überhaupt nicht existiert; daher stehen sie für diesen überhaupt noch jenseits der positiven Bestimmungen: Nähe und Entfernung. Beides pflegt sich erst in Wechselwirkung aus jenem Indifferenzzustand heraus zu entwickeln. Der moderne Mensch muss ganz anders arbeiten, ganz andere Bemühungsintensitäten hingeben als der Naturmensch, d. h. der Abstand zwischen ihm und den Gegenständen seines Wollens ist ausserordentlich viel weiter, viel härtere Bedingungen stehen zwischen beiden; aber dafür ist das Quantum dessen, was er sich ideell, durch sein Be- gehren, und real durch seine Arbeitsopfer nahe bringt, ein unendlich viel grösseres. Der Kulturprozess -- eben der, der die subjektive Wertung der Dinge in die objektive überführt -- treibt die Elemente unseres Doppelverhältnisses von Nähe und Entfernung den Dingen gegenüber immer schärfer auseinander.
In diesem zweiseitigen Prozess nun stellt sich der wirtschaftlich objek- tive Wert folgendermassen dar. Die Wirtschaft verläuft so, als ob die Dinge sich ihren Wert gegenseitig bestimmten. Denn indem sie gegeneinander ausgetauscht werden, gewinnt jeder die praktische Ver- wirklichung und das Mass seines Wertes an dem andern. Dies ist die entschiedenste Folge und Ausdruck der Distanzierung der Gegenstände vom Subjekt. So lange sie diesem unmittelbar nahe sind, so lange nicht Differenziertheit der Begehrungen, Seltenheit des Vorkommens, Schwierigkeiten und Widerstände der Erlangung sie von dem Subjekte fortschieben, verleiht dieses ihnen den Wert ohne weiteres, misst ihn ihnen gleichsam ohne Zwischenraum zu. Erst wenn diese subjektive Unmittelbarkeit, in der das Objekt für das Subjekt lebt und von ihm gefühlt wird, gebrochen ist, können die Objekte untereinander in das Verhältnis gegenseitiger Wertbestimmung treten. Die Form, die der Wert im Tausch annimmt, reiht ihn in jene beschriebene Kategorie jenseits des strengen Sinnes von Subjektivität und Objektivität ein; im Tausch wird er übersubjektiv, überindividuell, ohne doch eine sach- liche Qualität und Wirklichkeit an dem Dinge selbst zu werden: er tritt als die, gleichsam über die immanente Sachlichkeit des Dinges hinausreichende Forderung desselben auf, nur gegen einen entsprechen- den Gegenwert fortgegeben, nur für einen solchen erworben zu werden. Das Ich, wenngleich die allgemeine Quelle der Werte überhaupt, tritt so weit von seinen Geschöpfen zurück, dass sie nun ihre Bedeutungen aneinander, ohne jedesmaliges Zurückbeziehen auf das Ich, messen können. Dieses rein sachliche Verhältnis der Werte untereinander, das sich im Tausche vollzieht und von ihm getragen wird, hat aber seinen Zweck ersichtlich in dem schliesslichen subjektiven Genuss derselben, d. h. darin, dass eine grössere Anzahl und Intensität derselben uns nahe
überhaupt nicht existiert; daher stehen sie für diesen überhaupt noch jenseits der positiven Bestimmungen: Nähe und Entfernung. Beides pflegt sich erst in Wechselwirkung aus jenem Indifferenzzustand heraus zu entwickeln. Der moderne Mensch muſs ganz anders arbeiten, ganz andere Bemühungsintensitäten hingeben als der Naturmensch, d. h. der Abstand zwischen ihm und den Gegenständen seines Wollens ist auſserordentlich viel weiter, viel härtere Bedingungen stehen zwischen beiden; aber dafür ist das Quantum dessen, was er sich ideell, durch sein Be- gehren, und real durch seine Arbeitsopfer nahe bringt, ein unendlich viel gröſseres. Der Kulturprozeſs — eben der, der die subjektive Wertung der Dinge in die objektive überführt — treibt die Elemente unseres Doppelverhältnisses von Nähe und Entfernung den Dingen gegenüber immer schärfer auseinander.
