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Siniscalchi, Liborio: Sacramentalisches Abendmahl. Übers. v. Peter Obladen. Costanz/Ulm, 1752.

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Von dem H. Altars-Sacrament.
Sohn des Menschen wird in die Händ der
Sünder übergeben werden.

II.

Begeht ein solcher gegen die Göttliche
Güte die höchste Undanckbarkeit.
Das letzte
Zeichen, wohin eine teuflische Boßheit gelan-
gen kan, ist, den Gutthäter in eben jenem Au-
genblick beleydigen, in welchem er uns mit
Gutthaten überhäufft. Die Undanckbarkeit
wegen empfangen- und vergangenen Guttha-
ten kan durch die Vergessenheit entschuldiget
werden; jene wegen zukünfftigen durch die Un-
wissenheit; allein die wegen gegenwärtigen kan
nicht hinaus gebracht werden, und ist eine sol-
che Boßheit, daß die Natur selbst nicht ge-
wolt, daß die Kinder solche gegen ihre Müttern
ausüben. Deßwegen sagt Philo, der Jud, wer-
den die Kinder ohne Zähn gebohren; damit,
da sie die Milch saugen, sie die Mutter-Brüst
nicht verletzen, so sie nähren. Nun was grosse
Gutthat erweißt GOtt jenen, die ihne empfan-
gen? Er speißt sie mehr, als eine Mutter, mit
seinem Fleisch, und träncket sie mit seinem
Blut. Was noch mehr, er erhöht sie wegen
der engen Vereinigung gleichsam zu was Gött-
liches. Wie wird ihme aber diese Ehr-Bezeu-
gung vergolten? der Mensch zeigt sich gegen
diesem Gutthäter undanckbar; da er sich nicht
scheut, selben GOtts-schänderischer Weis zu
empfangen. Kan wohl eine gottlosere Boß-
heit erdacht werden? Nur gar zu wahr ist der
Spruch Eccles. am 49. Er wird bey uns

ein-

Von dem H. Altars-Sacrament.
Sohn des Menſchen wird in die Händ der
Sünder übergeben werden.

II.

Begeht ein ſolcher gegen die Göttliche
Güte die höchſte Undanckbarkeit.
Das letzte
Zeichen, wohin eine teufliſche Boßheit gelan-
gen kan, iſt, den Gutthäter in eben jenem Au-
genblick beleydigen, in welchem er uns mit
Gutthaten überhäufft. Die Undanckbarkeit
wegen empfangen- und vergangenen Guttha-
ten kan durch die Vergeſſenheit entſchuldiget
werden; jene wegen zukünfftigen durch die Un-
wiſſenheit; allein die wegen gegenwärtigen kan
nicht hinaus gebracht werden, und iſt eine ſol-
che Boßheit, daß die Natur ſelbſt nicht ge-
wolt, daß die Kinder ſolche gegen ihre Müttern
ausüben. Deßwegen ſagt Philo, der Jud, wer-
den die Kinder ohne Zähn gebohren; damit,
da ſie die Milch ſaugen, ſie die Mutter-Brüſt
nicht verletzen, ſo ſie nähren. Nun was groſſe
Gutthat erweißt GOtt jenen, die ihne empfan-
gen? Er ſpeißt ſie mehr, als eine Mutter, mit
ſeinem Fleiſch, und träncket ſie mit ſeinem
Blut. Was noch mehr, er erhöht ſie wegen
der engen Vereinigung gleichſam zu was Gött-
liches. Wie wird ihme aber dieſe Ehr-Bezeu-
gung vergolten? der Menſch zeigt ſich gegen
dieſem Gutthäter undanckbar; da er ſich nicht
ſcheut, ſelben GOtts-ſchänderiſcher Weis zu
empfangen. Kan wohl eine gottloſere Boß-
heit erdacht werden? Nur gar zu wahr iſt der
Spruch Eccleſ. am 49. Er wird bey uns

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[191/0228] Von dem H. Altars-Sacrament. Sohn des Menſchen wird in die Händ der Sünder übergeben werden. II. Begeht ein ſolcher gegen die Göttliche Güte die höchſte Undanckbarkeit. Das letzte Zeichen, wohin eine teufliſche Boßheit gelan- gen kan, iſt, den Gutthäter in eben jenem Au- genblick beleydigen, in welchem er uns mit Gutthaten überhäufft. Die Undanckbarkeit wegen empfangen- und vergangenen Guttha- ten kan durch die Vergeſſenheit entſchuldiget werden; jene wegen zukünfftigen durch die Un- wiſſenheit; allein die wegen gegenwärtigen kan nicht hinaus gebracht werden, und iſt eine ſol- che Boßheit, daß die Natur ſelbſt nicht ge- wolt, daß die Kinder ſolche gegen ihre Müttern ausüben. Deßwegen ſagt Philo, der Jud, wer- den die Kinder ohne Zähn gebohren; damit, da ſie die Milch ſaugen, ſie die Mutter-Brüſt nicht verletzen, ſo ſie nähren. Nun was groſſe Gutthat erweißt GOtt jenen, die ihne empfan- gen? Er ſpeißt ſie mehr, als eine Mutter, mit ſeinem Fleiſch, und träncket ſie mit ſeinem Blut. Was noch mehr, er erhöht ſie wegen der engen Vereinigung gleichſam zu was Gött- liches. Wie wird ihme aber dieſe Ehr-Bezeu- gung vergolten? der Menſch zeigt ſich gegen dieſem Gutthäter undanckbar; da er ſich nicht ſcheut, ſelben GOtts-ſchänderiſcher Weis zu empfangen. Kan wohl eine gottloſere Boß- heit erdacht werden? Nur gar zu wahr iſt der Spruch Eccleſ. am 49. Er wird bey uns ein-

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Zitationshilfe: Siniscalchi, Liborio: Sacramentalisches Abendmahl. Übers. v. Peter Obladen. Costanz/Ulm, 1752, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/siniscalchi_abendmahl_1752/228>, abgerufen am 24.11.2024.