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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900.

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diese nicht nur in ihrer äusserlichen Verwirklichung, sondern auch
ihrem Inhalte nach individuellen Charakter trägt. Die folgende Er-
scheinungsreihe mag das klar machen. Wo Geld und Leistungen aus-
getauscht werden, da beansprucht zwar der Geldgeber nur das festgestellte
Objekt, die sachlich umschriebene Leistung. Der sachlich Leistende da-
gegen verlangt, wünscht wenigstens, in vielen Fällen noch etwas mehr
ausser dem Gelde. Wer in ein Konzert geht, ist zufrieden, wenn er für
sein Geld die erwarteten Stücke in erwarteter Vollendung hört; der
Künstler ist aber mit dem Gelde nicht zufrieden, er verlangt auch Beifall.
Wer sich malen lässt, ist befriedigt, wenn er das hinreichend gelungene
Porträt in Händen hat; der Maler aber nicht, wenn er den verabredeten
Preis in Händen hat, sondern erst, wenn ihm noch dazu subjektive An-
erkennung und übersubjektiver Ruhm zu teil wird. Der Minister ver-
langt nicht nur den Gehalt, sondern auch den Dank des Fürsten und
der Nation, der Lehrer und der Geistliche nicht nur ihre Bezüge,
sondern auch Pietät und Anhänglichkeit, ja, der bessere Kaufmann
will nicht nur Geld für seine Ware, sondern auch, dass der Käufer
zufrieden sei -- und das keineswegs immer nur, damit er wieder-
komme. Kurz, sehr viele Leistende beanspruchen ausser dem Gelde,
das sie objektiv als das zureichende Äquivalent ihrer Leistung an-
erkennen, doch noch eine persönliche Anerkennung, irgend ein sub-
jektives Bezeigen des Bezahlers, das jenseits seiner verabredeten
Geldleistung steht und diese für das Gefühl des Empfangenden erst
zur vollen Äquivalenz mit seiner Leistung ergänzt. Hier haben wir
das genaue Gegenstück der Erscheinung, die ich im dritten Kapitel
als das Superadditum des Geldbesitzes beschrieb. Dort wuchs dem
Geldgebenden ausser dem präzisen Gegenwert seiner Aufwendung noch
ein Mehr aus dem über jeden einzelnen Objektwert hinausgreifenden
Charakter des Geldes zu. Aber eben seinem Wesen, das am meisten
von allen empirischen Dingen, mit Jakob Böhme zu reden, Wurf und
Gegenwurf miteinander verbindet, entspricht diese Ausgleichung: personale
Darbietungen, die grade über ihr Geldäquivalent hinaus noch ein Plus
fordern. Und wie dort nach der Seite des Geldes, so drückt sich hier
nach der Seite der Leistung der Anspruch über den direkten Austausch
hinaus in einer Sphäre aus, die die Persönlichkeit als der geometrische
Ort ihrer Ansprüche umgiebt und jenseits jedes einzelnen von diesen
besteht. Der Saldo, der auf diese Weise bei dem Austausch von Geld
und personaler Leistung zu gunsten der letzteren bleibt, kann so sehr
als das Überwiegende empfunden werden, dass die Annahme eines
Geldäquivalentes schon die Leistung und damit die Person herabzu-
setzen scheint: als würde, was man an Geld erhält, jenem idealen

