zusammen, ungefähr wie die unlebendigen Stoffe in den Organismus und die Einheit seines Lebens einbezogen werden. Darin liegt die Grösse wie die Grenze der Seele gegenüber den einzelnen, in ihrer selbständigen Gültigkeit und sachlichen Bedeutsamkeit betrachteten Inhalten ihres Bewusstseins. In so leuchtender Vollkommenheit und restlosem Sich-Selbst-Genügen auch Plato das Reich der Ideen zeichnen mag, die doch nichts anderes sind, als die von aller Zufälligkeit des Vorgestelltwerdens gelösten Sachinhalte des Denkens, und so unvoll- kommen, bedingt und dämmernd ihm die Seele des Menschen mit ihrer blassen, verwischten, kaum erhaschten Abspiegelung jener reinen Be- deutsamkeiten erscheinen mag -- für uns ist jene plastische Klarheit und logische Formbestimmtheit nicht der einzige Wertmassstab der Ideale und Wirklichkeiten. Uns ist die Form persönlicher Ein- heit, zu der das Bewusstsein den objektiven geistigen Sinn der Dinge zusammenführt, von unvergleichlichem Wert: hier erst gewinnen sie die Reibung aneinander, die Leben und Kraft ist, hier entwickeln sich erst jene dunklen Wärmestrahlen des Gemütes, für die die klare Per- fektion rein sachlich bestimmter Ideen keinen Platz und kein Herz hat. So aber verhält es sich auch mit dem Geiste, der durch Ver- gegenständlichung unserer Intelligenz sich der Seele als Objekt gegen- überstellt. Und zwar wächst der Abstand zwischen beiden offenbar in demselben Masse, in dem der Gegenstand durch das arbeitsteilige Zu- sammenwirken einer wachsenden Anzahl von Persönlichkeiten ent- steht; denn in eben diesem Mass wird es unmöglich, in das Werk die Einheit der Persönlichkeit hineinzuarbeiten, hineinzuleben, an welche sich für uns grade der Wert, die Wärme, die Eigenart der Seele knüpft. Dass dem objektiven Geist durch die moderne Differenziert- heit seines Zustandekommens eben diese Form der Seelenhaftigkeit fehlt -- in engem Zusammenhang mit dem mechanischen Wesen unserer Kulturprodukte -- das mag der letzte Grund der Feindselig- keit sein, mit der sehr individualistische und vertiefte Naturen jetzt so häufig dem "Fortschritt der Kultur" gegenüberstehen. Und zwar um so mehr, als diese, durch die Arbeitsteilung bestimmte Entwicklung der objektiven Kultur eine Seite oder Folge der allgemeinen Er- scheinung ist, die man so auszudrücken pflegt: dass das Bedeutende in der gegenwärtigen Epoche nicht mehr durch die Individuen, sondern durch die Massen geschehe. Die Arbeitsteilung bewirkt in der That, dass der einzelne Gegenstand schon ein Produkt der Masse ist; die, unsere Arbeitsorganisation bestimmende, Zerlegung der Individuen in ihre einzelnen Energien und die Zusammenführung des so Herausdiffe- renzierten zu einem objektiven Kulturprodukt hat zur Folge, dass in
zusammen, ungefähr wie die unlebendigen Stoffe in den Organismus und die Einheit seines Lebens einbezogen werden. Darin liegt die Gröſse wie die Grenze der Seele gegenüber den einzelnen, in ihrer selbständigen Gültigkeit und sachlichen Bedeutsamkeit betrachteten Inhalten ihres Bewuſstseins. In so leuchtender Vollkommenheit und restlosem Sich-Selbst-Genügen auch Plato das Reich der Ideen zeichnen mag, die doch nichts anderes sind, als die von aller Zufälligkeit des Vorgestelltwerdens gelösten Sachinhalte des Denkens, und so unvoll- kommen, bedingt und dämmernd ihm die Seele des Menschen mit ihrer blassen, verwischten, kaum erhaschten Abspiegelung jener reinen Be- deutsamkeiten erscheinen mag — für uns ist jene plastische Klarheit und logische Formbestimmtheit nicht der einzige Wertmaſsstab der Ideale und Wirklichkeiten. Uns ist die Form persönlicher Ein- heit, zu der das Bewuſstsein den objektiven geistigen Sinn der Dinge zusammenführt, von unvergleichlichem Wert: hier erst gewinnen sie die Reibung aneinander, die Leben und Kraft ist, hier entwickeln sich erst jene dunklen Wärmestrahlen des Gemütes, für die die klare Per- fektion rein sachlich bestimmter Ideen keinen Platz und kein Herz hat. So aber verhält es sich auch mit dem Geiste, der durch Ver- gegenständlichung unserer Intelligenz sich der Seele als Objekt gegen- überstellt. Und zwar wächst der Abstand zwischen beiden offenbar in demselben Maſse, in dem der Gegenstand durch das arbeitsteilige Zu- sammenwirken