keine Arbeitskraft darstellenden -- Umstände derart verbunden sind, dass er dennoch den Tausch vollzieht, z. B. Befriedigung eines unauf- schieblichen Bedürfnisses, Liebhaberei, Betrug, Monopole und ähnliches. Im weiteren und subjektiven Sinne bleibt also auch hier die Äquivalenz von Wert und Gegenwert bestehen, während die einheitliche Norm Arbeitskraft, die ihre Diskrepanz ermöglicht, sich auch ihrerseits nicht der Genesis ihres Wertcharakters aus dem Tausch entzieht.
Die qualitative Bestimmtheit der Objekte, die subjektiv ihre Begehrtheit bedeutet, kann nach alledem den Anspruch, eine absolute Wertgrösse zu erzeugen, nicht aufrecht erhalten: es ist immer erst die im Tausch sich verwirklichende Relation der Begehrungen zu einander, die deren Gegenstände zu wirtschaftlichen Werten macht. Unmittel- barer tritt diese Bestimmung an dem anderen der als konstitutiv gel- tenden Momente des Wertes hervor, an der Knappheit oder relativen Seltenheit. Der Tausch ist ja nichts anderes, als der interindividuelle Versuch, die aus der Knappheit der Güter entspringenden Missstände zu verbessern, d. h. das subjektive Entbehrungsquantum durch die Ver- teilungsart des gegebnen Vorrates möglichst herabzusetzen. Schon daraus folgt zunächst eine allgemeine Korrelation zwischen dem, was man -- in freilich mit Recht kritisierter Weise -- Seltenheitswert und dem, was man Tauschwert nennt. Hier aber ist der Zusammenhang in umgekehrter Richtung wichtiger. Ich habe bereits hervorgehoben, dass die Knappheit der Güter schwerlich eine Wertung ihrer zur Folge hätte, wenn sie nicht durch uns modifizierbar wäre. Das ist sie eben nur auf zweierlei Weise: entweder durch die Hingabe von Arbeitskraft, die den Gütervorrat objektiv vermehrt, oder durch Hingabe bereits be- sessener Objekte, die als Besitzwechsel die Seltenheit des je begehrtesten Objektes für das Subjekt aufhebt. So kann man zunächst wohl sagen, dass die Knappheit der Güter im Verhältnis zu den darauf gerichteten Begehrungen objektiv den Tausch bedingt, dass aber der Tausch seiner- seits erst die Seltenheit zu einem Wertmoment macht. Es ist ein durchgehender Fehler von Werttheorien, dass sie, wenn Brauchbarkeit und Seltenheit gegeben sind, den ökonomischen Wert, d. h. die Tausch- bewegung als etwas Selbstverständliches, als die begrifflich notwendige Folge jener Prämissen setzen. Damit haben sie aber keineswegs recht. Wenn etwa ein asketisches Sich-Bescheiden neben jenen Voraussetzungen stünde, oder wenn sie nur zu Kampf oder Raub veranlassten -- was ja auch oft genug der Fall ist --, so würde kein ökonomischer Wert und kein ökonomisches Leben entstehen.
Die Ethnologie belehrt uns über die erstaunlichen Willkürlich- keiten, Schwankungen, Unangemessenheiten der Wertbegriffe in primi-
keine Arbeitskraft darstellenden — Umstände derart verbunden sind, daſs er dennoch den Tausch vollzieht, z. B. Befriedigung eines unauf- schieblichen Bedürfnisses, Liebhaberei, Betrug, Monopole und ähnliches. Im weiteren und subjektiven Sinne bleibt also auch hier die Äquivalenz von Wert und Gegenwert bestehen, während die einheitliche Norm Arbeitskraft, die ihre Diskrepanz ermöglicht, sich auch ihrerseits nicht der Genesis ihres Wertcharakters aus dem Tausch entzieht.
