noch tiefer in das Einzelsubjekt selbst hinab, als Distanzierung nicht gegen andre Personen, sondern gegen die Sachgehalte des Lebens. Schon dass ein Vermögen heute aus Produktionsmitteln, statt wie in primitiven Epochen aus Konsumtionsmitteln besteht, ist eine enorme Distanzierung. Wie sich in die Herstellung der Kulturobjekte selbst immer mehr und mehr Stationen einschieben -- indem das Produkt immer weiter vom Rohstoff abliegt --, so stellt die jetzige Art des Vermögensbesitzes den Eigentümer technisch und infolgedessen auch innerlich in eine viel weitere Entfernung von dem definitiven Zwecke alles Vermögens, als zu den Zeiten, wo Vermögen nur die Fülle un- mittelbarer Konsumtionsmöglichkeiten bedeutete. Auf dem Gebiet der Produktion wird der gleiche innere Erfolg durch die Arbeitsteilung begünstigt, die durch das Geldwesen wechselwirkend bedingt ist. Je weniger jeder Einzelne ein Ganzes schafft, desto durchgehender er- scheint sein Thun als blosses Vorstadium, desto weiter scheint die Quelle seiner Wirksamkeiten von deren Mündung, dem Sinn und Zweck der Arbeit, abgerückt. Und nun unmittelbar: wie sich das Geld zwischen Mensch und Mensch schiebt, so zwischen Mensch und Ware. Seit der Geldwirtschaft stehen uns die Gegenstände des wirtschaftlichen Verkehrs nicht mehr unmittelbar gegenüber, unser Interesse an ihnen wird erst durch das Medium des Geldes gebrochen, ihre eigne sach- liche Bedeutung rückt dem Bewusstsein ferner, weil ihr Geldwert diese aus ihrer Stelle in unseren Interessenzusammenhängen mehr oder weniger herausdrängt. Erinnern wir uns der früheren Ausmachungen, wie oft das Zweckbewusstsein auf der Stufe des Geldes halt macht, so zeigt sich, dass das Geld uns mit der Vergrösserung seiner Rolle in immer weitere psychische Distanz zu den Objekten stellt, oft in eine solche, dass ihr qualitatives Wesen uns davor ganz ausser Sehweite rückt und die innere Berührung mit ihrem vollen, eignen Sein durch- brochen wird. Und das gilt nicht nur für die Kulturobjekte. Unser ganzes Leben wird durch die Entfernung auch von der Natur gefärbt, die das geldwirtschaftliche und das davon abhängige städtische Leben er- zwingt. Allerdings wird vielleicht erst durch sie die eigentlich ästhe- tische und romantische Empfindung der Natur möglich. Wer es nicht anders kennt, als in unmittelbarer Berührung mit der Natur zu leben, der mag ihre Reize wohl subjektiv geniessen, aber ihm fehlt die Distanz zu ihr, aus der allein ein eigentlich ästhetisches Betrachten ihrer möglich ist und durch die ausserdem jene stille Trauer, jenes Gefühl sehnsüchtigen Fremdseins und verlorener Paradiese entsteht, wie sie das romantische Naturgefühl charakterisieren. Wenn der moderne Mensch seine höchsten Naturgenüsse in den Schneeregionen
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noch tiefer in das Einzelsubjekt selbst hinab, als Distanzierung nicht gegen andre Personen, sondern gegen die Sachgehalte des Lebens. Schon daſs ein Vermögen heute aus Produktionsmitteln, statt wie in primitiven Epochen aus Konsumtionsmitteln besteht, ist eine enorme Distanzierung. Wie sich in die Herstellung der Kulturobjekte selbst immer mehr und mehr Stationen einschieben — indem das Produkt immer weiter vom Rohstoff abliegt —, so stellt die jetzige Art des Vermögensbesitzes den Eigentümer technisch und infolgedessen auch innerlich in eine viel weitere Entfernung von dem definitiven Zwecke alles Vermögens, als zu den Zeiten, wo Vermögen nur die Fülle un- mittelbarer Konsumtionsmöglichkeiten bedeutete. Auf dem Gebiet der Produktion wird der gleiche innere Erfolg durch die Arbeitsteilung begünstigt, die durch das Geldwesen wechselwirkend bedingt ist. Je weniger jeder Einzelne ein Ganzes schafft, desto durchgehender er- scheint sein Thun als bloſses Vorstadium, desto weiter scheint die Quelle seiner Wirksamkeiten von deren Mündung, dem Sinn und Zweck der Arbeit, abgerückt. Und nun unmittelbar: wie sich das Geld zwischen Mensch und Mensch schiebt, so zwischen Mensch und Ware. Seit der Geldwirtschaft stehen uns die Gegenstände des wirtschaftlichen Verkehrs nicht mehr unmittelbar gegenüber, unser Interesse an ihnen wird erst durch das Medium des Geldes gebrochen, ihre eigne sach- liche Bedeutung rückt dem Bewuſstsein