ausstattung einen förmlichen Fetischdienst fordere, und in dem ge- legentlich hervorbrechenden Hass tieferer und ernsterer Naturen gegen die zahllosen Einzelheiten, mit denen wir unser Leben behängen. Der erstere Fall ist deshalb kulturell so bezeichnend, weil die sorgende und erhaltende Thätigkeit der Hausfrau früher umfänglicher und an- strengender war als jetzt. Allein zu jenem Gefühl der Unfreiheit den Objekten gegenüber kam es nicht, weil sie der Persönlichkeit enger verbunden waren. Die wenigeren, undifferenzierteren Gegenstände konnte diese eher mit sich durchdringen, sie setzten ihr nicht die Selbständigkeit entgegen wie ein Haufe spezialisierter Dinge. Diese erst, wenn wir ihnen dienen sollen, empfinden wir als eine feindliche Macht. Wie Freiheit nichts negatives ist, sondern die positive Er- streckung des Ich über ihm nachgebende Objekte, so ist umgekehrt Objekt für uns nur dasjenige, woran unsere Freiheit erlahmt, d. h. wozu wir in Beziehung stehen, ohne es doch unserem Ich assimilieren zu können. Das Gefühl, von den Äusserlichkeiten erdrückt zu werden, mit denen das moderne Leben uns umgiebt, ist nicht nur die Folge, sondern auch die Ursache davon, dass sie uns als autonome Objekte gegenübertreten. Das Peinliche ist, dass diese vielfachen, umdrängen- den Dinge uns im Grunde eben gleichgültig sind, und zwar aus den spezifisch geldwirtschaftlichen Gründen der unpersönlichen Genesis und der leichten Ersetzbarkeit. Dass die Grossindustrie den sozialistischen Gedanken nährt, beruht nicht nur auf den Verhältnissen ihrer Arbeiter, sondern auch auf der objektiven Beschaffenheit ihrer Produkte: der moderne Mensch ist von lauter so unpersönlichen Dingen umgeben, dass ihm die Vorstellung einer überhaupt anti-individuellen Lebensord- nung immer näher kommen muss -- freilich auch die Opposition dagegen. Die Kulturobjekte erwachsen immer mehr zu einer in sich zusammen- hängenden Welt, die an immer wenigeren Punkten auf die subjektive Seele mit ihrem Wollen und Fühlen hinuntergreift. Und dieser Zu- sammenhang wird von einer gewissen Selbstbeweglichkeit der Objekte getragen. Man hat hervorgehoben, dass der Kaufmann, der Hand- werker, der Gelehrte heute weit weniger beweglich ist, als etwa in der Reformationszeit. Materielle wie geistige Objekte bewegen sich jetzt eben selbständig, ohne personalen Träger oder Transporteur. Dinge und Menschen sind auseinandergetreten. Der Gedanke, die Arbeits- mühe, die Geschicklichkeit haben durch ihre steigende Investierung in objektiven Gebilden, Büchern und Waren, die Möglichkeit einer Eigen- bewegung erhalten, für die der moderne Fortschritt in Transport- mitteln nur die Verwirklichung oder der Ausdruck ist. Durch ihre eigene impersonale Beweglichkeit erst vollendet sich die Differenzie-
ausstattung einen förmlichen Fetischdienst fordere, und in dem ge- legentlich hervorbrechenden Haſs tieferer und ernsterer Naturen gegen die zahllosen Einzelheiten, mit denen wir unser Leben behängen. Der erstere Fall ist deshalb kulturell so bezeichnend, weil die sorgende und erhaltende Thätigkeit der Hausfrau früher umfänglicher und an- strengender war als jetzt. Allein zu jenem Gefühl der Unfreiheit den Objekten gegenüber kam es nicht, weil sie der Persönlichkeit enger verbunden waren. Die wenigeren, undifferenzierteren Gegenstände konnte diese eher mit sich durchdringen, sie setzten ihr nicht die Selbständigkeit entgegen wie ein Haufe spezialisierter Dinge. Diese erst, wenn wir ihnen dienen sollen, empfinden wir als eine feindliche Macht. Wie Freiheit nichts negatives ist, sondern die positive Er- streckung des Ich über ihm nachgebende Objekte, so ist umgekehrt Objekt für uns nur dasjenige, woran unsere Freiheit erlahmt, d. h. wozu wir in Beziehung stehen, ohne es doch unserem Ich assimilieren zu können. Das Gefühl, von den Äuſserlichkeiten erdrückt zu werden, mit denen das moderne Leben uns umgiebt, ist nicht nur die Folge, sondern auch die Ursache davon, daſs sie uns als autonome Objekte gegenübertreten. Das Peinliche ist, daſs diese vielfachen, umdrängen- den Dinge uns im Grunde eben gleichgültig sind, und zwar aus den spezifisch geldwirtschaftlichen Gründen der unpersönlichen Genesis und der leichten Ersetzbarkeit. Daſs die Groſsindustrie den