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Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796.

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diese Schaam zu verbergen, haben wir die
unnatürlichste Gattung, die Oper, auf den
Thron gehoben, weil sie doch noch Einen
Sinn reizt!

Jndeß hat eben deswegen die Verbannung
Harlekins dem Schauspiel im Ganzen we-
sentlichen Nachtheil zugefügt. Das Publi-
kum, unbefriedigt durch das Schauspiel, hat
sich an die kostbare Oper, an die kostbare Bal-
lete, an kostbare Dekorazionen und Kleidun-
gen geheftet. Und all' das richtet die Schau-
spiel-Kunst zu Grunde. Eben deswegen
können wenig Städte ein stehendes Schau-
spiel unterhalten. Wechselte die Posse mit
dem ernsten Schauspiel ab, so wäre auch
dieß gerettet. Eins würde dem andern die
Hand biethen; Eins das andre unterhalten,
und für alle Klassen des Publikums, für
für jeden Geschmak wäre gesorgt.


dieſe Schaam zu verbergen, haben wir die
unnatuͤrlichſte Gattung, die Oper, auf den
Thron gehoben, weil ſie doch noch Einen
Sinn reizt!

Jndeß hat eben deswegen die Verbannung
Harlekins dem Schauſpiel im Ganzen we-
ſentlichen Nachtheil zugefuͤgt. Das Publi-
kum, unbefriedigt durch das Schauſpiel, hat
ſich an die koſtbare Oper, an die koſtbare Bal-
lete, an koſtbare Dekorazionen und Kleidun-
gen geheftet. Und all' das richtet die Schau-
ſpiel-Kunſt zu Grunde. Eben deswegen
koͤnnen wenig Staͤdte ein ſtehendes Schau-
ſpiel unterhalten. Wechſelte die Poſſe mit
dem ernſten Schauſpiel ab, ſo waͤre auch
dieß gerettet. Eins wuͤrde dem andern die
Hand biethen; Eins das andre unterhalten,
und fuͤr alle Klaſſen des Publikums, fuͤr
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[139/0151] dieſe Schaam zu verbergen, haben wir die unnatuͤrlichſte Gattung, die Oper, auf den Thron gehoben, weil ſie doch noch Einen Sinn reizt! Jndeß hat eben deswegen die Verbannung Harlekins dem Schauſpiel im Ganzen we- ſentlichen Nachtheil zugefuͤgt. Das Publi- kum, unbefriedigt durch das Schauſpiel, hat ſich an die koſtbare Oper, an die koſtbare Bal- lete, an koſtbare Dekorazionen und Kleidun- gen geheftet. Und all' das richtet die Schau- ſpiel-Kunſt zu Grunde. Eben deswegen koͤnnen wenig Staͤdte ein ſtehendes Schau- ſpiel unterhalten. Wechſelte die Poſſe mit dem ernſten Schauſpiel ab, ſo waͤre auch dieß gerettet. Eins wuͤrde dem andern die Hand biethen; Eins das andre unterhalten, und fuͤr alle Klaſſen des Publikums, fuͤr fuͤr jeden Geſchmak waͤre geſorgt.

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Zitationshilfe: Soden, Julius von: Alethia. Leipzig, 1796, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/soden_alethia_1796/151>, abgerufen am 28.11.2024.