war die Aufbringung der Mittel, die Karl V. zu den für seine Kaiser- wahl nötigen Bestechungen brauchte!
In allem hier Erörterten handelte es sich um den Verkauf von Werten, die zwar personaler, aber doch nicht subjektiver Natur sind, durch deren Bewahrung die Persönlichkeit -- im Gegensatz zu den Werten subjektiven Geniessens -- einen objektiven Wert an sich selbst empfindet. Dass der Komplex der Lebenskräfte, den man in die Ehe hineingiebt, dabei der Richtung des eignen Instinktes folge; dass die Frau sich nur da ganz hingebe, wo der Mann dies mit gleichwertigen Empfindungen erwidert; dass Worte und Thaten der folgsame Aus- druck von Überzeugungen und Verpflichtungen sind -- dies alles bedeutet nicht sowohl einen Wert, den wir haben, als einen, der wir sind. In- dem man alles dies für Geld aufgiebt, hat man sein Sein gegen ein Haben ausgetauscht. Gewiss sind beide Begriffe aufeinander zurück- führbar. Denn alle Inhalte unseres Seins bieten sich uns als Besitz jenes an sich ganz inhaltlosen, rein formalen Zentrums in uns, das wir als unser gleichsam punktuelles Ich und als das habende Subjekt, gegenüber all seinen Qualitäten, Interessen, Gefühlen, als gehabten Objekten, empfinden; und andrerseits ist Besitz, wie wir sahen, ein Ausdehnen unserer Machtsphäre, ein Verfügenkönnen über Objekte, die eben damit in den Umkreis unseres Ich hineingezogen werden. Das Ich, unser Wollen und Fühlen, setzt sich in die Dinge hinein fort, die es besitzt: von der einen Seite gesehen hat es auch sein Innerlichstes, insoweit es nur ein einzelner, angebbarer Inhalt ist, doch schon ausser sich, als ein objektives, seinem Zentralpunkt erst zugehöriges Haben, von der anderen her hat es auch sein Äusserlichstes, insoweit es wirklich sein Besitz ist, in sich; indem es die Dinge hat, sind sie Kompetenzen seines Seins, das ohne jedes einzelne dieser ein anderes wäre. Logisch und psychologisch betrachtet ist es also willkür- lich, zwischen Sein und Haben einen Grenzstrich zu ziehen. Wenn wir diesen dennoch als sachlich berechtigt empfinden, so ist es, weil Sein und Haben, auf ihren Unterschied hin angesehen, keine theo- retisch-objektiven, sondern Wertbegriffe sind. Es ist eine bestimmte Wertart und Wertmass, die wir unseren Lebensinhalten zusprechen, wenn wir sie als unser Sein, eine andere, wenn wir sie als unser Haben bezeichnen. Denn deutet man von diesen Inhalten diejenigen, welche dem rätselhaften Ich-Mittelpunkt nahe liegen, als unser Sein, die entfernteren als unser Haben, so ist ihre Rangierung auf dieser -- jede scharfe Abgrenzung offenbar ausschliessenden -- Reihe doch nur durch die Verschiedenheit der Wertgefühle herstellbar, von denen die einen und die anderen begleitet werden. Wenn wir in jenen Verkäufen das,
war die Aufbringung der Mittel, die Karl V. zu den für seine Kaiser- wahl nötigen Bestechungen brauchte!
In allem hier Erörterten handelte es sich um den Verkauf von Werten, die zwar personaler, aber doch nicht subjektiver Natur sind, durch deren Bewahrung die Persönlichkeit — im Gegensatz zu den Werten subjektiven Genieſsens — einen objektiven Wert an sich selbst empfindet. Daſs der Komplex der Lebenskräfte, den man in die Ehe hineingiebt, dabei der Richtung des eignen Instinktes folge; daſs die Frau sich nur da ganz hingebe, wo der Mann dies mit gleichwertigen Empfindungen erwidert; daſs Worte und Thaten der folgsame Aus- druck von Überzeugungen und Verpflichtungen sind — dies alles bedeutet nicht sowohl einen Wert, den wir haben, als einen, der wir sind. In- dem man alles dies für Geld aufgiebt, hat man sein Sein gegen ein Haben ausgetauscht. Gewiſs sind beide Begriffe aufeinander zurück- führbar. Denn alle Inhalte unseres Seins bieten sich uns als Besitz jenes an sich ganz inhaltlosen, rein formalen Zentrums in uns, das wir als unser gleichsam punktuelles Ich und als das habende Subjekt, gegenüber all seinen Qualitäten, Interessen, Gefühlen, als gehabten Objekten, empfinden; und andrerseits ist Besitz, wie wir sahen, ein Ausdehnen unserer Machtsphäre, ein Verfügenkönnen über Objekte, die eben damit in den Umkreis unseres Ich hineingezogen werden. Das Ich, unser Wollen und Fühlen, setzt sich in die Dinge hinein fort, die es besitzt: von der