ferner, weil ihr Geldwert diese aus ihrer Stelle in unseren Interessenzusammenhängen mehr oder weniger herausdrängt. Erinnern wir uns der früheren Ausmachungen, wie oft das Zweckbewuſstsein auf der Stufe des Geldes halt macht, so zeigt sich, daſs das Geld uns mit der Vergröſserung seiner Rolle in immer weitere psychische Distanz zu den Objekten stellt, oft in eine solche, daſs ihr qualitatives Wesen uns davor ganz auſser Sehweite rückt und die innere Berührung mit ihrem vollen, eignen Sein durch- brochen wird. Und das gilt nicht nur für die Kulturobjekte. Unser ganzes Leben wird durch die Entfernung auch von der Natur gefärbt, die das geldwirtschaftliche und das davon abhängige städtische Leben er- zwingt. Allerdings wird vielleicht erst durch sie die eigentlich ästhe- tische und romantische Empfindung der Natur möglich. Wer es nicht anders kennt, als in unmittelbarer Berührung mit der Natur zu leben, der mag ihre Reize wohl subjektiv genieſsen, aber ihm fehlt die Distanz zu ihr, aus der allein ein eigentlich ästhetisches Betrachten ihrer möglich ist und durch die auſserdem jene stille Trauer, jenes Gefühl sehnsüchtigen Fremdseins und verlorener Paradiese entsteht, wie sie das romantische Naturgefühl charakterisieren. Wenn der moderne Mensch seine höchsten Naturgenüsse in den Schneeregionen
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noch tiefer in das Einzelsubjekt selbst hinab, als Distanzierung nicht
gegen andre Personen, sondern gegen die Sachgehalte des Lebens.
Schon daſs ein Vermögen heute aus Produktionsmitteln, statt wie in
primitiven Epochen aus Konsumtionsmitteln besteht, ist eine enorme
Distanzierung. Wie sich in die Herstellung der Kulturobjekte selbst
immer mehr und mehr Stationen einschieben — indem das Produkt
immer weiter vom Rohstoff abliegt —, so stellt die jetzige Art des
Vermögensbesitzes den Eigentümer technisch und infolgedessen auch
innerlich in eine viel weitere Entfernung von dem definitiven Zwecke
alles Vermögens, als zu den Zeiten, wo Vermögen nur die Fülle un-
mittelbarer Konsumtionsmöglichkeiten bedeutete. Auf dem Gebiet der
Produktion wird der gleiche innere Erfolg durch die Arbeitsteilung
begünstigt, die durch das Geldwesen wechselwirkend bedingt ist. Je
weniger jeder Einzelne ein Ganzes schafft, desto durchgehender er-
scheint sein Thun als bloſses Vorstadium, desto weiter scheint die
Quelle seiner Wirksamkeiten von deren Mündung, dem Sinn und Zweck
der Arbeit, abgerückt. Und nun unmittelbar: wie sich das Geld
zwischen Mensch und Mensch schiebt, so zwischen Mensch und Ware.
Seit der Geldwirtschaft stehen uns die Gegenstände des wirtschaftlichen
Verkehrs nicht mehr unmittelbar gegenüber, unser Interesse an ihnen
wird erst durch das Medium des Geldes gebrochen, ihre eigne sach-
liche Bedeutung rückt dem Bewuſstsein ferner, weil ihr Geldwert diese
aus ihrer Stelle in unseren Interessenzusammenhängen mehr oder
weniger herausdrängt. Erinnern wir uns der früheren Ausmachungen,
wie oft das Zweckbewuſstsein auf der Stufe des Geldes halt macht, so
zeigt sich, daſs das Geld uns mit der Vergröſserung seiner Rolle in
immer weitere psychische Distanz zu den Objekten stellt, oft in eine
solche, daſs ihr qualitatives Wesen uns davor ganz auſser Sehweite
rückt und die innere Berührung mit ihrem vollen, eignen Sein durch-
brochen wird. Und das gilt nicht nur für die Kulturobjekte. Unser
ganzes Leben wird durch die Entfernung auch von der Natur gefärbt, die
das geldwirtschaftliche und das davon abhängige städtische Leben er-
zwingt. Allerdings wird vielleicht erst durch sie die eigentlich ästhe-
tische und romantische Empfindung der Natur möglich. Wer es nicht
anders kennt, als in unmittelbarer Berührung mit der Natur zu leben,
der mag ihre Reize wohl subjektiv genieſsen, aber ihm fehlt die
Distanz zu ihr, aus der allein ein eigentlich ästhetisches Betrachten
ihrer möglich ist und durch die auſserdem jene stille Trauer, jenes
Gefühl sehnsüchtigen Fremdseins und verlorener Paradiese entsteht,
wie sie das romantische Naturgefühl charakterisieren. Wenn der
moderne Mensch seine höchsten Naturgenüsse in den Schneeregionen
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/539>, abgerufen am 22.11.2024.
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