In diesem zweiseitigen Prozeſs nun stellt sich der wirtschaftlich objek- tive Wert folgendermaſsen dar. Die Wirtschaft verläuft so, als ob die Dinge sich ihren Wert gegenseitig bestimmten. Denn indem sie gegeneinander ausgetauscht werden, gewinnt jeder die praktische Ver- wirklichung und das Maſs seines Wertes an dem andern. Dies ist die entschiedenste Folge und Ausdruck der Distanzierung der Gegenstände vom Subjekt. So lange sie diesem unmittelbar nahe sind, so lange nicht Differenziertheit der Begehrungen, Seltenheit des Vorkommens, Schwierigkeiten und Widerstände der Erlangung sie von dem Subjekte fortschieben, verleiht dieses ihnen den Wert ohne weiteres, miſst ihn ihnen gleichsam ohne Zwischenraum zu. Erst wenn diese subjektive Unmittelbarkeit, in der das Objekt für das Subjekt lebt und von ihm gefühlt wird, gebrochen ist, können die Objekte untereinander in das Verhältnis gegenseitiger Wertbestimmung treten. Die Form, die der Wert im Tausch annimmt, reiht ihn in jene beschriebene Kategorie jenseits des strengen Sinnes von Subjektivität und Objektivität ein; im Tausch wird er übersubjektiv, überindividuell, ohne doch eine sach- liche Qualität und Wirklichkeit an dem Dinge selbst zu werden: er tritt als die, gleichsam über die immanente Sachlichkeit des Dinges hinausreichende Forderung desselben auf, nur gegen einen entsprechen- den Gegenwert fortgegeben, nur für einen solchen erworben zu werden. Das Ich, wenngleich die allgemeine Quelle der Werte überhaupt, tritt so weit von seinen Geschöpfen zurück, daſs sie nun ihre Bedeutungen aneinander, ohne jedesmaliges Zurückbeziehen auf das Ich, messen können. Dieses rein sachliche Verhältnis der Werte untereinander, das sich im Tausche vollzieht und von ihm getragen wird, hat aber seinen Zweck ersichtlich in dem schlieſslichen subjektiven Genuſs derselben, d. h. darin, daſs eine gröſsere Anzahl und Intensität derselben uns nahe
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[27/0051]
überhaupt nicht existiert; daher stehen sie für diesen überhaupt noch
jenseits der positiven Bestimmungen: Nähe und Entfernung. Beides
pflegt sich erst in Wechselwirkung aus jenem Indifferenzzustand heraus zu
entwickeln. Der moderne Mensch muſs ganz anders arbeiten, ganz andere
Bemühungsintensitäten hingeben als der Naturmensch, d. h. der Abstand
zwischen ihm und den Gegenständen seines Wollens ist auſserordentlich
viel weiter, viel härtere Bedingungen stehen zwischen beiden; aber
dafür ist das Quantum dessen, was er sich ideell, durch sein Be-
gehren, und real durch seine Arbeitsopfer nahe bringt, ein unendlich
viel gröſseres. Der Kulturprozeſs — eben der, der die subjektive
Wertung der Dinge in die objektive überführt — treibt die Elemente
unseres Doppelverhältnisses von Nähe und Entfernung den Dingen
gegenüber immer schärfer auseinander.
In diesem zweiseitigen Prozeſs nun stellt sich der wirtschaftlich objek-
tive Wert folgendermaſsen dar. Die Wirtschaft verläuft so, als ob die
Dinge sich ihren Wert gegenseitig bestimmten. Denn indem sie
gegeneinander ausgetauscht werden, gewinnt jeder die praktische Ver-
wirklichung und das Maſs seines Wertes an dem andern. Dies ist die
entschiedenste Folge und Ausdruck der Distanzierung der Gegenstände
vom Subjekt. So lange sie diesem unmittelbar nahe sind, so lange
nicht Differenziertheit der Begehrungen, Seltenheit des Vorkommens,
Schwierigkeiten und Widerstände der Erlangung sie von dem Subjekte
fortschieben, verleiht dieses ihnen den Wert ohne weiteres, miſst ihn
ihnen gleichsam ohne Zwischenraum zu. Erst wenn diese subjektive
Unmittelbarkeit, in der das Objekt für das Subjekt lebt und von ihm
gefühlt wird, gebrochen ist, können die Objekte untereinander in
das Verhältnis gegenseitiger Wertbestimmung treten. Die Form, die der
Wert im Tausch annimmt, reiht ihn in jene beschriebene Kategorie
jenseits des strengen Sinnes von Subjektivität und Objektivität ein; im
Tausch wird er übersubjektiv, überindividuell, ohne doch eine sach-
liche Qualität und Wirklichkeit an dem Dinge selbst zu werden: er
tritt als die, gleichsam über die immanente Sachlichkeit des Dinges
hinausreichende Forderung desselben auf, nur gegen einen entsprechen-
den Gegenwert fortgegeben, nur für einen solchen erworben zu werden.
Das Ich, wenngleich die allgemeine Quelle der Werte überhaupt, tritt
so weit von seinen Geschöpfen zurück, daſs sie nun ihre Bedeutungen
aneinander, ohne jedesmaliges Zurückbeziehen auf das Ich, messen
können. Dieses rein sachliche Verhältnis der Werte untereinander, das
sich im Tausche vollzieht und von ihm getragen wird, hat aber seinen
Zweck ersichtlich in dem schlieſslichen subjektiven Genuſs derselben,
d. h. darin, daſs eine gröſsere Anzahl und Intensität derselben uns nahe
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/51>, abgerufen am 23.11.2024.
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