einen Seite gesehen hat es auch sein Innerlichstes, insoweit es nur ein einzelner, angebbarer Inhalt ist, doch schon auſser sich, als ein objektives, seinem Zentralpunkt erst zugehöriges Haben, von der anderen her hat es auch sein Äuſserlichstes, insoweit es wirklich sein Besitz ist, in sich; indem es die Dinge hat, sind sie Kompetenzen seines Seins, das ohne jedes einzelne dieser ein anderes wäre. Logisch und psychologisch betrachtet ist es also willkür- lich, zwischen Sein und Haben einen Grenzstrich zu ziehen. Wenn wir diesen dennoch als sachlich berechtigt empfinden, so ist es, weil Sein und Haben, auf ihren Unterschied hin angesehen, keine theo- retisch-objektiven, sondern Wertbegriffe sind. Es ist eine bestimmte Wertart und Wertmaſs, die wir unseren Lebensinhalten zusprechen, wenn wir sie als unser Sein, eine andere, wenn wir sie als unser Haben bezeichnen. Denn deutet man von diesen Inhalten diejenigen, welche dem rätselhaften Ich-Mittelpunkt nahe liegen, als unser Sein, die entfernteren als unser Haben, so ist ihre Rangierung auf dieser — jede scharfe Abgrenzung offenbar ausschlieſsenden — Reihe doch nur durch die Verschiedenheit der Wertgefühle herstellbar, von denen die einen und die anderen begleitet werden. Wenn wir in jenen Verkäufen das,
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[406/0430]
war die Aufbringung der Mittel, die Karl V. zu den für seine Kaiser-
wahl nötigen Bestechungen brauchte!
In allem hier Erörterten handelte es sich um den Verkauf von
Werten, die zwar personaler, aber doch nicht subjektiver Natur sind,
durch deren Bewahrung die Persönlichkeit — im Gegensatz zu den
Werten subjektiven Genieſsens — einen objektiven Wert an sich selbst
empfindet. Daſs der Komplex der Lebenskräfte, den man in die Ehe
hineingiebt, dabei der Richtung des eignen Instinktes folge; daſs die
Frau sich nur da ganz hingebe, wo der Mann dies mit gleichwertigen
Empfindungen erwidert; daſs Worte und Thaten der folgsame Aus-
druck von Überzeugungen und Verpflichtungen sind — dies alles bedeutet
nicht sowohl einen Wert, den wir haben, als einen, der wir sind. In-
dem man alles dies für Geld aufgiebt, hat man sein Sein gegen ein
Haben ausgetauscht. Gewiſs sind beide Begriffe aufeinander zurück-
führbar. Denn alle Inhalte unseres Seins bieten sich uns als Besitz
jenes an sich ganz inhaltlosen, rein formalen Zentrums in uns, das wir
als unser gleichsam punktuelles Ich und als das habende Subjekt,
gegenüber all seinen Qualitäten, Interessen, Gefühlen, als gehabten
Objekten, empfinden; und andrerseits ist Besitz, wie wir sahen, ein
Ausdehnen unserer Machtsphäre, ein Verfügenkönnen über Objekte, die
eben damit in den Umkreis unseres Ich hineingezogen werden. Das
Ich, unser Wollen und Fühlen, setzt sich in die Dinge hinein fort, die
es besitzt: von der einen Seite gesehen hat es auch sein Innerlichstes,
insoweit es nur ein einzelner, angebbarer Inhalt ist, doch schon
auſser sich, als ein objektives, seinem Zentralpunkt erst zugehöriges
Haben, von der anderen her hat es auch sein Äuſserlichstes, insoweit es
wirklich sein Besitz ist, in sich; indem es die Dinge hat, sind sie
Kompetenzen seines Seins, das ohne jedes einzelne dieser ein anderes
wäre. Logisch und psychologisch betrachtet ist es also willkür-
lich, zwischen Sein und Haben einen Grenzstrich zu ziehen. Wenn
wir diesen dennoch als sachlich berechtigt empfinden, so ist es, weil
Sein und Haben, auf ihren Unterschied hin angesehen, keine theo-
retisch-objektiven, sondern Wertbegriffe sind. Es ist eine bestimmte
Wertart und Wertmaſs, die wir unseren Lebensinhalten zusprechen,
wenn wir sie als unser Sein, eine andere, wenn wir sie als unser Haben
bezeichnen. Denn deutet man von diesen Inhalten diejenigen, welche
dem rätselhaften Ich-Mittelpunkt nahe liegen, als unser Sein, die
entfernteren als unser Haben, so ist ihre Rangierung auf dieser — jede
scharfe Abgrenzung offenbar ausschlieſsenden — Reihe doch nur durch
die Verschiedenheit der Wertgefühle herstellbar, von denen die einen
und die anderen begleitet werden. Wenn wir in jenen Verkäufen das,
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/430>, abgerufen am 22.11.2024.
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