diese nicht nur in ihrer äuſserlichen Verwirklichung, sondern auch
ihrem Inhalte nach individuellen Charakter trägt. Die folgende Er-
scheinungsreihe mag das klar machen. Wo Geld und Leistungen aus-
getauscht werden, da beansprucht zwar der Geldgeber nur das festgestellte
Objekt, die sachlich umschriebene Leistung. Der sachlich Leistende da-
gegen verlangt, wünscht wenigstens, in vielen Fällen noch etwas mehr
auſser dem Gelde. Wer in ein Konzert geht, ist zufrieden, wenn er für
sein Geld die erwarteten Stücke in erwarteter Vollendung hört; der
Künstler ist aber mit dem Gelde nicht zufrieden, er verlangt auch Beifall.
Wer sich malen läſst, ist befriedigt, wenn er das hinreichend gelungene
Porträt in Händen hat; der Maler aber nicht, wenn er den verabredeten
Preis in Händen hat, sondern erst, wenn ihm noch dazu subjektive An-
erkennung und übersubjektiver Ruhm zu teil wird. Der Minister ver-
langt nicht nur den Gehalt, sondern auch den Dank des Fürsten und
der Nation, der Lehrer und der Geistliche nicht nur ihre Bezüge,
sondern auch Pietät und Anhänglichkeit, ja, der bessere Kaufmann
will nicht nur Geld für seine Ware, sondern auch, daſs der Käufer
zufrieden sei — und das keineswegs immer nur, damit er wieder-
komme. Kurz, sehr viele Leistende beanspruchen auſser dem Gelde,
das sie objektiv als das zureichende Äquivalent ihrer Leistung an-
erkennen, doch noch eine persönliche Anerkennung, irgend ein sub-
jektives Bezeigen des Bezahlers, das jenseits seiner verabredeten
Geldleistung steht und diese für das Gefühl des Empfangenden erst
zur vollen Äquivalenz mit seiner Leistung ergänzt. Hier haben wir
das genaue Gegenstück der Erscheinung, die ich im dritten Kapitel
als das Superadditum des Geldbesitzes beschrieb. Dort wuchs dem
Geldgebenden auſser dem präzisen Gegenwert seiner Aufwendung noch
ein Mehr aus dem über jeden einzelnen Objektwert hinausgreifenden
Charakter des Geldes zu. Aber eben seinem Wesen, das am meisten
von allen empirischen Dingen, mit Jakob Böhme zu reden, Wurf und
Gegenwurf miteinander verbindet, entspricht diese Ausgleichung: personale
Darbietungen, die grade über ihr Geldäquivalent hinaus noch ein Plus
fordern. Und wie dort nach der Seite des Geldes, so drückt sich hier
nach der Seite der Leistung der Anspruch über den direkten Austausch
hinaus in einer Sphäre aus, die die Persönlichkeit als der geometrische
Ort ihrer Ansprüche umgiebt und jenseits jedes einzelnen von diesen
besteht. Der Saldo, der auf diese Weise bei dem Austausch von Geld
und personaler Leistung zu gunsten der letzteren bleibt, kann so sehr
als das Überwiegende empfunden werden, daſs die Annahme eines
Geldäquivalentes schon die Leistung und damit die Person herabzu-
setzen scheint: als würde, was man an Geld erhält, jenem idealen

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[426/0450] diese nicht nur in ihrer äuſserlichen Verwirklichung, sondern auch ihrem Inhalte nach individuellen Charakter trägt. Die folgende Er- scheinungsreihe mag das klar machen. Wo Geld und Leistungen aus- getauscht werden, da beansprucht zwar der Geldgeber nur das festgestellte Objekt, die sachlich umschriebene Leistung. Der sachlich Leistende da- gegen verlangt, wünscht wenigstens, in vielen Fällen noch etwas mehr auſser dem Gelde. Wer in ein Konzert geht, ist zufrieden, wenn er für sein Geld die erwarteten Stücke in erwarteter Vollendung hört; der Künstler ist aber mit dem Gelde nicht zufrieden, er verlangt auch Beifall. Wer sich malen läſst, ist befriedigt, wenn er das hinreichend gelungene Porträt in Händen hat; der Maler aber nicht, wenn er den verabredeten Preis in Händen hat, sondern erst, wenn ihm noch dazu subjektive An- erkennung und übersubjektiver Ruhm zu teil wird. Der Minister ver- langt nicht nur den Gehalt, sondern auch den Dank des Fürsten und der Nation, der Lehrer und der Geistliche nicht nur ihre Bezüge, sondern auch Pietät und Anhänglichkeit, ja, der bessere Kaufmann will nicht nur Geld für seine Ware, sondern auch, daſs der Käufer zufrieden sei — und das keineswegs immer nur, damit er wieder- komme. Kurz, sehr viele Leistende beanspruchen auſser dem Gelde, das sie objektiv als das zureichende Äquivalent ihrer Leistung an- erkennen, doch noch eine persönliche Anerkennung, irgend ein sub- jektives Bezeigen des Bezahlers, das jenseits seiner verabredeten Geldleistung steht und diese für das Gefühl des Empfangenden erst zur vollen Äquivalenz mit seiner Leistung ergänzt. Hier haben wir das genaue Gegenstück der Erscheinung, die ich im dritten Kapitel als das Superadditum des Geldbesitzes beschrieb. Dort wuchs dem Geldgebenden auſser dem präzisen Gegenwert seiner Aufwendung noch ein Mehr aus dem über jeden einzelnen Objektwert hinausgreifenden Charakter des Geldes zu. Aber eben seinem Wesen, das am meisten von allen empirischen Dingen, mit Jakob Böhme zu reden, Wurf und Gegenwurf miteinander verbindet, entspricht diese Ausgleichung: personale Darbietungen, die grade über ihr Geldäquivalent hinaus noch ein Plus fordern. Und wie dort nach der Seite des Geldes, so drückt sich hier nach der Seite der Leistung der Anspruch über den direkten Austausch hinaus in einer Sphäre aus, die die Persönlichkeit als der geometrische Ort ihrer Ansprüche umgiebt und jenseits jedes einzelnen von diesen besteht. Der Saldo, der auf diese Weise bei dem Austausch von Geld und personaler Leistung zu gunsten der letzteren bleibt, kann so sehr als das Überwiegende empfunden werden, daſs die Annahme eines Geldäquivalentes schon die Leistung und damit die Person herabzu- setzen scheint: als würde, was man an Geld erhält, jenem idealen

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Zitationshilfe: Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/450>, abgerufen am 22.11.2024.