Die qualitative Bestimmtheit der Objekte, die subjektiv ihre Begehrtheit bedeutet, kann nach alledem den Anspruch, eine absolute Wertgröſse zu erzeugen, nicht aufrecht erhalten: es ist immer erst die im Tausch sich verwirklichende Relation der Begehrungen zu einander, die deren Gegenstände zu wirtschaftlichen Werten macht. Unmittel- barer tritt diese Bestimmung an dem anderen der als konstitutiv gel- tenden Momente des Wertes hervor, an der Knappheit oder relativen Seltenheit. Der Tausch ist ja nichts anderes, als der interindividuelle Versuch, die aus der Knappheit der Güter entspringenden Miſsstände zu verbessern, d. h. das subjektive Entbehrungsquantum durch die Ver- teilungsart des gegebnen Vorrates möglichst herabzusetzen. Schon daraus folgt zunächst eine allgemeine Korrelation zwischen dem, was man — in freilich mit Recht kritisierter Weise — Seltenheitswert und dem, was man Tauschwert nennt. Hier aber ist der Zusammenhang in umgekehrter Richtung wichtiger. Ich habe bereits hervorgehoben, daſs die Knappheit der Güter schwerlich eine Wertung ihrer zur Folge hätte, wenn sie nicht durch uns modifizierbar wäre. Das ist sie eben nur auf zweierlei Weise: entweder durch die Hingabe von Arbeitskraft, die den Gütervorrat objektiv vermehrt, oder durch Hingabe bereits be- sessener Objekte, die als Besitzwechsel die Seltenheit des je begehrtesten Objektes für das Subjekt aufhebt. So kann man zunächst wohl sagen, daſs die Knappheit der Güter im Verhältnis zu den darauf gerichteten Begehrungen objektiv den Tausch bedingt, daſs aber der Tausch seiner- seits erst die Seltenheit zu einem Wertmoment macht. Es ist ein durchgehender Fehler von Werttheorien, daſs sie, wenn Brauchbarkeit und Seltenheit gegeben sind, den ökonomischen Wert, d. h. die Tausch- bewegung als etwas Selbstverständliches, als die begrifflich notwendige Folge jener Prämissen setzen. Damit haben sie aber keineswegs recht. Wenn etwa ein asketisches Sich-Bescheiden neben jenen Voraussetzungen stünde, oder wenn sie nur zu Kampf oder Raub veranlaſsten — was ja auch oft genug der Fall ist —, so würde kein ökonomischer Wert und kein ökonomisches Leben entstehen.
Die Ethnologie belehrt uns über die erstaunlichen Willkürlich- keiten, Schwankungen, Unangemessenheiten der Wertbegriffe in primi-
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[52/0076]
keine Arbeitskraft darstellenden — Umstände derart verbunden sind,
daſs er dennoch den Tausch vollzieht, z. B. Befriedigung eines unauf-
schieblichen Bedürfnisses, Liebhaberei, Betrug, Monopole und ähnliches.
Im weiteren und subjektiven Sinne bleibt also auch hier die Äquivalenz
von Wert und Gegenwert bestehen, während die einheitliche Norm
Arbeitskraft, die ihre Diskrepanz ermöglicht, sich auch ihrerseits nicht
der Genesis ihres Wertcharakters aus dem Tausch entzieht.
Die qualitative Bestimmtheit der Objekte, die subjektiv ihre
Begehrtheit bedeutet, kann nach alledem den Anspruch, eine absolute
Wertgröſse zu erzeugen, nicht aufrecht erhalten: es ist immer erst die
im Tausch sich verwirklichende Relation der Begehrungen zu einander,
die deren Gegenstände zu wirtschaftlichen Werten macht. Unmittel-
barer tritt diese Bestimmung an dem anderen der als konstitutiv gel-
tenden Momente des Wertes hervor, an der Knappheit oder relativen
Seltenheit. Der Tausch ist ja nichts anderes, als der interindividuelle
Versuch, die aus der Knappheit der Güter entspringenden Miſsstände
zu verbessern, d. h. das subjektive Entbehrungsquantum durch die Ver-
teilungsart des gegebnen Vorrates möglichst herabzusetzen. Schon
daraus folgt zunächst eine allgemeine Korrelation zwischen dem, was
man — in freilich mit Recht kritisierter Weise — Seltenheitswert und
dem, was man Tauschwert nennt. Hier aber ist der Zusammenhang
in umgekehrter Richtung wichtiger. Ich habe bereits hervorgehoben,
daſs die Knappheit der Güter schwerlich eine Wertung ihrer zur Folge
hätte, wenn sie nicht durch uns modifizierbar wäre. Das ist sie eben
nur auf zweierlei Weise: entweder durch die Hingabe von Arbeitskraft,
die den Gütervorrat objektiv vermehrt, oder durch Hingabe bereits be-
sessener Objekte, die als Besitzwechsel die Seltenheit des je begehrtesten
Objektes für das Subjekt aufhebt. So kann man zunächst wohl sagen,
daſs die Knappheit der Güter im Verhältnis zu den darauf gerichteten
Begehrungen objektiv den Tausch bedingt, daſs aber der Tausch seiner-
seits erst die Seltenheit zu einem Wertmoment macht. Es ist ein
durchgehender Fehler von Werttheorien, daſs sie, wenn Brauchbarkeit
und Seltenheit gegeben sind, den ökonomischen Wert, d. h. die Tausch-
bewegung als etwas Selbstverständliches, als die begrifflich notwendige
Folge jener Prämissen setzen. Damit haben sie aber keineswegs recht.
Wenn etwa ein asketisches Sich-Bescheiden neben jenen Voraussetzungen
stünde, oder wenn sie nur zu Kampf oder Raub veranlaſsten — was
ja auch oft genug der Fall ist —, so würde kein ökonomischer Wert
und kein ökonomisches Leben entstehen.
Die Ethnologie belehrt uns über die erstaunlichen Willkürlich-
keiten, Schwankungen, Unangemessenheiten der Wertbegriffe in primi-
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Simmel, Georg: Philosophie des Geldes. Leipzig, 1900, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/simmel_geld_1900/76>, abgerufen am 26.11.2024.
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