sozialistischen Gedanken nährt, beruht nicht nur auf den Verhältnissen ihrer Arbeiter, sondern auch auf der objektiven Beschaffenheit ihrer Produkte: der moderne Mensch ist von lauter so unpersönlichen Dingen umgeben, daſs ihm die Vorstellung einer überhaupt anti-individuellen Lebensord- nung immer näher kommen muſs — freilich auch die Opposition dagegen. Die Kulturobjekte erwachsen immer mehr zu einer in sich zusammen- hängenden Welt, die an immer wenigeren Punkten auf die subjektive Seele mit ihrem Wollen und Fühlen hinuntergreift. Und dieser Zu- sammenhang wird von einer gewissen Selbstbeweglichkeit der Objekte getragen. Man hat hervorgehoben, daſs der Kaufmann, der Hand- werker, der Gelehrte heute weit weniger beweglich ist, als etwa in der Reformationszeit. Materielle wie geistige Objekte bewegen sich jetzt eben selbständig, ohne personalen Träger oder Transporteur. Dinge und Menschen sind auseinandergetreten. Der Gedanke, die Arbeits- mühe, die Geschicklichkeit haben durch ihre steigende Investierung in objektiven Gebilden, Büchern und Waren, die Möglichkeit einer Eigen- bewegung erhalten, für die der moderne Fortschritt in Transport- mitteln nur die Verwirklichung oder der Ausdruck ist. Durch ihre eigene impersonale Beweglichkeit erst vollendet sich die Differenzie-
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[492/0516]
ausstattung einen förmlichen Fetischdienst fordere, und in dem ge-
legentlich hervorbrechenden Haſs tieferer und ernsterer Naturen gegen
die zahllosen Einzelheiten, mit denen wir unser Leben behängen. Der
erstere Fall ist deshalb kulturell so bezeichnend, weil die sorgende
und erhaltende Thätigkeit der Hausfrau früher umfänglicher und an-
strengender war als jetzt. Allein zu jenem Gefühl der Unfreiheit den
Objekten gegenüber kam es nicht, weil sie der Persönlichkeit enger
verbunden waren. Die wenigeren, undifferenzierteren Gegenstände
konnte diese eher mit sich durchdringen, sie setzten ihr nicht die
Selbständigkeit entgegen wie ein Haufe spezialisierter Dinge. Diese
erst, wenn wir ihnen dienen sollen, empfinden wir als eine feindliche
Macht. Wie Freiheit nichts negatives ist, sondern die positive Er-
streckung des Ich über ihm nachgebende Objekte, so ist umgekehrt
Objekt für uns nur dasjenige, woran unsere Freiheit erlahmt, d. h.
wozu wir in Beziehung stehen, ohne es doch unserem Ich assimilieren
zu können. Das Gefühl, von den Äuſserlichkeiten erdrückt zu werden,
mit denen das moderne Leben uns umgiebt, ist nicht nur die Folge,
sondern auch die Ursache davon, daſs sie uns als autonome Objekte
gegenübertreten. Das Peinliche ist, daſs diese vielfachen, umdrängen-
den Dinge uns im Grunde eben gleichgültig sind, und zwar aus den
spezifisch geldwirtschaftlichen Gründen der unpersönlichen Genesis und
der leichten Ersetzbarkeit. Daſs die Groſsindustrie den sozialistischen
Gedanken nährt, beruht nicht nur auf den Verhältnissen ihrer Arbeiter,
sondern auch auf der objektiven Beschaffenheit ihrer Produkte: der
moderne Mensch ist von lauter so unpersönlichen Dingen umgeben,
daſs ihm die Vorstellung einer überhaupt anti-individuellen Lebensord-
nung immer näher kommen muſs — freilich auch die Opposition dagegen.
Die Kulturobjekte erwachsen immer mehr zu einer in sich zusammen-
hängenden Welt, die an immer wenigeren Punkten auf die subjektive
Seele mit ihrem Wollen und Fühlen hinuntergreift. Und dieser Zu-
sammenhang wird von einer gewissen Selbstbeweglichkeit der Objekte
getragen. Man hat hervorgehoben, daſs der Kaufmann, der Hand-
werker, der Gelehrte heute weit weniger beweglich ist, als etwa in der
Reformationszeit. Materielle wie geistige Objekte bewegen sich jetzt
eben selbständig, ohne personalen Träger oder Transporteur. Dinge
und Menschen sind auseinandergetreten. Der Gedanke, die Arbeits-
mühe, die Geschicklichkeit haben durch ihre steigende Investierung in
objektiven Gebilden, Büchern und Waren, die Möglichkeit einer Eigen-
bewegung erhalten, für die der moderne Fortschritt in Transport-
mitteln nur die Verwirklichung oder der Ausdruck ist. Durch ihre
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 492. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/516>, abgerufen am 22.11.2024.
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