ausserhalb ihrer selbst zu fühlen.
Verengern wir nun das Problem auf jene Schätzung äusserer Ob- jekte, die schliesslich die Wirtschaft begründet. In dieser liegt offen- bar eine eigentümliche Modifikation des objektiven Wertes vor. Der Gegenstand, der in die Wirtschaft eintritt, mag als isolierter einen subjektiven Wert besitzen; d. h. nur der Zusammenhang seiner an sich ganz indifferenten Existenz mit gewissen Gefühlen verleiht ihm die Bedeutung, die wir seinen Wert nennen. Indem er nun aber in die Wirtschaft eintritt, bekommt dieser Wert eine neue Färbung. Der Gegenstand steht uns jetzt mit einem Werte gegenüber, auf den hin für ihn etwas gefordert wird, oder der einen Gegenwert einbringt. Die Schätzung durch die Subjektivität ist ihm jetzt sozusagen als eine Be- stimmtheit seiner selbst ankristallisiert. Äussere und innere Umstände mögen diesen Wert verkleinern oder vergrössern, aber so lange überhaupt mit dem Gegenstande gewirtschaftet wird, muss das Subjekt mit dem Wert desselben als mit einer objektiven Thatsache rechnen, die von ihrer Anerkennung durch jeden gegebenen Einzelnen unabhängig ist. Würde ihm freilich durch Übereinstimmung aller Subjekte überhaupt die Schätzung verweigert, so würde diese Objektivität seines Wertes wegfallen; allein damit wäre doch zugleich seine wirtschaftliche Rolle verneint. Denn es handelt sich um die eigenartige Objektivität des Wertes, die der Gegenstand als wirtschaftlicher erwirbt; wenn des- halb die Bedingungen, die ihn zu einem solchen machen, wegfallen, so hebt sich das Problem von selbst auf. Auch würde sich der wirt- schaftliche Wert hierin nicht von den vorhin bezeichneten Formen und Stadien des objektiven Wertes unterscheiden, die ihn in die absolute Summe subjektiver Anerkennungen oder in die Normierung, die er
Stufe, wenn die äuſserste Steigerung des Ich-Empfindens, die religiöse, in der Form der Hingabe unsres Ich an ein über ihm seiendes Prinzip erfolgt, das doch in ihm lebt und insoweit jedenfalls von seinen eigenen Kräften gestaltet ist. Man wird das Sichübersichselbst- erheben der Seele nicht für einen fehlerhaften Zirkel halten können, weil es als fundamentalste Thatsache des Geisteslebens (die Fähigkeit zu ihm heiſst eben Geist besitzen!) kein höheres logisches Prinzip, das ihm diesen Charakter aufdrückte, über sich anerkennt. Wird der Wertungsprozeſs nun demselben Schema unterworfen, so bedeutet es also gar nichts Exzeptionelles, daſs er, obgleich als ganzer durchaus subjektiv, doch in sich selbst das objektive Gebilde erzeugt, das ihm selbst als Norm gegenübersteht — so wenig wir auch zu sagen wissen, wie unsere Seele es macht, diese objektiven Werte vorzustellen, d. h. einen Wert zu fühlen, indem sie zugleich von ihrem Fühlen seiner absieht, ihn gleichsam ausserhalb ihrer selbst zu fühlen.