einer wachsenden Anzahl von Persönlichkeiten ent- steht; denn in eben diesem Maſs wird es unmöglich, in das Werk die Einheit der Persönlichkeit hineinzuarbeiten, hineinzuleben, an welche sich für uns grade der Wert, die Wärme, die Eigenart der Seele knüpft. Daſs dem objektiven Geist durch die moderne Differenziert- heit seines Zustandekommens eben diese Form der Seelenhaftigkeit fehlt — in engem Zusammenhang mit dem mechanischen Wesen unserer Kulturprodukte — das mag der letzte Grund der Feindselig- keit sein, mit der sehr individualistische und vertiefte Naturen jetzt so häufig dem „Fortschritt der Kultur“ gegenüberstehen. Und zwar um so mehr, als diese, durch die Arbeitsteilung bestimmte Entwicklung der objektiven Kultur eine Seite oder Folge der allgemeinen Er- scheinung ist, die man so auszudrücken pflegt: daſs das Bedeutende in der gegenwärtigen Epoche nicht mehr durch die Individuen, sondern durch die Massen geschehe. Die Arbeitsteilung bewirkt in der That, daſs der einzelne Gegenstand schon ein Produkt der Masse ist; die, unsere Arbeitsorganisation bestimmende, Zerlegung der Individuen in ihre einzelnen Energien und die Zusammenführung des so Herausdiffe- renzierten zu einem objektiven Kulturprodukt hat zur Folge, daſs in
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zusammen, ungefähr wie die unlebendigen Stoffe in den Organismus
und die Einheit seines Lebens einbezogen werden. Darin liegt die
Gröſse wie die Grenze der Seele gegenüber den einzelnen, in ihrer
selbständigen Gültigkeit und sachlichen Bedeutsamkeit betrachteten
Inhalten ihres Bewuſstseins. In so leuchtender Vollkommenheit und
restlosem Sich-Selbst-Genügen auch Plato das Reich der Ideen zeichnen
mag, die doch nichts anderes sind, als die von aller Zufälligkeit des
Vorgestelltwerdens gelösten Sachinhalte des Denkens, und so unvoll-
kommen, bedingt und dämmernd ihm die Seele des Menschen mit ihrer
blassen, verwischten, kaum erhaschten Abspiegelung jener reinen Be-
deutsamkeiten erscheinen mag — für uns ist jene plastische Klarheit
und logische Formbestimmtheit nicht der einzige Wertmaſsstab der
Ideale und Wirklichkeiten. Uns ist die Form persönlicher Ein-
heit, zu der das Bewuſstsein den objektiven geistigen Sinn der Dinge
zusammenführt, von unvergleichlichem Wert: hier erst gewinnen sie
die Reibung aneinander, die Leben und Kraft ist, hier entwickeln sich
erst jene dunklen Wärmestrahlen des Gemütes, für die die klare Per-
fektion rein sachlich bestimmter Ideen keinen Platz und kein Herz
hat. So aber verhält es sich auch mit dem Geiste, der durch Ver-
gegenständlichung unserer Intelligenz sich der Seele als Objekt gegen-
überstellt. Und zwar wächst der Abstand zwischen beiden offenbar in
demselben Maſse, in dem der Gegenstand durch das arbeitsteilige Zu-
sammenwirken einer wachsenden Anzahl von Persönlichkeiten ent-
steht; denn in eben diesem Maſs wird es unmöglich, in das Werk die
Einheit der Persönlichkeit hineinzuarbeiten, hineinzuleben, an welche
sich für uns grade der Wert, die Wärme, die Eigenart der Seele
knüpft. Daſs dem objektiven Geist durch die moderne Differenziert-
heit seines Zustandekommens eben diese Form der Seelenhaftigkeit
fehlt — in engem Zusammenhang mit dem mechanischen Wesen
unserer Kulturprodukte — das mag der letzte Grund der Feindselig-
keit sein, mit der sehr individualistische und vertiefte Naturen jetzt
so häufig dem „Fortschritt der Kultur“ gegenüberstehen. Und zwar
um so mehr, als diese, durch die Arbeitsteilung bestimmte Entwicklung
der objektiven Kultur eine Seite oder Folge der allgemeinen Er-
scheinung ist, die man so auszudrücken pflegt: daſs das Bedeutende
in der gegenwärtigen Epoche nicht mehr durch die Individuen, sondern
durch die Massen geschehe. Die Arbeitsteilung bewirkt in der That,
daſs der einzelne Gegenstand schon ein Produkt der Masse ist; die,
unsere Arbeitsorganisation bestimmende, Zerlegung der Individuen in
ihre einzelnen Energien und die Zusammenführung des so Herausdiffe-
renzierten zu einem objektiven Kulturprodukt hat zur Folge, daſs in
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 500. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/524>, abgerufen am 22.11.2024.
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