Verengern wir nun das Problem auf jene Schätzung äuſserer Ob- jekte, die schlieſslich die Wirtschaft begründet. In dieser liegt offen- bar eine eigentümliche Modifikation des objektiven Wertes vor. Der Gegenstand, der in die Wirtschaft eintritt, mag als isolierter einen subjektiven Wert besitzen; d. h. nur der Zusammenhang seiner an sich ganz indifferenten Existenz mit gewissen Gefühlen verleiht ihm die Bedeutung, die wir seinen Wert nennen. Indem er nun aber in die Wirtschaft eintritt, bekommt dieser Wert eine neue Färbung. Der Gegenstand steht uns jetzt mit einem Werte gegenüber, auf den hin für ihn etwas gefordert wird, oder der einen Gegenwert einbringt. Die Schätzung durch die Subjektivität ist ihm jetzt sozusagen als eine Be- stimmtheit seiner selbst ankristallisiert. Äuſsere und innere Umstände mögen diesen Wert verkleinern oder vergröſsern, aber so lange überhaupt mit dem Gegenstande gewirtschaftet wird, muſs das Subjekt mit dem Wert desselben als mit einer objektiven Thatsache rechnen, die von ihrer Anerkennung durch jeden gegebenen Einzelnen unabhängig ist. Würde ihm freilich durch Übereinstimmung aller Subjekte überhaupt die Schätzung verweigert, so würde diese Objektivität seines Wertes wegfallen; allein damit wäre doch zugleich seine wirtschaftliche Rolle verneint. Denn es handelt sich um die eigenartige Objektivität des Wertes, die der Gegenstand als wirtschaftlicher erwirbt; wenn des- halb die Bedingungen, die ihn zu einem solchen machen, wegfallen, so hebt sich das Problem von selbst auf. Auch würde sich der wirt- schaftliche Wert hierin nicht von den vorhin bezeichneten Formen und Stadien des objektiven Wertes unterscheiden, die ihn in die absolute Summe subjektiver Anerkennungen oder in die Normierung, die er
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[15/0039]
Stufe, wenn die äuſserste Steigerung des Ich-Empfindens, die religiöse,
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seinen eigenen Kräften gestaltet ist. Man wird das Sichübersichselbst-
erheben der Seele nicht für einen fehlerhaften Zirkel halten können,
weil es als fundamentalste Thatsache des Geisteslebens (die Fähigkeit
zu ihm heiſst eben Geist besitzen!) kein höheres logisches Prinzip,
das ihm diesen Charakter aufdrückte, über sich anerkennt. Wird der
Wertungsprozeſs nun demselben Schema unterworfen, so bedeutet es
also gar nichts Exzeptionelles, daſs er, obgleich als ganzer durchaus
subjektiv, doch in sich selbst das objektive Gebilde erzeugt, das ihm
selbst als Norm gegenübersteht — so wenig wir auch zu sagen wissen,
wie unsere Seele es macht, diese objektiven Werte vorzustellen,
d. h. einen Wert zu fühlen, indem sie zugleich von ihrem Fühlen
seiner absieht, ihn gleichsam ausserhalb ihrer selbst zu fühlen.
Verengern wir nun das Problem auf jene Schätzung äuſserer Ob-
jekte, die schlieſslich die Wirtschaft begründet. In dieser liegt offen-
bar eine eigentümliche Modifikation des objektiven Wertes vor. Der
Gegenstand, der in die Wirtschaft eintritt, mag als isolierter einen
subjektiven Wert besitzen; d. h. nur der Zusammenhang seiner an sich
ganz indifferenten Existenz mit gewissen Gefühlen verleiht ihm die
Bedeutung, die wir seinen Wert nennen. Indem er nun aber in die
Wirtschaft eintritt, bekommt dieser Wert eine neue Färbung. Der
Gegenstand steht uns jetzt mit einem Werte gegenüber, auf den hin
für ihn etwas gefordert wird, oder der einen Gegenwert einbringt. Die
Schätzung durch die Subjektivität ist ihm jetzt sozusagen als eine Be-
stimmtheit seiner selbst ankristallisiert. Äuſsere und innere Umstände
mögen diesen Wert verkleinern oder vergröſsern, aber so lange überhaupt
mit dem Gegenstande gewirtschaftet wird, muſs das Subjekt mit dem
Wert desselben als mit einer objektiven Thatsache rechnen, die von
ihrer Anerkennung durch jeden gegebenen Einzelnen unabhängig ist.
Würde ihm freilich durch Übereinstimmung aller Subjekte überhaupt
die Schätzung verweigert, so würde diese Objektivität seines Wertes
wegfallen; allein damit wäre doch zugleich seine wirtschaftliche
Rolle verneint. Denn es handelt sich um die eigenartige Objektivität
des Wertes, die der Gegenstand als wirtschaftlicher erwirbt; wenn des-
halb die Bedingungen, die ihn zu einem solchen machen, wegfallen,
so hebt sich das Problem von selbst auf. Auch würde sich der wirt-
schaftliche Wert hierin nicht von den vorhin bezeichneten Formen und
Stadien des objektiven Wertes unterscheiden, die ihn in die absolute
Summe subjektiver Anerkennungen oder in die Normierung, die er
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/39>, abgerufen am 23.11.2024.
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